Lufthansastreik löst Streit aus Sind Piloten die neuen Banker?

Berlin · Der Streik der Lufthansa-Piloten hat eine scharfe Diskussion ausgelöst: Politiker und Ökonomen stellen das Streikrecht infrage und werfen den Gewerkschaften Erpressung vor. Ein Kritiker nennt die Piloten in einem Atemzug mit Gier und Bankern.

"Die massive Erpressbarkeit der gesamten Wirtschaft durch Streiks an Schaltstellen der Infrastruktur ist so nicht mehr hinnehmbar", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, der Online-Ausgabe des "Handelsblatts". Nun müssten "die notwendigen Konsequenzen gezogen werden".

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erteilte Änderungen beim Streikrecht am Mittwoch eine Absage. Diese stünden nicht zur Diskussion. Dafür solle aber noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Tarifeinheit beschlossen werden, sagte die Arbeitsministerin bei der Vorstellung des Gesetzespakets zum Mindestlohn und zur Stärkung der Tarifautonomie in Berlin. Im jetzigen Gesetz sei die Tarifeinheit noch nicht enthalten, da die Sache kompliziert sei. Die Koalition arbeite jedoch an der Umsetzung.

CDU-Politiker befürchtet enorme Schäden

Klaus Barthel, Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, kritisierte in der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe), "dass Minigewerkschaften die Interessen weniger auf Kosten vieler vertreten". Das Boulevard-Blatt hatte es am Mittwoch ohnehin auf die Piloten abgesehen und titelte mit der Frage "Warum sind 181.000 Euro Durchschnitts-Gehalt nicht genug?" Aber auch vergleichsweise seriöse Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitungen übten scharfe Kritik. Das Ausmaße des Streiks sei so unverhältnismäßig, "dass sich die Frage stellt, ob dabei nicht die Grenze zum Missbrauch überschritten wird", hieß es.

Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Arnold Vaatz (CDU), erklärte, er wolle nur fragen, ob der Rechtsrahmen, in dem sich die Tarifautonomie abspiele, tatsächlich günstig sei. Am Dienstag waren seine Aussagen noch als Forderung zur Einschränkung des Streikrechts interpretiert worden. Vaatz sagte am Mittwoch dem Nachrichtensender n-tv, er befürchte, dass durch die Diversifizierung der Gewerkschaftslandschaft und durch Asynchronität von Friedenspflichten nach und nach enormer Schaden drohe.

Zur Kritik an der Macht von Spartengewerkschaften sagte der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, der Zeitung "Welt", er sehe "die Tarifeinheit als ein richtiges Ziel an". "Allerdings wollen wir dies nicht mit Eingriffen ins Streikrecht verbunden sehen", fügte er hinzu.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, widersprach jeder möglichen Einschränkung von Rechten kleiner Einzelgewerkschaften. "Wir werden eine Einschränkung des Streikrechts nicht akzeptieren", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwochsausgabe).

Die Fronten sind verhärtet

Der Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Justus Haucap, plädierte dagegen für eine Einschränkung des Streikrechts besonders starker Gewerkschaften. Der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission sagte der Online-Ausgabe des "Handelsblatts", die Gier der Piloten werde zu Recht als maßlos bezeichnet. "Man mag sich fragen, ob Piloten die neuen Banker sind", sagte Haucap.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch, erklärte, niemand stelle das Streikrecht in Frage. "Aber es darf die Vernunft nicht abhanden kommen und das Gesamtziel des Erhalts eines starken Luftverkehrsstandorts Deutschlands nicht aus den Augen verloren werden", erklärte Siegloch.

Im Tarifstreit selbst sind die Fronten verhärtet. Die Lufthansa lehnte am Mittwoch Gespräche mit den Gewerkschaften ab. Man wolle erst den Streik abwarten.

(AFP)
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