98-Stunden-Streik der Lokführer Bahn veröffentlicht Notfall-Fahrplan

Berlin · Die Bahn bereitet sich auf den längsten Ausstand in der Geschichte des Konzerns vor: Die Lokführergewerkschaft GDL hat angekündigt, dass ihre Mitglieder von Mittwoch bis Montagmorgen streiken werden. Ab Donnerstag ist auch der Personenverkehr betroffen. Die Bahn hat bereits einen ersten Ersatzfahrplan veröffentlicht.

GDL-Streik: "Claus Weselsky hat seine Gewerkschaft auf dem Abstellgleis geparkt"
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"Weselsky hat seine Gewerkschaft endgültig auf dem Abstellgleis geparkt"

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Die Arbeit im Personenverkehr soll ab Donnerstagmorgen um 2 Uhr niedergelegt werden, wie die Gewerkschaft GDL am Dienstag erklärte. Enden soll der Ausstand am Montagmorgen um 4 Uhr. Weitere Informationen der Bahn gibt es auch hier. Die Bahn will mindestens ein Drittel der Verbindungen aufrecht erhalten.

Der Güterverkehr wird bereits ab Mittwoch um 15 Uhr bestreikt. Es handelt sich mit 98 Stunden im Personenverkehr und 109 Stunden bei Güterzügen um die längste Arbeitsniederlegung in der Geschichte des Staatskonzerns.

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Berliner CDU empört

Die Berliner CDU hat unterdessen den geplanten längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn zum Zeitpunkt des Jubiläums zum Mauerfall scharf kritisiert. Mit dem Ausstand schade die GDL "nicht nur der Deutschen Bahn und ihrem eigenen Anliegen, sondern dem Ansehen der gesamten Bundesrepublik", sagte der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner am Dienstag der Onlineausgabe des "Handelsblatts". Es sei "ein Unding", dass die GDL ausgerechnet zum Mauerfalljubiläum "die Grenzen der verkehrlichen Belastbarkeit derart ausreizt".

"Gerade Berlin erwartet am Wochenende anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls zahlreiche nationale und internationale Gäste, die mit der Bahn anreisen möchten - ganz zu schweigen von den Berlinerinnen und Berlinern, die aufgrund der Feierlichkeiten in der Stadt unterwegs sind", sagte Wegner. Ihm fehle für den Streik "jedes Verständnis". "Auf Solidarität wird die GDL wohl verzichten müssen", sagte Wegner.

Weselsky: Wir müssen verhandeln

"Wir wollen und müssen im Auftrag unserer Mitglieder verhandeln", sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Dabei sei es egal, ob sie als Lokführer oder etwa Zugbegleiter, Bordgastronomen, oder Disponenten arbeiteten. "Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich."

Vordergründig geht es um die GDL-Forderung von fünf Prozent mehr Lohn im Jahr bei kürzeren Arbeitszeiten. Kern des Konflikts ist aber, dass die GDL dies nicht mehr allein für die 20.000 Lokführer fordert, sondern auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer. Die Vertretung dieser Gruppe beansprucht die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für sich.
Konkurrierende Gehaltsabschlüsse lehnt die Bahn aber ab.

Die Bahn kritisierte die Ankündigung als Schikane. "Dieser Streikaufruf macht nur noch sprachlos", erklärte Vorstandsmitglied Ulrich Weber. "Wir rufen die GDL auf, den Streikaufruf unverzüglich zurückzunehmen und sich umgehend mit uns an den Verhandlungstisch zu setzen."

Die Bahn kritisierte insbesondere, dass der Streik auch die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am Sonntag treffen wird. Zudem enden in Niedersachsen und Bremen die Herbstferien. Welche Rechte Sie als Bahn-Fahrgast haben, lesen Sie hier.

Vor dem Hintergrund der Arbeitskämpfe bei der Bahn und der der Lufthansa ergänzte Arbeitsministerin Nahles unterdessen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit. Neu eingefügt wurde in dem Reuters vorliegenden Entwurf ein Absatz, in dem ausdrücklich auf die Befriedungsfunktion eines Tarifvertrages hingewiesen wird. Das Kabinett soll den Gesetzentwurf am 03. Dezember billigen.

Mit dem Gesetzentwurf hat Nahles Berufsgewerkschaften wie die GDL, die Vereinigung Cockpit oder den Deutschen Beamtenbund auf die Barrikaden gebracht. Wenn sich zwei Gewerkschaften in einem Betrieb um die Zuständigkeit für dieselbe Beschäftigtengruppe streiten, soll laut Gesetzesentwurf der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb gelten. Deren Mitglieder unterliegen dann der Friedenspflicht: Sie dürfen während der Laufzeit des Tarifvertrages keinen Arbeitskampf führen. In der Praxis soll das dann auch kleinere Gewerkschaften binden.

Die GDL stieß mit ihrer Ankündigung auch auf Kritik der Wirtschaft. "Was derzeit bei der Bahn passiert, ist Gift für den Standort Deutschland", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks in einem Reuters-Interview. "Neben dem Ärgernis für Urlauber führen Streiks im Güterverkehr bereits nach wenigen Tagen zu Produktionsstörungen, weil Bahntransporte oft nicht kurzfristig auf Straßen oder Schiffe verlagert werden können."

In Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie sei die Produktionskette komplett auf Just-in-time-Produktion ausgerichtet, bei der Zuliefer- und Produktionstermine genau aufeinander abgestimmt seien. "Warenlager helfen nur die ersten Tage, dann stockt die Fertigung", sagte Dercks.

Ansturm auf Fernbusse

Die deutschen Fernbus-Anbieter rechnen dagegen mit brummenden Geschäften. "Kommt es zu einem Streik in dieser Länge, wird es einen Umsatzzuwachs von mehreren Millionen Euro für die Branche geben", sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, Matthias Schröter. "Wir sind für den Marathon-Streik gerüstet." Die vorangegangenen Streiks der GDL hätten auf manchen Strecken zu einer Verdoppelung des Fahrgastaufkommens geführt. "Wir bereiten uns auf einen wahren Ansturm vor", sagte Schröter.

Seit der Liberalisierung 2013 expandiert der Linienfernverkehr mit Bussen ohnehin stark: Im vergangenen Jahr wurden 8,2 Millionen Fahrgäste befördert, fast 180 Prozent mehr als 2012. Die Bahn gehört mit BerlinLinienBus und IC Bus zu den drei größten Anbietern neben MeinFernbus und Flixbus.

(REU)
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