Diskussion um Strauss-Kahn-Nachfolge Lagarde ist Merkels Favoritin als IWF-Chefin

Paris (RPO). Ein Europäer, ein Mitglied der Schwellenländer - seit Tagen kocht die Diskussion darüber, wer Dominique Strauss-Kahn als IWF-Chef beerben könnte. Im Rennen um die Nachfolge neigt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Informationen unserer Redaktion dazu, die Kandidatur der französischen Finanzministerin Christine Lagarde zu favorisieren. Doch es gibt Widerstand in den eigenen Reihen.

 Frankreich Finanzministerin Christine Lagarde warnt vor erlahmendem Reformwillen nach der großen Banken- und Finanzkrise.

Frankreich Finanzministerin Christine Lagarde warnt vor erlahmendem Reformwillen nach der großen Banken- und Finanzkrise.

Foto: AP, AP

Deutschland wolle auf die Benennung eines eigenen Kandidaten verzichten und stattdessen Lagarde unterstützen, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Koalitionskreise. Demnach unterstützen auch die USA die Französin, die als fachlich kompetent und international erfahren gilt.

Die Bundesregierung bestätigte die Meldung des "Handelsblatts" nicht. "Eine solche Entscheidung ist nicht gefallen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert unserer Redaktion. In Regierungskreisen hieß es, Lagarde sei eine international hoch angesehene finanzpolitische Persönlichkeit, mit der die Bundesregierung gut und gerne zusammenarbeite. Die Chancen Lagardes auf den IWF-Chefposten sind allerdings hoch.

Einen ebenso konsensfähigen und kompetenten deutschen Kandidaten konnte die Kanzlerin in der Kürze offenbar nicht finden. Merkel sei daher geneigt, die französische Kandidatin zu unterstützen, erfuhr unsere Redaktion aus Koalitionskreisen. In den Regierungsfraktionen rege sich dagegen aber noch Widerstand. Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Klaus-Peter Flosbach, hatte am Mittag erklärt, er wünsche sich einen deutschen Kandidaten.

Schwellenländer erheben Anspruch auf Posten

Merkel sprach sich am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin schon für einen gemeinsamen europäischen Kandidaten aus. "Ich vertrete die Meinung, dass wir einen europäischen Kandidaten vorstellen sollten", sagte Merkel. Sie werde keine Namen nennen, doch gebe es Gespräche mit den EU-Partnern. Die Tatsache, dass der Rücktritt Strauss-Kahns innerhalb einer Amtszeit stattfindet, könnte nach Ansicht Merkels "auch ein Argument gegen die Schwellenländer sein".

Auch die Regierung in Paris wirbt derzeit für ihre Finanzministerin als Nachfolgerin von Strauss-Kahn. Die lange in den USA tätige ehemalige Anwältin kennt die internationale Finanzszene genau. In Frankreich sollen gegen sie allerdings Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet werden: Sie soll eine Entscheidung zugunsten des Skandalunternehmers Bernard Tapie beeinflusst haben. Auch die Schwellenländer erheben Anspruch auf den Posten des IWF-Chefs.

Europäer oder nicht?

Es ist eigentlich Tradition, dass der Chefsessel des Internationalen Währungsfonds mit einem Europäer besetzt wird, während den Vorsitz bei der Weltbank ein Amerikaner erhält. Doch auch die Schwellenländer drängen auf diese wichtigen Posten. Und so wird intensiv diskutiert, ob auch diesmal wieder ein Europäer an die IWF-Spitze gewählt werden sollte.

Wenn sich die Europäer durchsetzen können, dann könnte vor allem eine Frau große Chancen haben: Christine Lagarde. "Ich denke, sie wäre eine sehr, sehr gute Kandidatin", sagte Frankreichs Verkehrsstaatsekretär Thierry Mariani im Hörfunk. Doch nicht nur die französische Regierung spricht sich für Lagarde aus. Am Mittwoch sagte auch der schwedische Finanzminister, die Französin wäre eine gute Wahl. Denn sie habe eine sehr starke Führung in der Ecofin-Gruppe und innerhalb der G8 gezeigt.

Frankreich besetzte Posten schon mehrfach

Inwieweit Lagarde tatsächlich Chancen haben könnte, hängt aber nicht nur von der Debatte zwischen den Europäern und den Schwellenländern ab. Mariani selbst schätzt die Chancen als schwierig ein aufgrund des "gegenwärtigen Umfeldes". "Es gibt leider nicht nur Frankreich, das davon träumt, die Leitung des IWF zu übernehmen." Denn genau darin liegt ein weiteres Problem: Frankreich besetzte bereits mehrmals den Spitzenposten innerhalb de IWF.

Geht es allerdings um die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Erfahrungen, dann dürfte die zweifache Mutter eine gute Chance haben. Denn gerade während der Eurokrise hat sie sich immer als besonnene, aber bestimmt und souverän auftretende Ministerin hervorgetan, die sich auch nicht scheute, den neben Frankreich großen Nebenspieler innerhalb der EU, nämlich Deutschland, zu kritisieren.

Das war im vergangenen Jahr. Sie kritisierte die Bundesrepublik für seinen Exportüberschuss und regte an, Deutschland solle mehr für ihre Binnennachfrage tun, in dem man etwa die Steuern senkt. Auch bei der Diskussion darum, wie man mit den europäischen Schuldenstaaten umgehen sollte, ging sie auf Konfrontationskurs mit der Bundeskanzlerin. Während die Bundesrepublik im März vergangenen Jahres dafür plädierte, Schuldensünder notfalls aus der Währungsunion auszuschließen, erteilte die französische Ministerin diesem Vorschlag eine Absage.

Karriere im Ausland gemacht

Auch die Vereinigten Staaten selbst sind der Französin, die einst Mitglied der französischen Nationalmannschaft im Synchronschwimmen war, nicht unbekannt. Lange Zeit hat sie dort gelebt, nachdem sie sich zunächst für eine Karriere als Anwältin entschieden hatte, weil sie durch die Aufnahmeprüfung der französischen Eliteschulen gefallen war.

Sie selbst sieht das heute aber nicht mehr als schlimm an, wie die 55-Jährige, die erst seit 2005 in der Politik ist, im vergangenen Jahr in einem Interview mit unserer Redaktion verriet. "Rückwirkend betrachtet war das eine große Chance für mich", sagte sie damals. "Ich hätte vermutlich in Betracht gezogen, eine international tätige Anwältin zu werden, und wäre sicher auch nicht ins Ausland gegangen. Heute sind die Erfahrungen nützlich für mein Land."

Lagarde selbst hat sich bisher noch nicht dazu geäußert, ob sie überhaupt Interesse an einer Nachfolge Strauss-Kahns habe, aber das wäre in den vergangenen Tagen wohl auch zu verfrüht gewesen. Und solange der Machtkampf zwischen den Europäern und den Schwellenländer nicht entschieden ist, wird sie das vermutlich auch nicht tun. Zumal sie auch noch andere Probelme hat: Ihr drohen Ermittlungen, weil sie eine Entscheidung zugunsten des französischen Skandalunternehmers Bernard Tapie beeinflusst haben soll.

(mit Agenturmaterial)
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