Traditionskonzern in Not Karstadt flüchtet unter Schutzschirm

Düsseldorf · Durch die Ladenschließungen verliert der Warenhaus-Konzern jede Woche 80 Millionen Euro. Jetzt soll der Antrag auf ein Schutzschirmverfahren das Schlimmste verhindern.

Eine Frau geht am Eingang der Filiale der Kaufhauskette Kaufhof in Essen vorbei.

Eine Frau geht am Eingang der Filiale der Kaufhauskette Kaufhof in Essen vorbei.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Anfang März war René Benko noch guter Dinge. Der Mann, der das Gesicht der Signa-Gruppe ist, sah für Galeria Karstadt Kaufhof zuversichtlich in die Zukunft. Doch die Corona-Krise hat auch für den Eigentümer des Warenhausbetreibers alles gravierend verändert. Die Filialen sind größtenteils zwangsweise geschlossen, Geschäft findet nur in einigen Lebensmittel- und Drogerieabteilungen statt sowie in den Bereichen, die das Online-Geschäft des Unternehmens mit Waren versorgen. Das kämpft ums Überleben und hat nun beim Amtsgericht Essen einen Antrag auf die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens gestellt, der bereits bewilligt wurde. Das Schutzschirmverfahren schützt ein in die Krise geratenes Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass es Insolvenz anmelden muss. Das Unternehmen kann mit der eigenen Geschäftsführung weitermachen; ihr zur Seite steht as Sachwalter Frank Kebekus aus der Düsseldorfer Kanzlei Kebekus und Zimmermann. Der Antrag gilt auch für Karstadt Sports.

Die Zeiten für Händler, die ihr Geschäft im Non-Food-Bereich machen, sind in der Coronakrise schwer. Bei Galeria Karstadt Kaufhof gehen pro Woche 80 Millionen Euro Umsatz verloren (bis Ende April wohl mehr als eine halbe Milliarde Euro). Der größte Teil der Belegschaft in den Filialen ist in Kurzarbeit, die in der Verwaltung mittlerweile auch. Das Unternehmen hat auch mit Banken über Kredite verhandelt, aber auch das ist derzeit schwierig. Auch wenn in Zeiten ausgedehnter Staatshilfen etwa die Förderbank KfW bei großen Unternehmen für 80 Prozent des Darlehens haftet, so scheuen Banken und Sparkassen doch häufig, die restlichen 20 Prozent auf ihre eigene Kappe zu nehmen. Folge: Viele blitzen mit ihrem Kreditgesuch bei den Geldhäusern ab.

Den wegen der Zwangsschließungen weggebrochenen Umsätzen stehen laufende Mietforderungen der Vermieter gegenüber. Deshalb hatte sich Galeria Karstadt Kaufhof schon vor dem Schutzschirm-Antrag entschlossen, mit gesetzlicher Erlaubnis die Mietzahlungen bis Juni auszusetzen. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte zunächst darüber berichtet. Finanzvorstand Miguel Müllenbach hat demnach in einem Brief an die Vermieter unter anderem geschrieben, es bleibe keine andere Wahl, von April bis Juni werde nicht gezahlt, man bitte um Verständnis, man wolle gemeinsam ein Zukunftskonzept finden. Von einer „Stabilisierung des gemeinsamen Mietverhältnisses“ war da die Rede.

Karstadt flüchtet unter Schutzschirm
Foto: GRAFIK: A. PODTSCHASKE

So weit die Wortwahl, die man auch aus anderen Fällen kennt. Neu war allerdings, dass Galeria Karstadt Kaufhof erwogen haben soll, die schon gezahlte Miete für den Monat März und vorausgezahlte Nebenkosten mindestens zur Hälfte zurückzufordern. Bemerkenswert auch, dass Müllenbach argumentiert haben soll, ein Betrieb sei derzeit nicht möglich, Vermieter gewährten also nicht den Gebrauch der Mietsache, und deshalb entfalle der Anspruch auf Gegenleistung. Das klang nicht so, als ob der Konzern die gesetzlich verankerte Pflicht zur Nachzahlung der Mieten in besseren Zeiten erfüllen wollte.

Wann immer diese besseren Zeiten auch kommen mögen. Jetzt ist die Not jedenfalls so groß, dass dem Traditionsunternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht. Droht wohlgemerkt. Galeria Karstadt Kaufhof ist noch nicht zahlungsunfähig. In einem solchen Fall müsste ein Insolvenzantrag gestellt werden, womöglich mit Eigenverwaltung. Das musste der Warenhausbetreiber nicht tun.

Was nichts daran ändert, dass der Konzern im Krisenmodus ist. Und das seit mehr als einem Jahrzehnt. Das ist schon so gewesen in Zeiten, in denen Karstadt sich allein durchs Warenhaus-Geschäft schlug und dem Handelskonzern Arcandor angehörte, der 2009 Insolvenz anmelden musste. Damals überlebte Karstadt und wurde an den Investor Nicolas Berggruen verkauft, der Karstadt später an René Benkos Signa weiterreichte.

Die Lage für Karstadt hat sich zwischenzeitlich auch dank umfangreicher Zugeständnisse der Belegschaft verbessert, aber nach der Übernahme von Galeria Kaufhof trübten sich die Perspektiven wieder ein, weil die Essener beim Ex-Konkurrenten aus Köln Sanierungsbedarf sahen. Nun sucht das Unternehmen „eine neue wirtschaftliche Basis zum nachhaltigen Betrieb unserer Warenhäuser“, wie es in dem Schreiben heißt.

Wie die Zukunft aussieht, bleibt offen. „Die Handelsunternehmen, die wie Karstadt und Kaufhof schon vor der Corona-Krise in Schieflage waren, sind vor allem jetzt akut gefährdet“, sagt der Mönchengladbacher Handelsexperte Gerrit Heinemann. Nun sei Eigentümer Benko gefragt. Der hatte schon vor dem Ausbruch der Pandemie angekündigt, er wolle eine Milliarde Euro in das Handelsunternehmen investieren. Heinemanns Prognose: „Da wird Benko noch einmal deutlich nachschießen müssen, ob mit oder ohne Staatshilfe.“ Rund 140 Millionen Euro soll er schon gegeben haben und bereit sein für weitere Finanzspritzen.

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