HV von Europas größtem Reisekonzern Joussen will Tui verschlanken

Hannover · Er will nicht alles anders, aber doch vieles besser machen: Friedrich Joussen, der neue Chef der Tui AG. Nach 19 Jahren Regentschaft des ebenso umstrittenen wie bewunderten Manager-Urgesteins Michael Frenzel soll der Blick des 49-Jährigen von außen helfen, das komplexe Tui-Geflecht im Sinn der mächtigen Großaktionäre aus Russland und Norwegen auf Ertrag zu trimmen.

 Friedrich Joussen übernimmt den Reisekonzern Tui und will die Struktur des Unternehmens umbauen.

Friedrich Joussen übernimmt den Reisekonzern Tui und will die Struktur des Unternehmens umbauen.

Foto: dpa, Sebastian Kahnert

Wer den vierfachen Vater und Ehemann einer Ärztin als reinen Kostenkiller sieht, dürfte indes nicht das ganze Bild vor Augen haben. Kaum eine Führungskraft gilt als so nahbar und offen. "Ich laufe auch mal direkt in die Büros rein", berichtet er nach wenigen Monaten Einarbeitung in lupenreinem Ruhrpott-Slang über seine Gepflogenheit, auch fremden Kollegen ab und zu höchstpersönlich zum Geburtstag zu gratulieren.

Bei aller Lockerheit im Umgang sollte der Reformkurs des frisch gebackenen Touristik-Kapitäns jedoch nicht als Schmusekurs missdeutet werden. Hart, aber herzlich: Nach diesem Motto will "Fritz" Joussen die aus Sicht vieler Branchenbeobachter verkrusteten Tui-Strukturen auf den Prüfstand stellen - inklusiver möglicher Kürzungen bei der Konzernmutter. Seine Herkunft als Elektrotechniker und treibender Innovator des deutschen Mobilfunkgeschäfts ist da alles andere als hinderlich. "Ich komme aus einem sehr numerischen und analytischen Umfeld. Das hat mich im Leben begleitet", sagt Joussen über Joussen.

Erfindungsreich ist der hoch aufgeschossene Manager mit markigen Zügen und legerem Kleidungsstil nicht nur bei Marketingkonzepten. Inmitten der Goldgräberstimmung auf dem Handymarkt ersann er eine Schnittstelle, die den Austausch der einst unterschätzten SMS zwischen verschiedenen Netzen erlaubte - zum Neid der Wettbewerber.

"Wir saßen vor diesen Büchsen - die glühten", erzählt Joussen über jene Jahre, in denen das Verschicken von Textnachrichten rasant Fahrt aufnahm. Seine Zeit bei Mannesmann/D2 in den 90er Jahren habe ihn vor allem gelehrt, neue Trends zu erspüren: "Das war interessant, weil damals gerade das Internet aufkam." Nach der Übernahme durch Vodafone entriss er dem Erzrivalen T-Mobile dann prompt die Marktführerschaft.

Aus seinen Ingenieursjahren hält Joussen zudem einige Patente - darunter das zur sogenannten Twin Card, mit der zwei unterschiedliche Handys über dieselbe Rufnummer erreicht werden können. Bei der Tui will er seine Kreativität ausspielen, nicht umsonst hat sich Chefaufseher Klaus Mangold bei der schwierigen Suche nach einem Frenzel-Nachfolger für ihn ausgesprochen. Doch auf eine genaue Rolle im weitverzweigtem Tui-Reich mit der starken britischen Pauschalreisetochter Tui Travel, der Hotelsparte, den Kreuzfahrten und der Fluglinie Tuifly hat sich der Duisburger einstweilen noch nicht festgelegt.

"Ich bin viel umhergefahren, habe mich schlaugemacht und begonnen, Hypothesen zu bilden", sagt Joussen über seine Vorstellungsrunden bei Mitarbeitern, Bankern und Branchenkollegen. "Ich habe noch keine fertige Strategie, dazu ist es jetzt noch zu früh. Die werden wir in den nächsten Wochen und Monaten erarbeiten." Die Fußstapfen, in die der Hobby-Fußballer nun tritt, sind groß. Frenzel gehörte zu den dienstältesten Firmenlenkern überhaupt. Dass manche Aktionäre seinen Vorgänger wegen des mauen Aktienkurses als Wertvernichter kritisieren, beeindruckt den Neuen wenig. "Es ist eine tolle Marke.
Und natürlich ist es auch ein tolles Produkt", sagt Joussen.

(dpa/felt)
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