Gewerkschaften beunruhigt NRW-Konzerne streichen mehr als 25.000 Jobs

Düsseldorf · Bei Thysssenkrupp, Karstadt, Eon/Innogy, Bayer oder Covestro rollt die Rationalisierungswelle. Zehntausende Arbeitsplätze sind gefährdet. Die Gewerkschaften sind beunruhigt.

 Betriebsrätekonferenz bei Thyssenkrupp

Betriebsrätekonferenz bei Thyssenkrupp

Foto: AFP/INA FASSBENDER

Wie gut geht es der NRW-Wirtschaft? Diese Frage stellt sich angesichts der Nachrichten der vergangenen Wochen. Denn viele Konzerne setzen offenbar eher auf Jobabbau als auf Optimismus. Soeben schockte Thyssenkrupp die Belegschaft mit der Ankündigung, 6000 Stellen streichen zu wollen, nachdem die Stahl-Fusion mit Tata abgeblasen wurde. Bayer will bis Ende 2021 rund 12.000 Arbeitsplätze abbauen. Offiziell hat dies mit dem Milliardendesaster um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat des US-Zukaufs Monsanto nichts zu tun, viele Mitarbeiter sehen das anders.

Auch andere NRW-Konzerne spüren Gegenwind: Rund 900 Stellen fallen bei der Bayer-Abspaltung Covestro weg, bei Evonik sind es rund 1000. Bei der Übernahme von Karstadt durch Galeria Kaufhof werden wohl 2600 Vollzeitstellen gekürzt. Und wenn der Stromkonzern Eon Netzbetrieb und Kundengeschäft des RWE-Ablegers Innogy übernimmt, sind unzählige Aufgaben der Unternehmen doppelt besetzt – das könnte 5000 Stellen kosten. Auch die RWE-Aussichten sind alles andere als rosig: Der künftig auf Stromproduktion konzentrierte Konzern will zwar die Sparte für Ökostrom ausbauen, aber gleichzeitig werden Tausende Stellen im Rheinischen Braunkohlerevier wegfallen.

Insgesamt stehen so mehr als 25.000 Jobs in NRW zur Disposition. „Wir sind beunruhigt“, sagt Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW. „Es ist auffällig, dass so viele Konzerne in der Region mit Problemen kämpfen“, sagt Axel Seidel vom Düsseldorfer Büro der Beratungsfirma Prognos. Auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ist alarmiert. Er drängt auf sozialverträgliche Lösungen: „Wir werden genau darauf achten, dass die Unternehmen die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick behalten.“

Tatsächlich versuchen die meisten Konzerne unter dem Druck von Gewerkschaften und Politik betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, was zu teilweise sehr hohen Angeboten bei Abfindungen führt. Bei Bayer werden bis zu 63 Monatsgehälter für die Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag bezahlt. Ähnlich geht die Deutsche Post vor: Sie schickt einige hundert Beamte vorzeitig in den Ruhestand, wofür sie 400 Millionen Euro zurückstellte. Bei Thyssenkrupp ringen IG Metall und Vorstand noch darum, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden. Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall sagt: „Wenn Thyssenkrupp ankündigt, dass 6000 Stellen wegfallen sollen und dann der Börsenkurs um 28 Prozent in die Höhe schnellt, müssen sich die Beschäftigten als Spielball der Profitinteressen von Finanzinvestoren fühlen.“

Auch Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag, attackiert die Konzerne. So meint er, dass die Krisen bei Bayer, RWE und Thyssen auch provoziert wurden, weil das Management zu wenig nachhaltig dachte: Thyssen habe Milliarden in Brasilien verbrannt, Bayer habe sich das Pestizid-Unternehmen Monsanto einverleibt, und RWE steuere viel zu spät auf grüne Energien um. Krischer: „An Rhein und Ruhr muss es endlich ein Umdenken in den Vorständen der Konzerne geben. Das betrifft nicht alle Unternehmen, aber viele. Die falschen Entscheidungen im Management führen zu Arbeitsplatzverlusten in NRW.“

Der schwierigen Lage bei Top-Adressen zum Trotz geht es der Wirtschaft in NRW insgesamt aber halbwegs gut. Roland Döhrn, Konjunkturexperte beim RWI-Wirtschaftsforschungsinstitut, weist daraufhin, dass die Beschäftigung im Bundesland 2018 mit einem Plus von 2,2 Prozent stärker gestiegen sei als im Bund mit einem Zuwachs von 2,1 Prozent. Die Beschäftigung in NRW sei „recht breit aufgestellt“. Der klassische Handel und manche Industriesektoren schwächelten zwar, aber Internethandel und Logistik würden zulegen. Döhrn: „Der Strukturwandel ist in vollem Gang.“

Auch Wirtschaftsminister Pinkwart sieht die Lage insgesamt positiv: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in NRW habe einen Rekordstand von rund sieben Millionen erreicht und lege weiter zu, sagt er. Viele Firmen würden sich klug auf neue Herausforderungen einstellen: Pinkwart: “Die aktuelle Situation nutzen Unternehmen zur zukunftsweisenden Neuausrichtung, um den Megatrends von Globalisierung, Digitalisierung und Klimaschutz begegnen zu können.“

Christiane Schönefeld, NRW-Chefin der Bundesagentur für Arbeit, macht den Menschen Mut. Personalabbau bereite zwar Sorgen, müsse aber nicht immer Entlassungen bedeuten. Trotz konjunktureller Eintrübung ginge die Arbeitslosigkeit in NRW zurück. Schönefeld: „Der Arbeitsmarkt in NRW ist so aufnahmefähig wie nie.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort