Debakel bei ThyssenKrupp Jetzt gerät sogar Berthold Beitz unter Druck

Essen · Berthold Beitz (99) gilt als großer alter Mann der deutschen Wirtschaft. Das Debakel bei ThyssenKrupp wird aber auch ihm zum Teil angelastet.

Das ist Gerhard Cromme
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Wegen der schweren Krise des Dax-Konzerns ThyssenKrupp gerät mit Krupp-Stiftungs-Chef Berthold Beitz (99) nun auch eine der renommiertesten Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft in die Kritik.

Der Krupp-Nachfahre Friedrich von Bohlen und Halbach sagte in einem "Focus"-Interview: "Wenn jemand zu verantworten hat, wie negativ sich der Konzern entwickelt hat, dann einzig Berthold Beitz."

Den Sturz Gerhard Crommes als Aufsichtsratschef in der vorvergangenen Woche habe Beitz betrieben, "um sich selbst zu schützen", so der Neffe des 1967 gestorbenen Firmeninhabers Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, "Beitz ist sehr geübt darin, von eigenen Versäumnissen abzulenken". Nachfolger von Cromme wird, wie berichtet, Ulrich Lehner, ehemals Chef des Henkel-Konzerns und Präsident der Düsseldorfer IHK.

Alfried Krupp hatte den später mit Thyssen fusionierten Krupp-Konzern nach seinem Tod der Krupp-Stiftung vermacht. Beitz setzte er als deren Vorsitzenden auf Lebenszeit ein. Als Großaktionär und über Sonderrechte hat die Stiftung seit über 40 Jahren beherrschenden Einfluss auf den Konzern.

Das Unternehmen hat zuletzt fünf Milliarden Euro Verlust eingefahren und kämpft mit Korruptions- und Kartellvorwürfen. Allein im Duisburger Stahlwerk muss ThyssenKrupp deshalb 2000 Jobs abbauen. Konzernchef Heinrich Hiesinger kündigte einen "Neuanfang" an.

Friedrich von Bohlen und Halbach liegt schon seit Langem im Streit mit Beitz. In den 1990er Jahren hatte von Bohlen und Halbach vergeblich versucht, vor Gericht für seine Familie mehr Einfluss auf die Krupp-Stiftung zu erstreiten. Aber auch weniger befangene Experten üben wegen der katastrophalen Entwicklung von ThyssenKrupp inzwischen Kritik an Beitz und der Rolle der Krupp-Stiftung.

Der Vizepräsident der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD), Peter Dehnen, sagte am Sonntag: "Wenn bei ThyssenKrupp der Neuanfang gepredigt wird, muss sich das auch auf die Führung der Krupp-Stiftung und die Sonderrechte der Krupp-Stiftung auswirken. Ich gehe davon aus, dass da bald etwas passiert."

Beitz habe maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen, ohne selbst einer Kontrolle zu unterliegen. Als Chef der Krupp-Stiftung wohne er zum Beispiel den Aufsichtsratssitzungen des Konzerns bei, ohne dafür legitimiert worden zu sein. "Dadurch hat Herr Beitz gegenüber den anderen Aktionären einen Vorteil. Das ist aktienrechtlich verboten", so der renommierte Düsseldorfer Aktienrechtler.

Beitz selbst äußert sich heute in der "Süddeutschen Zeitung". In der Firma habe sich in den vergangenen Jahren "Größenwahn" abgezeichnet. Einen Rücktritt lehnte er ab: "Ich mache weiter, solange ich das kann und noch klar im Kopf bin." Nach Informationen unserer Zeitung will Beitz aber doch auf die Kritik reagieren: Obwohl seine Stiftung aufgrund einer umstrittenen Sonderregelung aus dem Jahr 2007 ohne Zustimmung der Hauptversammlung drei ThyssenKrupp-Aufsichtsräte stellen darf, will Beitz künftig nur noch zwei Vertreter entsenden.

Am Wochenende hieß es, eine Gruppe von Arbeitnehmervertretern und Aktionären habe die Landesregierung um Unterstützung bei dem Versuch gebeten, den maßgebenden Einfluss von Krupp-Stiftung und Beitz beim Konzern zurückzudrängen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat einen Sitz im Kuratorium der Krupp-Stiftung. Das Unternehmen, sein Betriebsrat und der Sprecher der Landesregierung wollten sich gestern dazu nicht äußern.

(RP/nbe)
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