11.000 Mitarbeiter betroffen Investor fordert von RWE Abtrennung der Kohle

Essen · Der neue Investor Enkraft macht Druck beim Kohleausstieg und kritisiert den RWE-Vorstand. Es geht bei RWE Power um 11.000 Mitarbeiter. Der Konzern sieht sich längst auf einem grünen Weg. Und der Staat hätte auch noch ein Wort mitzureden.

 Der Kühlturm des RWE-Kraftwerks Neurath war Ziel einer Protestaktion.

Der Kühlturm des RWE-Kraftwerks Neurath war Ziel einer Protestaktion.

Foto: dpa/Oliver Berg

Eigentlich hat sich RWE längst auf den Weg gemacht: Der Konzern ist zwar noch Betreiber des größten Braunkohlereviers in Deutschland, aber auch schon einer der größten Ökostromproduzenten in Europa. Doch manchen geht die Wandlung vom Klimasünder zum grünen Riesen nicht schnell genug. Mit einer Aktion am Braunkohlekraftwerk Neurath forderten Aktivisten der Gruppe „Menschenrecht vor Bergrecht“ am Donnerstag einen schnelleren Ausstieg: Auf einen Kühlturm ließen sie den Schriftzug „Braunkohle ist tödlich – Für unsere Dörfer und unser Klima“ projizieren. Zugleich wurde bekannt, dass der aktivistische Investor Enkraft bei RWE eingestiegen ist und eine schnelle Abtrennung der Braunkohletochter fordert.

„Unter vielen Investoren herrscht Einigkeit darüber, welchen negativen Einfluss die Braunkohleaktivitäten auf die Bewertung der RWE haben. Wir sind davon überzeugt, dass eine Fokussierung auf das zukunftsträchtige Erneuerbare-Energien-Geschäft und eine schnelle, gegebenenfalls auch schrittweise Ablösung der Braunkohleaktivitäten ein enormes Wertsteigerungs-Potential mit sich bringt“, heißt es im Schreiben von Enkraft an RWE-Chef Markus Krebber. Dann könne RWE auch den Ausbau der Erneuerbaren Energien ambitionierter vorantreiben. Da RWE für die Braunkohleverstromung viele Verschmutzungszertifikate gekauft habe, ergäben sich durch die Trennung „enorme Werthebungspotenziale“. Das würde auch die Aktie treiben. RWE habe es nicht geschafft, eine schlüssige Strategie zu formulieren, der Vorstand sei mit der dualen Aufgabe – Braunkohle einerseits, Ökostrom andererseits – überfordert, heißt es in dem Schreiben.

Bei RWE liegt das Geschäft mit konventionellen Energien, also der Stromerzeugung aus Braunkohle und Atomkraft, in der Tochter RWE Power. Sie hat 11.000 Beschäftigte in den Tagebauen im Rheinischen Revier sowie in den Kohle- und Atomkraftwerken. Sollte sich der Investor durchsetzen, müsste RWE die Tochter verkaufen.

 Die RWE-Sprecherin bestätigte, dass der Konzern einen Brief von Enkraft erhalten habe. „Wie jedem Investor haben wir ihnen angeboten, ein Gespräch über unsere Geschäftsstrategie zu führen“, so die Sprecherin weiter. In der Vergangenheit hatte RWE auf die Frage nach einer möglichen Abspaltung der Braunkohle betont: „Die Frage stellt sich für uns derzeit nicht. Wir haben einen gesetzlich verankerten Ausstiegspfad und einen mit der Bundesregierung geschlossenen Vertrag, dessen beihilferechtliche Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist.“

In diesem Vertrag ist auch geregelt, dass RWE das Braunkohle-Geschäft nicht einfach verkaufen kann, sondern Bund und Land zustimmen müssen. Der Konzern hat sich auf eine sozialverträgliche Gestaltung des mit dem Kohleausstiegs verbundenen Abbaus von Tausenden Stellen verpflichtet und muss über Jahre für die Rekultivierung der Tagebaue sorgen. Hierfür hat RWE milliardenschwere Rückstellungen gebildet. Schon der Konkurrent Eon durfte einst seine Atomkrafttochter Preußenelektra nicht verkaufen, weil der Staat ihn nicht aus der Verantwortung für die Folgekosten entlassen wollte.

Nach eigenen Angaben hat der in Unterhaching sitzende Finanzinvestor Enkraft mehr als 500.000 RWE-Aktien erworben. Das entspräche einem Anteil von unter einem Prozent. Aktivistische Investoren sind meist nicht langfristig orientiert. Sie steigen bei Unternehmen ein, um sie zu einem Wechsel der Strategie oder des Managements zu drängen. Davon erhoffen sie sich eine Wertsteigerung der Aktie, so dass sie mit Gewinn wieder aussteigen können.

Nicht nur Enkraft macht Druck. Auch Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka, mahnt: „Eine Debatte über die Geschwindigkeit der CO2-Senkung ist zu begrüßen, auch größere strukturelle Veränderungen im Konzern dürfen kein Tabu sein. Das Geschäftsmodell von RWE muss zügig weniger CO2-abhängig werden.“ Speich betonte aber auch: „Die Diskussion sollte jedoch mit Augenmaß geführt werden und auch soziale Aspekte umfassen.“

Beim Kohleausstieg, den Deutschland bis 2038 plant, geht RWE ohnehin voran. Die frühere Kohlekommission wollte die ostdeutsche Lausitz verschonen, deshalb trägt zunächst NRW den Großteil der Kraftwerks-Abschaltungen. Bis Ende 2022 gehen sieben weitere RWE-Braunkohleblöcke vom Netz, das trifft über 3000 Mitarbeiter. Bis 2030 reduziert RWE seine Kohlekapazitäten um zwei Drittel. Die Anleger reagierten entspannt: Der Wert der RWE-Aktie legte um 0,9 Prozent auf rund 33 Euro zu. Im Krisenjahr 2016 hatte er bei zehn Euro gelegen.

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