Industriekonzern Thyssenkrupp vergoldet Kerkhoffs Abgang

Essen · Der scheidende Chef soll eine Abfindung von sechs Millionen Euro erhalten. Das wäre mehr, als sein Vorgänger bekommen hatte.

 Guido Kerkhoff.

Guido Kerkhoff.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

 Der Thysenkrupp-Aufsichtsrat hat sich mit Vorstandschef Guido Kerkhoff über die Modalitäten seines Abgangs verständigt. Die Aufhebung des Vertrags erfolge einvernehmlich, teilte der Essener Industriekonzern am Montag mit. Die Abfindungssumme wollte der Konzern auf Nachfrage nicht nennen.

Wie unsere Redaktion aus Aufsichtsratskreisen erfuhr, soll Kerkhoff jedoch sechs Millionen Euro bekommen. Das wäre mehr als die Zahlung an seinen Vorgänger Heinrich Hiesinger, der nach seinem überraschenden Abgang im Sommer 2018 insgesamt 4,2 Millionen Euro ausgehandelt hatte. Weil sich an dieser Praxis massive Kritik entzündet hatte – immerhin war Hiesinger ja freiwillig gegangen –, sollen die Abfindungsregeln angepasst worden sein. Hätte Kerkhoff freiwillig auf sein Amt verzichtet, wäre er wohl leer ausgegangen.

Der frühere Finanzvorstand war zunächst nur als Zwischenlösung gedacht. Der damalige Aufsichtsratschef Ulrich Lehner sagte bei Bekanntgabe der Personalie: „Die Aufsichtsratsmitglieder sind sich einig, dass Thyssenkrupp vor allem Stabilität und Kontinuität braucht, um den eingeschlagenen Weg der Transformation erfolgreich fortsetzen zu können. Dafür hat Guido Kerkhoff das volle Vertrauen des Aufsichtsrats.“ Aus dem Interimsvertrag wurde im Herbst 2018 der Fünf-Jahres-Vertrag bis 2023. Das Vertrauen reichte aber nur bis vergangenen Dienstag. Da gab der Konzern überraschend bekannt, dass Präsidium und Personalausschuss dem Aufsichtsrat eine Trennung vom Thyssenkrupp-Chef empfehlen. Die ist nun unter Dach und Fach: Ab Dienstag übernimmt die bisherige Aufsichtsratschefin Martina Merz den Vorstandsvorsitz. Ihr Mandat sei auf maximal zwölf Monate beschränkt, anschließend soll sie auf ihre alte Position zurückkehren. Möglich wurde dies erst, nachdem Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Rückzug aus dem Thyssenkrupp-Aufsichtsrat verkündet hatte. Merz ist Aufsichtsrätin bei der Kranich-Linie. Während ihres Intermezzos an der Konzernspitze wird die frühere Bosch-Managerin vom Ex-Siemens-Manager Siegfried Russwurm vertreten.

Kerkhoff verteidigte seinen Kurs: „Ich bin überzeugt, dass die strategische Neuausrichtung, die wir im Mai angekündigt haben, zum Erfolg führen wird.“ Gemeint ist unter anderem der geplante Börsengang oder Verkauf der Aufzugsparte sowie ein massives Stellenabbauprogramm.

Kerkhoff hatte während seiner Zeit in Essen viel Unmut auf sich gezogen. In Arbeitnehmerkreisen wurde schon seine Eignung für den Posten des Vorstandschefs hinterfragt. Es gebe kein einziges erfolgreiches Projekt, was der Manager vorzuweisen hätte, ätzte einer hinter vorgehaltener Hand. Allerdings trugen die Arbeitnehmervertreter die Personalie Kerkhoff am Ende mit.

Zunächst trieb der Thyssenkrupp-Chef die Aufteilung des Unternehmens in zwei eigenständige Teile voran: einen Werkstoff-Konzern und ein Industriegüter-Geschäft. Als sich allerdings abzeichnete, dass die EU-Kommission die dafür notwendige Stahlfusion mit Tata Steel Europe untersagen würde, kassierte Kerkhoff den zuvor als Befreiungsschlag skizzierten Plan und kündigte stattdessen den Abbau von 6000 Stellen ab. Auch sollte die Aufzugsparte versilbert werden. Kerkhoff bereitete einen Börsengang vor, forderte jedoch auch Finanzinvestoren und Konkurrenten dazu auf, Kaufangebote abzugeben. Im Aufsichtsrat soll es unterschiedliche Auffassungen über den Umgang mit Einnahmen aus Verkauf oder Börsengang gegeben haben. Während Kerkhoff das Geld im Konzern halten und so wieder mehr Spielraum bekommen wollte, soll vor allem Großaktionär Cevian auf eine Sonderdividende gedrängt haben.

Die Krupp-Stiftung dankte dem scheidenden Vorstandsvorsitzenden dafür, „dass er in einer schwierigen Phase für das Unternehmen Verantwortung übernommen hat“. Die Stiftung signalisierte, dass sie nicht auf eine Sonderdividende aus sei: Ihr Anliegen sei es, Anteilseignerin eines wettbewerbs- und dividendenfähigen Unternehmens mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen zu sein. „Der Stiftung ist die aktuell herausfordernde Lage des Unternehmens bewusst. Sie versteht sich vor diesem Hintergrund umso mehr als verlässliche Ankeraktionärin, so wie sie auch die zuletzt dividendenschwachen und sogar die beiden dividendenlosen Geschäftsjahre im Interesse des Unternehmens mitgetragen hat.“ Tatsächlich müsste die Stiftung eine Sonderdividende umgehend für Förderzwecke zur Verfügung stellen. Das wäre zwar ein warmer Regen für Kunst und Wissenschaft, würde aber den Fortbestand des Konzerns gefährden – und dessen Bewahrung ist Stiftungszweck.

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