Unternehmer-Kultur In Deutschland fehlen Pioniere wie Steve Jobs

Düssseldorf/San Francisco (RP). Der Tod des Apple-Gründers bewegte die Welt. Steve Jobs' riesiges Ansehen ist für Deutschland auch eine Lehre: Die innovativsten Unternehmer wirken doch meistens auf der anderen Seite des Atlantiks.

 Das deutsche Vorzeige-Unternehmen SAP entstand 1972 als Ausgründung.

Das deutsche Vorzeige-Unternehmen SAP entstand 1972 als Ausgründung.

Foto: AP, AP

Wer waren die großen Firmenaufbauer Deutschlands? Es war Werner von Siemens, der den gleichnamigen Konzern vor mehr als 150 Jahren gründete, es war Friedrich Bayer, der Bayer 1863 gründete, es war auch Alfred Krupp, der den Stahlkonzern seines Vaters seit 1826 ausbaute. Diese Männer sind lange tot.

Amerikas größter Star Steve Jobs ist am Mittwoch gestorben. Und die Trauer um seinen Tod auch in Deutschland zeigt, was die Amerikaner haben und was in Deutschland mittlerweile fehlt: Pioniere in den Unternehmen.

260 Milliarden Euro Wert

Apple ist das beste Beispiel. 260 Milliarden Euro wert ist der Konzern, der sowohl die Telefon als auch die Computer- und die Medienindustrie vom Kopf auf die Füße stellte. Apple hat mit 50.000 Mitarbeitern einen höheren Börsenwert, als ihn Siemens, Bayer, Volkswagen und Thyssen Krupp mit mehr als einer Million Mitarbeiter zusammenkriegen.

Google, so wie Apple in einem Vorort von San Francisco beheimatet, ist erfolgreichster Internet-Konzern der Welt — aktueller Wert: 145 Milliarden Euro, 13 Jahre nach Firmengründung. Amazon aus Seattle, auch an der US-Westküste, hat sich zum größten Handelskonzern mit Online-Bestellung entwickelt — und das in nur 17 Jahren. Und High-Tech-Gigant Intel wurde auch erst vor 48 Jahren gegründet — jetzt ist er größter Halbleiterbauer der Welt mit einem Jahresumsatz von 35 Milliarden Euro.

Ist Amerika also immer Spitze, während wir Deutschen nur alte Werte pflegen? So schlimm ist die Lage zum Glück nicht, doch es gibt einen Trend: In neuen, innovativen Industrien haben die Amerikaner deutlich mehr Gründerfirmen, die dann auch viel mehr Gründungskapital ("Venture Capital") erhalten, wogegen die deutsche Wirtschaft eher die bestehenden Stärken weiter ausbaut. "Wir sind Weltmeister beim spezialisierten Bearbeiten von Nischenmärkten", sagt der Bonner Berater und Bestsellerautor Hermann Simon, "wogegen die Amerikaner Weltmeister beim Firmengründen sind."

Gründergeist schon beim Nachwuchs

Der Gründergeist fängt schon beim Nachwuchs an. Fragt man die Absolventen der US-Elite-Hochschulen wie MIT und Harvard in Boston oder der Stanford University bei San Francisco, wie sie sich ihren Berufsweg vorstellen, landet die Gründung einer eigenen Firma ganz vorne — jüngstes Beispiel ist der erst 27-jährige Ex-Harvard-Student Mark Zuckerberg, der 2004 Faceboook als das größte soziale Netzwerk der Welt gründete.

In Deutschlands gelten dagegen eher Konzerne, Beraterfirmen wie McKinsey oder auch der öffentliche Dienst als erste Adressen. "Das Sicherheitsdenken in Deutschland ist auffällig", sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft, "Unternehmertum ist hier kein großes Ideal mehr."

Ausnahmen bestätigen die Regel: So hat sich Qiagen aus Hilden bei Düsseldorf zu einem der erfolgreichsten Bio-Tech-Unternehmen Europas entwickelt — der Börsenwert von 2,4 Milliarden Euro ist beeindruckend. United Internet aus dem Westerwald ist weltweit führend beim "Hosten" von Online-Seiten für Privatkunden und Firmen. Der Lohn der Arbeit: 5200 Arbeitsplätze und ein Börsenwert von 2,7 Milliarden Euro. Und SAP aus Walldorf bei Heidelberg hat es sogar geschafft, sich zum weltweit führenden Anbieter von komplexer Software für Unternehmen zu entwickeln.

SAP entstand als Ausgründung

Interessant ist, wie SAP 1972 entstand: nämlich nicht als Studentenfirma, sondern als Ausgründung von fünf IBM-Experten, die mit einer guten Idee eine eigene Firma aufbauen wollten. "Die Deutschen sind eher selten die Erfinder von völlig neuen Produkten", sagt Ralf-Dieter Brunowsky, Chef der Kölner Beratungsfirma Bruno Media, "aber sie sind dann oft umso stärker, einmal durchdachte Ideen akribisch umzusetzen." SAP-Gründer Dietmar Hopp beschreibt seinen Ansatz ähnlich: "Wir wussten, was wir können, und haben das dann gemeinsam weiterentwickelt und vermarktet."

Auf fruchtbarem Boden bauen erst recht die Tausende US-Gründerfirmen auf. Dabei müssen drei Sonderfaktoren beachtet werden:

Rund um Biotechnologie und Internet haben mehrere US-Hochschulen führendes Know-how aufgebaut — die Absolventen der Unis wie Stanford oder MIT rutschen als Praktikanten in die Firmen hinein und lernen vom Gründergeist. Um das zu kopieren, versucht auch Deutschland, Spitzenhochschulen zu fördern.

Manager in Aufbaufirmen

In Kalifornien und rund um Boston und New York haben sich finanzstarke Firmen für die Finanzierung von Start-Up-Firmen gebildet, die sogar Manager in Aufbaufirmen für eine Übergangszeit entsenden — ein Phänomen, das in Deutschland so nur am Rande existiert.

Und die Gründerszene befruchtet sich. So saß Eric Schmidt, lange Zeit Chef von Google, auch viele Jahre im Aufsichtsrat von Apple. Der 37-jährige Google-Gründer Larry Page übernahm zwar vor einigen Monaten von Schmidt erneut die Führung, doch ein Grundärgernis plagt ihn: Viele Google-Leute wechseln zu Facebook. Der Grund? Neue Mitarbeiter von Facebook können leicht Millionäre werden, wenn das Unternehmen wie geplant an die Börse geht, weil sie in Aktienoptionen bezahlt werden. Bei Google gibt es zwar auch Aktienoptionen, doch die versprechen nicht so viel Geld — für amerikanische Verhältnisse.

(RP)
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