Schlechte Aussichten fürs ICE-Klima Im Sommer ist weiter mit Ausfällen zu rechnen

Düsseldorf (RP). Es wird noch ein, zwei Jahre dauern, bis die Deutsche Bahn die Klimatechnik in allen Zügen erneuert oder saniert hat. Bis dahin ist weiterhin mit Ausfällen wie am Wochenende zu rechnen. Die Zugbegleiter sind auf solche Krisenfälle vorbereitet, unter anderem mit "Notfallwasser".

So werden die neuen ICE-Züge im Klima-Wind-Kanal getestet
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Auf dem Hauptbahnhof im westfälischen Bielefeld ist es sommerlich-warm. 29 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Zu warm für die Klimaanlage des ICE 548, der aus Berlin nach Köln unterwegs ist, und am Sonntag gegen 15.30 Uhr in Bielefeld einrollt. Die Kühlung ist im gesamten Zug ausgefallen. 500 Fahrgäste werden aus dem Zug evakuiert. Sie müssen auf andere Züge ausweichen oder in den Ersatzzug umsteigen. Ihre Reise verzögert sich erheblich.

Dennoch sind die meisten Passagiere des ICE 548 froh, die überhitzten Wagen verlassen zu können. Der sofortige Stopp des ICE sei eine Konsequenz aus dem vergangenen Jahr, als in mehr als 50 Fernzügen der Bahn Klima-Anlagen ausgefallen waren, erklärte eine Bahnsprecherin.

Die damalige Pannen-Serie erreichte am 10. Juli 2010 — in Bielefeld — ihren Höhepunkt. Viel zu lange war ein ICE mit ausgefallener Klima-Anlage noch gefahren, weil sich das Zugpersonal nicht traute, einen Notstopp an einem x-beliebigen Bahnhof einzulegen. In Bielefeld, dem nächsten planmäßigen Halt, mussten deshalb damals Sanitäter anrücken und Passagiere mit Hitzekollaps aus dem Zug holen. Neun mussten in Krankenhäusern behandelt werden.

Seit diesem Desaster ermuntert eine im Mai erneuerte "Bordservice-Anweisung" das Begleitpersonal zum Eingreifen. Wörtlich heißt es in dem von "Bild" veröffentlichten sechsseitigen Papier: "Grundsätzlich können Sie als Zugchef nach eigenem Ermessen und in Abstimmung mit der zuständigen TP (Transportleitung, die Red.) die Zugfahrt bei Klimatisierungproblemen an einem geeigneten Bahnhof unterbrechen."

"Notfallwasser" als Mittel zur Krisenreaktion

Vor jeder Fahrt ist das ICE-Personal zudem angewiesen zu prüfen, ob genug "Notfallwasser", Fahrgastrechtsformulare und "Entschuldigungskarten" an Bord sind. Steigen die Temperaturen im Zug, darf der Zugchef "nach eigenem Ermessen Notfallwasser ausgeben und — nach erfolgter Wasserverteilung — bei Bedarf Fahrgäste umplatzieren sowie einzelne Wagen räumen."

Dass diese detaillierten Regeln bitter notwendig sind, zeigte sich am Wochenende, denn abgesehen vom ICE 548 fielen nach Angaben der Bahn bis zum Sonntagabend in 20 Fernzügen Klimaanlagen aus. Bei rund 3300 Klima-Anlagen in Zügen des Fernverkehrs müsse man damit rechnen, dass etwa zwei Prozent kurzfristig versagen könnten, erklärte die Bahn-Sprecherin.

Für 44 Züge eines bestimmten ICE-Typs sind allerdings Ausfälle nahezu programmiert. Die ab Mitte der 90er Jahre gelieferten ICE 2 durchlaufen gerade eine Rundumerneuerung. Dabei wird die komplette Inneneinrichtung ausgetauscht — im Prinzip betrifft das auch die Klima-Anlagen. Unabhängig von der Frage des Verschleißes waren sie von Anfang zu bescheiden dimensioniert und nur für Temperaturen bis 32 Grad ausgelegt.

Das "Redesign-Programm" ist Ende vergangenen Jahres angelaufen, bis alle 44 Züge erneuert sind, wird es noch fast zwei Jahre dauern. So lange sind also ICE 2 mit Klima-Anlagen unterwegs, die mit hohen Temperaturen schlecht fertig werden.

Ulrich Homberg, Personenverkehrsvorstand der Bahn, hatte im Mai angekündigt, dass mit "mehreren Maßnahmen" die Wahrscheinlichkeit eines Defektes "sehr deutlich reduziert" werden soll. Die Bahn wolle bis 38 Grad Außentemperatur einen stabilen Betrieb der Klimaanlagen gewährleisten. In Bielefeld war es am vergangenen Sonntag nur 29 Grad — zu heiß für die ICE-Klimaanlagen.

Alte Klimaanlagen wieder eingebaut

Selbst in renovierten ICE 2 können laut der Bahn vorerst nur die alten Klima-Anlagen wieder eingebaut werden, weil das neue System noch nicht zugelassen ist. Da die ICE 2 vor allem zwischen dem Rheinland und Berlin eingesetzt werden, könnte es in diesem und im nächsten Sommer zu weiteren Hitze-Zwischenfällen kommen.

Der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, wirft der Bahn vor, nicht offen über die technischen Probleme der ICE 2 zu sprechen. Das Unternehmen solle den Kunden ehrlich sagen, dass es die Fahrzeuge vor 20 Jahren unter anderen Voraussetzungen bestellt habe und nun erst allmählich die Klimatisierung anpassen könne.

Um die absehbaren Probleme zu überbrücken, müsse die Bahn mehr Techniker einsetzen und mehr Ersatzzüge bereithalten, sagte Naumann unserer Zeitung. Derzeit seien acht oder zehn Wagen von der Schweiz ausgeliehen, das reiche gerade für einen Reservezug. Diese Zahl lasse sich gewiss aufstocken, auch ehemalige Interregio-Wagen könnten reaktiviert werden.

(RP)
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