Interview zur Tarifrunde IG BCE will mehr als 6,5 Prozent plus

Düsseldorf (RP). Der NRW-Chef der IG BCE, Reiner Hoffmann, hat im Interview mit unserer Redaktion über die am Dienstag beginnenden Tarifverhandlungen für Bayer, Lanxess und Co gesprochen.

Herr Hoffmann, 2010 hat der Produktionsanstieg in der Chemiebranche satte elf Prozent betragen. Für 2011 rechnet der Chemieverband mit 2,5 Prozent. Treten die Arbeitgeber vor der Lohnrunde auf die Bremse?

Hoffmann Mit Sicherheit wird sich der Anstieg abflachen. Das ist normal, weil wir in 2010 den Einbruch der Krisenjahre 2008/2009 wettmachen mussten. Die Arbeitgeber rechnen natürlich aus strategischen Erwägungen die Zahlen zusätzlich schlecht. Alle Prognosen, sei es vom Wirtschaftsminister, der OECD oder den Instituten, gehen von einem nachhaltigen, stabilen Wachstum aus.

Viele Betriebsräte hatten Probleme, ihrer Belegschaft die beim letzten Mal ausgehandelte Einmalzahlung als positives Ergebnis zu verkaufen. Welche Rückmeldungen bekommen Sie jetzt angesichts einer Forderung von sechs bis sieben Prozent aus den Betrieben?

Hoffmann Wir sind mit unserer Diskussion über die konkrete Forderung noch nicht am Ende. Sie wird in Nordrhein aber eher oberhalb von 6,5 Prozent liegen. Die Zahlen und das, was wir aus den Betrieben hören, sprechen eindeutig dafür.

Der Tarifabschluss 2010 sah auch die Zahlung eines Konjunkturbonus vor. Wie viele Unternehmen haben davon Gebrauch gemacht?

Hoffmann Zwei Drittel haben gezahlt — deutlich mehr, als wir erwartet hatten.

Spricht die Bereitschaft zur Bonuszahlung nicht dafür, dass die IG BCE zu vorsichtig verhandelte?

Hoffmann Nein. Es konnte doch keiner ahnen, dass wir so rasch wieder aus der Krise herauskommen würden. Aber die kritische Diskussion, die dem Abschluss zum Teil folgte, war nachvollziehbar. Doch auch jetzt fordert keiner einen unrealistisch hohen Schluck aus der Pulle.

Allerdings entspräche eine Forderung von sieben Prozent der IG-BCE-Forderung aus dem Boomjahr 2008.

Hoffmann Das stimmt. Wir sind aber auch wieder dort angekommen, wo wir vor der Krise waren — da können die Unternehmen noch so laut klagen, dass wir immer noch Krise haben. Unsere Forderung ist realistisch, auch wenn sie kurz nach der Krise erfolgt und wir lassen uns keineswegs von den Konjunkturdaten blenden. Es geht um die Beteiligung der Beschäftigten am Aufschwung.

Wie haben sich die Beschäftigtenzahlen im Bezirk Nordrhein seit Ausbruch der Krise entwickelt?

Hoffmann Die Beschäftigung ist um etwas mehr als zwei Prozent zurückgegangen — deutlich weniger als in anderen Branchen. Im Augenblick erleben wir einen zaghaften Beschäftigungsaufbau — bedauerlicherweise in stärkerem Maße als üblich über Leiharbeit.

Werden Sie eine gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft fordern?

Hoffmann Das wird nicht Bestandteil der Verhandlung sein.

Lanxess, Bayer oder BASF machen immer stärker Geschäfte mit den Bric-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China. Das könnte zu einem Arbeitsplatzabbau in Europa führen.

Hoffmann Es wird Verschiebungen geben. Bislang ist es uns aber gelungen, diesen Prozess mitzugestalten. Kein Unternehmen hat abrupt Verlagerungen durchgeführt. Wir haben Auseinandersetzungen mit Bayer, wo ein Großteil der Polymere nach Shanghai gehen soll. Das sehen wir kritisch, obwohl wir grundsätzlich ein Engagement in Bric-Staaten befürworten.

Die Bahn hat ein Tarifergebnis erst in der Schlichtung erzielt, Lufthansa und Flugbegleiter sind noch im Schlichtungsprozess. Sieht die Chemie auch im Tarifvertrag eine Schlichtung als Lösung vor?

Hoffmann Wir haben eine entsprechende Tarif-Regelung. Aber ich setze auf die Vernunft der Arbeitgeber. Wir haben die Fähigkeit, uns ohne externe Hilfe zu einigen. Das wird in diesem Jahr sicherlich ein schwieriger Prozess, und ich gehe nicht davon aus, dass uns das in der ersten Runde gelingen wird.

(RP)
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