Stimmungsbarometer Ifo-Geschäftsklimaindex steigt überraschend

München (RPO). Der Aufschwung in Deutschland kommt kräftig voran. Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juni überraschend um 0,3 auf 101,8 Punkte, wie das Münchner Institut am Dienstag mitteilte. "Die Konjunkturerholung setzt sich fort", erklärte ifo-Chef Hans-Werner Sinn.

Die Eckpunkte des Frühjahrsgutachtens 2010
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Die Unternehmen bewerteten im Juni vor allem die aktuelle Geschäftslage positiver. Sie legte um 1,7 Punkte auf 101,1 Punkte zu. Dies glich den Rückgang der Erwartungen um 1,3 Punkte auf 102,4 Punkte mehr als aus.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) äußerte sich am Dienstag positiv zu den Konjunkturaussichten. Er rechnet in diesem Jahr mit 2,3 Prozent Wachstum. Die wirtschaftliche Lage sei "weitaus besser als manche politische Debatte", sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Bundeskanzlerin Angela Merkel geriet angesichts der Prognose des DIHK ins Schwärmen: "Das ist geradezu sensationell. Das macht uns Mut und kann uns optimistisch stimmen", sagte sie.

Der ifo-Index hatte nach einer steilen Aufwärtsbewegung im Frühjahr im Mai einen leichten Dämpfer hinnehmen müssen. Im Juni ging es wieder aufwärts - aber deutlich langsamer als zuletzt. Ifo-Experte Klaus Abberger sieht darin kein Problem für den Aufschwung. Dieser sei keineswegs vorbei, sagte er. "Die Aufwärtsbewegung war im ersten Halbjahr sehr stark. Da hat die deutsche Wirtschaft einen Sprung nach vorne gemacht. Dass es jetzt nicht mehr so dynamisch weitergeht, ist kein Beinbruch."

Schwacher Euro stützt

Die Erwartungen seien insgesamt optimistisch, sagte Abberger. Auch die aktuelle Lage sei positiv: "Die Wirtschaft hat doch eine Weile gebraucht, um sich aus dem Tal zu kämpfen. Aber mittlerweile kann man sagen, dass sich die Lage in einem befriedigenden Bereich befindet. Die Unternehmen sind zufrieden." Das wirke sich auch am Arbeitsmarkt aus. Dort dürfte es kaum noch einen Stellenabbau geben.

Als mögliche Gründe für die gesunkenen Erwartungen der Unternehmen sieht Abberger Sparmaßnahmen der Politik. Zudem gebe es weltweit eine Diskussion, ob sich die Wirtschaft in Asien und speziell China überhitze. "Das nimmt ein wenig die Dynamik heraus." Der schwache Euro wirke dagegen eher positiv, weil er den Export stütze.

Trotz einer möglicherweise dämpfenden Wirkung hält der Konjunkturexperte es aber für richtig, dass die Politik sparen will. Der Schalter müsse hier umgelegt werden, "auch um den Aufschwung nachhaltig zu machen". Von kurzfristigen Schwankungen wie der jüngst bekanntgewordenen überraschend positiven Entwicklung des Bundeshaushalts sollte sich die Politik nicht beirren lassen.

Abwärts nur im Einzelhandel

In der Industrie verbesserte sich die Stimmung im Juni um 0,4 Punkte auf 10,5. Im Großhandel legte sie um 0,9 Punkte auf 3,5 zu. Am Bau ging es mit einem Plus von 3,3 auf minus 17,1 kräftiger bergauf. Für diese Branche seien die Perspektiven im laufenden Jahr gut, sagte Abberger. Die Konjunkturprogramme wirkten immer stärker, und auch der private Hausbau nehme langsam wieder an Fahrt auf. Abwärts ging es nur im Einzelhandel. Der Teilindex für diese Branche fiel um 2,0 Punkte auf minus 10,1.

Analysten werteten die aktuelle Entwicklung des Konjunkturbarometers positiv. Sie sei "ein weiteres Indiz für ein kräftiges Wachstum der deutschen Wirtschaft im Sommerhalbjahr", erklärte Gregor Eder von der Allianz. Die BayernLB betonte, der Rückgang der Aussichten sei kein Grund zur Beunruhigung. Die Erwartungen lägen mit 102,4 noch immer deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 96,3.

Für den allmonatlich erhobenen ifo-Geschäftsklimaindex wurden im Juni rund 7000 Beriebe befragt. Die Prognose des DIHK beruht auf einer Umfrage unter 22.000 Unternehmen.

Analystenstimmen zum ifo-Index

Jörg Lüschow, WestLB:

"Es ist eine leicht positive Überraschung, dass der Index gestiegen ist. Eine Ursache dafür ist die bessere Lage. Dagegen haben, und damit war nach den Vorgaben des ZEW zu rechnen, die Erwartungen etwas nachgegeben. Allerdings fällt der Rückgang moderat aus angesichts des Umfeldes, das wir mit der Schuldenkrise und dem Sparkurs der Bundesregierung derzeit haben.

Insgesamt deutet der Ifo auf eine hohe Wachstumsdynamik im zweiten und dritten Quartal hin. Die leichte Eintrübung der Geschäftserwartung, die sich in den kommenden Monaten fortsetzen dürfte, lässt aber für 2011 eine schwächere Wachstumsdynamik erwarten. Einen Einbruch brauchen wir aber nicht befürchten."

Viola Stork, HeLaBa:

"Der Ifo-Index befindet sich dank der Lagebeurteilung weiterhin auf äußerst hohem Niveau. Im Gegensatz zum ZEW waren die Teilnehmer der Ifo-Umfrage deutlich optimistischer. Maßgeblich hierfür dürfte die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit sein, die die vom Ifo befragten Unternehmen derzeit aufgrund der Euro-Abwertung verzeichnen sollten. Allerdings deutet der Rückgang der Erwartungskomponente auf eine Abschwächung der Wachstumsdynamik in den kommenden Monaten hin. Angesichts der Sparprogramme und Konsolidierungspläne vieler Euroländer sollte diese Entwicklung jedoch nicht verwundern."

Andreas Rees, Unicredit:

"Man muss sehr stark unterscheiden zwischen der Lage und den Erwartungen. Im Augenblick laufen die Geschäfte der deutschen Unternehmen noch sehr gut, insbesondere im Export. Diese gute Entwicklung wird in den nächsten Monaten zunächst noch anhalten. Aber es mehren sich die Warnsignale. Eine Konjunkturverlangsamung zur Jahreswende wird immer wahrscheinlicher. Darauf deuten die erneut gesunkenen Geschäftserwartungen hin. Zum einen belastet die Schuldenkrise, zum anderen die Sparmaßnahmen und das Auslaufen der Konjunkturprogramme. Hinzu kommt, dass die Unternehmen jetzt weltweit ihre Lagerbestände wieder aufgefüllt haben. Die Dynamik lässt deshalb weltweit nach. 2011 wird für die deutsche Exportwirtschaft ein schwieriges Jahr."

(DDP/csr)
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