Prozess um Immobilienbank Hypo Real Estate Georg Funke — Skandalbanker vor Gericht
München · Der Ex-Vorstandschef soll am Donnerstag als Zeuge aussagen – in einem Musterprozess, in dem Anleger gegen die verstaatlichte Immobilienbank HRE klagen. Sie fühlen sich durch die Bank um insgesamt eine Milliarde Euro geprellt.

Hypo Real Estate: Fragen und Antworten zum Prozess
Der Ex-Vorstandschef soll am Donnerstag als Zeuge aussagen — in einem Musterprozess, in dem Anleger gegen die verstaatlichte Immobilienbank HRE klagen. Sie fühlen sich durch die Bank um insgesamt eine Milliarde Euro geprellt.
Für Donnerstag ist auf Mallorca der wärmste Tag der Woche vorausgesagt— zwar bewölkt, aber 19 Grad und auch ein bisschen Sonne. Davon wird Georg Funke nichts haben. Der Mann, der unter anderem Immobilien auf der Balearen-Insel verkauft, steht dann als Zeuge vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG). Der Mann, der als eine der zentralen Figuren in der Affäre um die verstaatlichte Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) gilt.
Gegen die HRE läuft ein Musterprozess von Anlegern, die sich nach dem Beinahe-Kollaps der Bank in der Finanzkrise von den Verantwortlichen des Instituts getäuscht fühlten und nun rund eine Milliarde Euro Schadenersatz verlangen.
Milliardenschwere Rettungsaktionen
Das OLG hat am Montag eine vorläufige Einschätzung formuliert. Entgegen der Meinung der Bank ("Nach Überzeugung der HRE war die Kommunikation zu jedem Zeitpunkt angemessen") meinen die Richter, dass das Unternehmen seine Anleger zu spät über die Folgen der Finanzkrise informiert hat. Zwischen August 2007 (damals teilte die HRE mit, sie müsse keine negativen Folgen der Finanzkrise befürchten), und der Pflichtmitteilung aus dem Januar 2008, in der die Folgen absehbar waren, sei zu viel Zeit vergangen.
Damals musste Vorstandschef Funke einräumen, dass die Bank zwischen Oktober und Dezember 2007 rund 400 Millionen Euro in die Rettung amerikanischer Ramschhypotheken gepumpt hatte — obwohl er bis dahin stets den Eindruck erweckt hatte, die Bank sei besenrein. Ergebnis: Die Aktie brach um 35 Prozent ein. Es folgten milliardenschwere Rettungsaktionen, die Zwangsverstaatlichung und damit die Zwangsabfindung von Aktionären. Das Gericht sagt, die Bank hätte spätestens im November 2007 aktiv werden müssen. Die Bank verweist darauf, dass sie genau das unter anderem in einer Analystenkonferenz getan habe.
Georg Funke soll am Donnerstag mehr Klarheit verschaffen. Er ist das Gesicht des HRE-Skandals. Funke blieb nach der Pflichtmitteilung im Januar 2008 noch Monate im Amt, verabreichte der Öffentlichkeit das Desaster immer nur in Häppchen, räumte dann plötzlich hohe Wertverluste auf milliardenschwere Investments in hypothekenbesicherte Papiere ein.
Im April 2008 vermeldete die Bank für das erste Quartal einen Gewinnrückgang auf faktisch null, und immer noch glaubten Funke und Co. den Eindruck erwecken zu können, die Krise sei beherrschbar. Dann wurde es Herbst, und das Unternehmen stand scheinbar plötzlich vor dem Abgrund — auch weil der Staatsfinanzierer Depfa langfristig Geld verliehen, aber seine Schulden kurzfristig zurückzahlen musste. Mit diesem Kardinalfehler zog die Depfa ihre Mutter HRE endgültig in den Sog der Krise. Die Politik drängte auf Funkes Abschied, der letztlich dem Druck nachgab und im Oktober 2008 von Bord ging — nicht ohne in der Folgezeit seinen früheren Arbeitgeber noch Nachzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe zu fordern.
Verfahren scheint schneller über die Bühne zu gehen
Das alles holt den gebürtigen Gesenkirchener Funke am Donnerstag wieder ein — im Prozess um eine Bank, deren Schieflage als größter Schadenfall gilt, den die Finanzkrise Deutschland beschert hat. Ihre Rettung hat den Staat fast 20 Milliarden Euro gekostet. Legt man auf jeden Deutschen um, sind das fast 240 Euro pro Einwohner. Da kann man nun dagegenrechnen, was der Bund eins Tages erlöst, wenn er die HRE und deren Tochter Depfa wieder privatisiert, aber unter dem Strich wird nach Expertenschätzung ein zweistelliger Milliardenbetrag übrigbleiben, den die öffentliche Hand und damit der Steuerzahler schultern muss. Zumal mögliche zusätzlichen Prozesskosten (wenn die HRE jetzt verliert) auch am Steuerzahler hängen bleiben würden.
Auf jeden Fall scheint das Verfahren, das jetzt in München läuft, schneller über die Bühne zu gehen, als manche gedacht haben. Das Gericht hat die für Dienstag und Mittwoch angesetzten Verhandlungstage abgesagt, weil sich die Anwälte beider Seiten in ihren Vorträgen unerwartet kurz gefasst hatten. Aber auch wenn der Musterprozess ein schnelles Ende finden könnte — es werden weitere Verfahren folgen.
In München geht es jetzt vor allem um die Ansprüche institutioneller Anleger und Fonds. Unabhängig davon hat die HRE selbst beim Landgericht München schon im Oktober 2012 eine Klage eingereicht, in der sie von Funke selbst und zwei anderen früheren Vorstandsmitgliedern etwa 52 Millionen Euro Schadensersatz fordert. In einer weiteren Klage, von der Funke nicht betroffen ist, will die Bank von Ex-Managern noch einmal knapp 170 Millionen Euro.