Düsseldorfer Konzern Henkels später Abschied aus Russland

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Konzern will sich nach langem Zögern doch aus dem russischen Markt zurückziehen. Die Zukunft des dortigen Geschäfts ist noch offen. An der Börse reagiert die Aktie mit Kursverlusten auf die Ankündigung.

 Das Henkel-Werk im russischen Perm auf einer Aufnahme von 2016. Zu dieser Zeit unterhielt der Konzern neun Fabriken und 15 Büros im Land.

Das Henkel-Werk im russischen Perm auf einer Aufnahme von 2016. Zu dieser Zeit unterhielt der Konzern neun Fabriken und 15 Büros im Land.

Foto: Henkel

Es ist erst zwei Wochen her, da haben die Verantwortlichen des Henkel-Konzerns bei der Hauptversammlung erklärt, dass sie an ihrem Russland-Engagement festhalten wollen. Mit Einschränkungen, wie Vorstandschef Carsten Knobel damals sagte. Aber auch das ist jetzt vorbei: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen haben wir entschieden, die Geschäfte in Russland aufzugeben. Der Umsetzungsprozess wird nun vorbereitet. Wir werden eng mit unseren Teams in Russland an den Details arbeiten, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten“, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Währenddessen würden die 2500 Mitarbeiter in Russland weiterbeschäftigt und -bezahlt. „Als globales Unternehmen mit Mitarbeitern aus mehr als 120 Ländern sind wir fest davon überzeugt, dass gegenseitiger Respekt, Menschlichkeit und die friedliche Lösung von Konflikten Vorrang haben müssen.“ Knobel erklärte: „Henkel verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten.“

Die Konsequenz, die Henkel jetzt ziehe, hätte es Anfang April auch schon geben können, sagen Kritiker. Da hatte Henkel noch mit der Verantwortung für die Beschäftigten in Russland argumentiert, mit drohenden Haftstrafen für Manager, mit der Gefahr, dass sich der russische Staat der elf Henkel-Werke bemächtigen und so ein Teil des Aktionärsvermögens per Enteignung in die Hände Russlands fallen könnte. Was hat den Konzern jetzt zum Umdenken bewogen? „Da spielt eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle“, sagte ein Henkel-Sprecher unserer Redaktion. Schon bei der Hauptversammlung habe das Management betont, die Entwicklungen mit größter Aufmerksamkeit zu verfolgen, und weitere Schritte nicht ausgeschlossen.

Drei Jahrzehnte Unternehmensgeschichte und einen Milliardenumsatz gibt man nicht so einfach auf. Offensichtlich aber ist der mögliche Reputationsschaden, vor dem Aktionärsvertreter bereits bei der Hauptversammlung gewarnt hatten, der Henkel-Spitze nun doch zu groß. Der Konsumgüterkonzern war bis Dienstag auf der Liste des Yale-Professors Jeffrey Sommerfeld noch als eines der wenigen deutschen Unternehmen mit Aktivitäten in Russland vertreten. Werbung und Sponsoring hatte Henkel bereits gestoppt, aber die Produktion war eben weitergelaufen.

„Das ist jetzt eine richtige und konsequente Entscheidung“, sagte Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Henkel müsse nun sehen, wie man den wirtschaftlichen Schaden des Ausstiegs begrenzen könne. Henkel erklärte, über finanzielle Konsequenzen könne man noch nichts sagen.

Dem Aktienkurs hat der Rückzug aus Russland jedenfalls schon jetzt geschadet. In einer fast zynisch anmutenden Reaktion, die den Finanzmärkten in solchen Fällen mitunter eigen ist, haben die Börsianer das Aus als Aufgabe von Geschäft bewertet, das Milliardenumsätze generiert hat. Mehr als zweieinhalb Prozent büßte die Henkel-Aktie in der Spitze ein. Die Rechnung: Egal, an wen Teile des Geschäfts gehen werden – der Rückzug wird für Henkel mit Abschreibungen verbunden sein, die auf den Gewinn drücken.

Als sicher gilt, dass Henkel nicht das komplette Russland-Geschäft mit Waschmitteln, Klebstoff und Kosmetika (das etwa fünf Prozent der Konzernerlöse ausmacht) an einen einzelnen Investor abgeben wird. Möglich wäre unter anderem ein Management-Buy-out, bei dem etwa einheimische Führungskräfte mithilfe neuer Investoren Teile des Geschäfts übernehmen. Bei Henkel machen Waschmittel und Klebstoffe den mit Abstand größten Teil des Russland-Geschäfts aus.

Was andere Konzerne angeht, die noch in Russland aktiv sind, ist Aktionärsschützerin Benner-Heinacher sich sicher: „Der Druck auf andere Unternehmen wird auf jeden Fall größer.“ Auch die Metro müsse sich die Frage nach einem Reputationsschaden stellen. Der Handelskonzern erklärte, der Krieg gegen die Ukraine sei „vom Vorstand der Metro AG intern und extern klar benannt und auch verurteilt worden“. Dennoch sehe der Vorstand eine Verantwortung für die 10.000 Mitarbeiter von Metro Russland sowie für die Versorgung mit Lebensmitteln insbesondere für die kleineren Händler und Restaurants in Russland. „Wir halten diese Argumente weiter für valide“, so der Konzern. Die Entscheidung, das Russland-Geschäft mit 93 Großhandelsmärkten aufrechtzuerhalten, sei „ausführlich diskutiert und abgewogen“ worden. Man beobachte die weitere Entwicklung genau.

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