Henkel-Chef Carsten Knobel „Wir müssen weiter liefern“

Interview | Düsseldorf · Der Henkel-Chef beschreibt im Interview die anstehenden Herausforderungen, kündigt höhere Preise an und erklärt den Rückzug bei Fortuna Düsseldorf.

 Seit Januar 2020 leitet Carsten Knobel Henkel.

Seit Januar 2020 leitet Carsten Knobel Henkel.

Foto: NILS HENDRIK MUELLER / Henkel

Drohender Gasmangel, hohe Preise – die Industrie hat ein schweres Jahr hinter sich. Wie geht es weiter?

Knobel Die Energiesituation ist ja seit Anfang 2022 sehr angespannt. Das belastet vor allem energieintensive Unternehmen. Bei Henkel entfallen nur zwei Prozent unserer Herstellkosten direkt auf die Energie. Aber viele unserer Zulieferer aus der chemischen Industrie wie etwa BASF sind da viel stärker betroffen. Damit wirken sich die dramatisch gestiegenen Kosten für Rohstoffe, aber auch für Transport und Logistik, indirekt natürlich auch auf Henkel aus.

Bundeswirtschaftsminister Habeck will der Industrie mit einem Industriestrompreis helfen, der Mittelstand ist empört. Was passiert, wenn der Industriestrompreis nicht kommt?

Knobel Wir brauchen einen Industriestrompreis, während wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien so vorantreiben, dass wir ausreichend bezahlbare Energie haben. Sonst gefährden wir den Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb.

Und was würde konkret bei Henkel passieren, wenn der Industriestrompreis nicht kommt?

Knobel Kurzfristig hätte das bei Henkel keine direkten Folgen, weil wir nicht so energieintensiv produzieren. Aber wir wären über die Verflechtung mit unseren energieintensiven Lieferanten betroffen. Ohne einen Industriestrompreis droht die Verlagerung von Produktion ins Ausland und der Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland, bei unseren großen Lieferanten sowie unseren Kunden in der Industrie. Und langfristig hätte das auch Auswirkungen auf Henkel.

Wie hoch soll er denn sein? VCI-Chef Steilemann findet die von Habeck avisierten sechs Cent zu hoch, auch der DGB fordert eine Deckelung auf vier Cent.

Knobel Wichtig ist, dass der Industriestrompreis kommt. Die Höhe sollte in einem ausgewogenen Prozess festgelegt werden, der die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft aber auch die Finanzierbarkeit berücksichtigt.

Macht Habeck einen guten Job?

Knobel Es gibt hier wie in der Wirtschaft wie immer Licht und Schatten. Der Minister hat gerade in der Pandemie den Kontakt zur Wirtschaft gesucht. Das war sehr gut. Wir brauchen jetzt aber mehr Schnelligkeit bei der Umsetzung von Entscheidungen. Das Tempo, das wir zum Beispiel beim LNG-Terminal-Bau erleben, brauchen wir auch in anderen Bereichen. Nur dann gelingt die Transformation der Wirtschaft.

Klimakleber mahnen mehr Tempo an. Was halten Sie von ihnen und ihren Aktionen?

Knobel Die Ziele, für die die Aktivisten kämpfen, sind ja grundsätzlich richtig. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind wichtig für uns alle. Daran arbeiten wir auch intensiv. Die Methoden der Klimakleber aber sind falsch und treffen zu viele Bürgerinnen und Bürger.

Erwarten Sie im Winter eine neue Gasmangellage?

Knobel Die Füllständer der Speicher sind viel höher als im Vorjahr. Und wir haben inzwischen neue Lieferanten für Gas und Energie, um den Wegfall des russischen Gases auszugleichen. Dennoch müssen wir weiter wachsam und sparsam sein, denn auch dieser Winter könnte schwierig werden, wenn es deutlich kälter wird als im letzten Jahr.

Sie haben das russische Geschäft für 600 Millionen Euro verkauft. Wie lange gilt die vereinbarte Rückkaufoption?

Knobel Wir haben im Rahmen des vollständigen Verkaufs auch eine Option vereinbart, das Geschäft innerhalb der nächsten zehn Jahren zurückzukaufen.

Unter welchen Bedingungen – Frieden, Putins Sturz?

Knobel Dazu reicht sicher kein Waffenstillstand oder ein Ende des Krieges. Damit wir unser russisches Geschäft zurückkaufen, müssten sich die Rahmenbedingungen und Beziehungen zu Russland grundlegend ändern.

Sie haben das Russland-Geschäft spät verkauft …

Knobel Im Gegenteil! 48 Stunden nach dem Überfall auf die Ukraine haben wir alle Investitionen und Werbemaßnahmen in Russland gestoppt, sieben Wochen später haben wir beschlossen, unsere dortigen Geschäfte mit elf Produktionsstätten und einem Umsatzvolumen von einer Milliarde Euro aufzugeben – und das unter schwierigen Bedingungen. Es gibt nicht viele Firmen in unserem Wettbewerbsumfeld, die so rasch und konsequent gehandelt haben.

Andere wie die Metro oder Bayer bewegen sich gar nicht. Rückblickend betrachtet: Hätten Sie nicht abwarten können?

Knobel Ich kann das nur für unser Unternehmen beurteilen. Wir sind der festen Überzeugung, dass es für uns die richtige Entscheidung war. Wir würden es wieder so machen.

Wäre es nicht besser gewesen, die Anlagen in Russland ganz zu schließen?

Knobel Nein, das war keine Option für uns. Wir haben im besten Sinne des Unternehmens und der Anteilseigner gehandelt. Wir waren für unser Geschäft und unsere Beschäftigten in Russland verantwortlich. Wir hätten gar nicht einseitig unsere Werke schließen können. Dann hätte uns die komplette Enteignung gedroht. Deshalb war der Verkauf der richtige Schritt.

Angenommen China überfällt Taiwan, wie stark wäre dann Ihr China-Geschäft getroffen?

Knobel In einem solchen Fall hätten wir eine so ernste weltpolitische Krise, dass sich wohl ganz andere Fragen stellen würden als die Zukunft unserer Aktivitäten in China. Aktuell steht China für rund zehn Prozent unseres Konzernumsatzes. Aber wir produzieren in China für China – und nicht für den Export in andere Länder.

Sollte sich der Westen ganz von China abkoppeln?

Knobel Nein, China ist ein wichtiger Teil der globalen Wirtschaft geworden. Eine Präsenz im Land ist richtig. Wir müssen aber alles dafür tun, dass es zu keiner weiteren Eskalation und geopolitischen Spannungen kommt. Gleichzeitig müssen wir aber auch mögliche Risiken berücksichtigen und versuchen, diese einzugrenzen – sei es bei intellektuellem Eigentum und Patenten, aber auch mit Blick auf die Lieferketten. 

Um rund 12 Prozent erhöhten Sie die Preise im Vergleich zum Vorjahr, werden Sie nun weiter an der Preisschraube bei Persil, Somat oder auch Spee drehen?

Knobel Die Preise für Rohstoffe und Energie sind 2021 und 2022 um zusätzliche drei Milliarden Euro gestiegen. Das hat unsere Gewinnmarge – trotz aller Sparanstrengungen – deutlich belastet. 2023 sind insbesondere bei den Konsumgütern weitere Preisanpassungen notwendig. Natürlich sind die Preisverhandlungen mit den Handelspartnern nicht einfach. Da kann es auch vorkommen, dass einzelne Produkte von uns nicht mehr geliefert werden, wenn es zu keiner Einigung kommt.

Die höheren Preise führten dazu, dass der Absatz, also die verkaufte Menge, um rund fünf Prozent sank. Macht Ihnen dies Sorgen?

Knobel Nein, solche Reaktionen auf steigende Preise sind normal. Das Entscheidende ist, dass wir unseren Marktanteil gemessen am Umsatz in den Konsumentengeschäften halten konnten. Das zeigt auch die Stärke und Attraktivität unserer Marken. Manche Kunden wechseln zwar zeitweise zu günstigeren Handelsmarken, aber wir rechnen mit einer Rückkehr am Ende der Krise.

Unabhängig von der aktuellen Lage verdient der US-Konzern Procter & Gamble mit seinen Waschmitteln und anderen Konsumgütern viel mehr als Henkel.

Knobel Deshalb verändern wir uns ja. Wir haben die zwei Sparten Wasch- und Reinigungsmittel sowie Beauty Care zur einer neuen Sparte Consumer Brands zusammengeführt, die mit rund elf Milliarden Euro die Hälfte des Konzernumsatzes ausmacht. Das bringt Synergien, es erlaubt uns, unser Portfolio konsequenter zu managen und uns auch von schwachen oder unprofitablen Geschäften zu trennen. Die neue Sparte soll mittelfristig drei bis vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen, die Marge soll mit 13 bis 15 Prozent deutlich höher liegen als bisher.

Klingt schön, aber die Aktie notiert mit 74 Euro deutlich unter dem früheren Hoch von mehr als 120 Euro.

Knobel Der Aktienkurs stellt auch uns nicht zufrieden. Aber seitdem wir im Januar 2022 den Umbau angekündigt haben, stieg der Kurs um mehr 10 Prozent, während der Dax nur um vier Prozent zugelegt hat. Dies zeigt, dass unsere Strategie am Kapitalmarkt auf positive Resonanz stößt. Nun müssen wir auch weiter liefern. Quartal für Quartal. Jahr für Jahr.

Was macht das Umbauprogramm in der neuen Sparte?

Knobel Der Unternehmensbereich ist seit Jahresbeginn in seiner neuen Struktur global tätig. Wie angekündigt fallen in einer ersten Phase rund 2000 Stellen in Verwaltung und Vertrieb weg – für mehr als 1300 der betroffenen Positionen haben wir schon individuelle Lösungen gefunden, auch bei den 300 Stellen in Deutschland. In einer zweiten Phase prüfen wir mögliche Synergieeffekte in der Produktion und Logistik.

Es gibt Gerüchte, dieser Teil des Umbaus würde Düsseldorf eher wenig treffen, weil im zweitgrößten Werk des Konzerns viele Prozesse sowieso zentral gesteuert werden.

Knobel Wir schauen uns das gerade weltweit sehr genau an. In Deutschland ist die Beschäftigungslage -aller Krisen zum Trotz – seit mehreren Jahren stabil. Bei meinem Amtsantritt 2020 hatten wir etwa 8600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heute sind es rund 8500. In Düsseldorf ist die Zahl sogar angestiegen von 5600 auf rund 5900. Sie sehen, wir stehen zu Düsseldorf als unserem wichtigsten Standort.

Die Zinsen steigen stark an. Haben Sie damit die Chance verpasst, größere Zukäufe billig finanzieren zu können?

Knobel Nein. Wir konzentrieren uns aktuell zwar auf die Zusammenführung der Sparte Consumer Brands, aber Akquisitionen bleiben Teil unserer Strategie. Wir haben eine starke Bilanz, wir haben die Absicht, weitere Zukäufe zu tätigen. Und das in beiden Bereichen – dem Klebstoffgeschäft und dem Konsumgütergeschäft.

Aber als Wella vor drei Jahren erneut angeboten wurde, hat Henkel nicht zugeschlagen. Warum?

Knobel Wir haben uns Wella damals natürlich angeschaut. Aber wir haben uns ganz bewusst frühzeitig aus dem Prozess zurückgezogen. Dafür gab es gute Gründe. Grundsätzlich ist zu sagen: Die Rückkehr steigender Zinsen nützt uns beim Wettbewerb um Zukaufobjekte eher, weil wir dank unserer sehr soliden Finanzposition beste Bonitäten haben.

Warum steigen Sie trotz solider Finanzen nun bei Fortuna Düsseldorf als Hauptsponsor aus?

Knobel Wir waren seit 2018 Hauptsponsor von Fortuna. Und das mit ganzem Herzen. Auch während der Pandemie haben wir zum Verein gestanden und auch wo nötig geholfen. Vor einem Jahr hätten wir den Vertrag gerne für mehrere Jahre verlängert, aber Fortuna wollte erst einmal nur eine Verlängerung bis Sommer 2023. Daher lief der Vertrag nun aus. Dann haben wir auch ein Angebot als Haupt- und Trikotsponsor gemacht, das deutlich höher lag als unser bisheriges Engagement. Doch Fortuna hat sich für ein anderes Unternehmen als Hauptsponsor entschieden. Am Ende ist das ein Markt. Das wissen und akzeptieren wir.

Fortuna hofft anscheinend, Sie doch noch als Sponsor gewinnen zu können.

Knobel Wir wollten Haupt- und Trikotsponsor bleiben. An anderen Paketen haben wir nun kein Interesse.

Sie persönlich waren früher stellvertretender Aufsichtsratschef von Fortuna. Bleiben Sie als Privatperson Fan?

Knobel Natürlich. Ich lebe ja auch schon seit 1995 hier in der Region und bin Mitglied bei der Fortuna und das bleibe ich auch.

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