Euro-Finanzminister vertagen sich Griechenland-Rettung in der Warteschleife

Düsseldorf (RP/RPO). Die Euro-Finanzminister streiten hartnäckig über einen Ausweg aus der Griechenlandmisere. Ein Treffen in Brüssel blieb ohne Ergebnis. Vor allem die deutsche Position stößt auf Widerstand. Finanzminister Wolfgang Schäuble drängt darauf, private Gläubiger zu beteiligen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle griff derweil scharf die Ratingagenturen an. Am Mittwoch soll ein Generakstreik das Land lahmlegen.

 EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Chef Jean Claude Juncker beraten bei der Krisensitzung in Brüssel.

EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Chef Jean Claude Juncker beraten bei der Krisensitzung in Brüssel.

Foto: AFP, AFP

Im Streit über ein neues Hilfspaket für Griechenland können sich die Euro-Staaten bislang nicht auf einen Weg zur Beteiligung privater Gläubiger einigen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte nach einem Sondertreffen mit seinen EU-Kollegen am Dienstagabend in Brüssel, es habe noch kein Ergebnis gegeben. Die Meinungsverschiedenheiten unter den Euroländern sind offensichtlich groß. Die angekündigte Presseerklärung blieb am Abend aus.

Aus Protest gegen das Sparprogramm der Regierung und die Privatisierungen haben griechische Gewerkschaften für Mittwoch zu einem Generalstreik aufgerufen. Dabei sind Proteste in verschiedenen Städten geplant. Die seit Wochen auf dem Athener Syntagma-Platz campierenden Demonstranten wollen am Vormittag eine Menschenkette um das Parlament bilden, wo ab Mittwoch ein neues Sparpaket geprüft wird. Wegen des Streiks ist mit massiven Beeinträchtigungen im Schiffs- und Eisenbahnverkehr zu rechnen, zudem soll der öffentliche Nahverkehr für Stunden stillstehen. Die Fluglotsen zogen ihren Aufruf zum 24-Stunden-Streik indes mit Verweis auf die touristische Hauptsaison wieder zurück.

Die Zukunft des Landes steht mehr denn je auf der Kippe. In der EU herrscht Dissens über das weitere Vorgehen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble findet sich in einer Solo-Rolle wieder und sieht sich starkem Widerstand ausgesetzt. Seine Vorschläge gehen der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und manchen Euro-Ländern zu weit. Ihnen kommt es darauf an, dass die Gläubiger nicht zum Festhalten an ihren Anlagen gezwungen werden dürfen. Als mögliche Kompromisslinie gilt nach dem Krisentreffen, dass private Investoren aufgerufen werden, freiwillig neue griechische Anleihen mit den gleichen Bedingungen zu kaufen, falls alte auslaufen.

Druck ja, Zwang nein

EU-Kommission, Frankreich und die Notenbanken lehnen jeglichen Anschein von Verpflichtung ab. Der Grund: Die Ratingagenturen haben klargemacht, dass sie eine direkt oder indirekt erzwungene Mithaftung der Privaten als Kreditausfall bewerten würden. Mögliche Folge: Die griechischen Banken würden zusammenbrechen. Ansteckungseffekte auf andere Ländern drohen — mit unabsehbaren Folgen für den Euro und das Finanzsystem. "Jede Form der Verpflichtung wäre zu gefährlich", unterstrich der belgische Finanzminister Didier Reynders.

Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden warnte, die Einbeziehung der privaten Investoren dürfe keine negativen Auswirkungen auf andere Staaten und den gesamten Währungsraum haben. Doch seien hier nur technische Einzelheiten zu klären, sodass zumindest in den kommenden beiden Wochen eine Einigung über ein neues Griechenland-Paket bis Monatsende möglich sei. Die Eurogruppe soll sich am Sonntagabend in Luxemburg erneut treffen, sagte Frieden. Entscheidend für einen Fortschritt in der Diskussion werde das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy am Freitag in Berlin sein, ergänzte ein EU-Diplomat.

Schäuble will mehr

Während nun Kommission, EZB und mehrere EU-Länder auf freiwillige Selbstverpflichtung drängen, geht Schäuble das nicht weit genug. Die Investoren sollen dazu gebracht werden, griechische Staatsanleihen noch vor ihrer Fälligkeit gegen neue Bonds mit sieben Jahren Laufzeit zu tauschen. Deutschland wird dabei von Finnland und den Niederlanden unterstützt. In allen drei Ländern ist es zunehmend schwierig, die Parlamente mehrheitlich hinter ein neues Kreditpaket für Griechenland zu bringen.

Zur Deckung von Griechenlands Finanzbedarf, der in Euro-Zonen-Kreisen auf 120 Milliarden Euro beziffert wird, könnte der Privatsektor nach den internen Kalkulationen rund 30 Milliarden Euro beisteuern. Doch wenn die Anreize auf Zwang hinauslaufen, könnte der Bond-Tausch als Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gewertet werden. Dann würden Kreditausfallversicherungen fällig, und Experten befürchten neue Verwerfungen am Finanzmarkt.

Draghi positioniert sich

Der künftige EZB-Präsident, Italiens Notenbankgouverneur Mario Draghi, sagte, alle Konzepte die nicht auf eine freiwillige Mitwirkung der Privatwirtschaft setzten, müssten wegen ihrer gefährlichen Nebenwirkungen vom Tisch. Er erläuterte bei einer Anhörung vor Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel, von den derzeit diskutierten Möglichkeiten scheine ihm das Vorbild der sogenannten Wiener Initiative am erfolgversprechendsten.

Weidmann warnte, die als notleidend eingestuften Anleihen könnten dann nicht mehr von der Zentralbank als Sicherheit gewertet werden, wodurch die Lage der griechischen Banken sich verschlechtere. Zudem würde die Zentralbank mit ihrem eigenen Anleihebestand nicht mitziehen. "Die Politik kann nicht davon ausgehen, dass die Notenbanken des Eurosystems auch für die Anleihen in ihrem Bestand einer Laufzeitverlängerung zustimmen."

Brüderle attackiert Ratingagenturen

Nach der deutlichen Herabstufung Griechenlands durch Standard & Poor's am Montag hat FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Ratingagenturen derweil scharf kritisiert. "Das selbstbewusste Heben oder Senken des Daumens ist schon bemerkenswert", sagte Brüderle unserer Redaktion. "Über die Rolle der Ratingagenturen bei der Finanzmarktkrise muss man diskutieren", forderte der frühere Bundeswirtschaftsminister. Der Bewertungsmarkt werde von nur drei US-Ratingagenturen beherrscht. Sie hätten maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft der Euro-Zone. "Die Etablierung einer Europäischen Ratingagentur wäre Schweiß und Hirnschmalz wert, denn ein europäischer Wettbewerber würde dieses enge Oligopol aufbrechen", sagte Brüderle.

(pst/RTR/AFP/RP)
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