Bayer unter Druck Glyphosat-Vergleich rückt in die Ferne

Die Zahl der Kläger wächst auf 52.500. Deka-Manager Speich warnt, die Übernahmegefahr sei für Bayer größer denn je. Immerhin läuft es im operativen Geschäft: Die Corona-Krise beschert Bayer eine starke Pharma-Nachfrage.

 Das Bayer-Werk in Wuppertal. (Archiv)

Das Bayer-Werk in Wuppertal. (Archiv)

Foto: dpa/Oliver Berg

Bayer hatte sich die Hauptversammlung an diesem Dienstag in jeder Hinsicht anders vorgestellt: Mehr als 3000 Aktionäre sollten ins World Conference Center nach Bonn kommen, Vorstandschef Werner Baumann hätte, wenn alles gut gelaufen wäre, endlich einen Vergleich im Glyphosatstreit mitgebracht. Doch die Corona-Krise macht einen Strich durch die Rechnung: Die Versammlung findet nur online statt, und von einem Vergleich ist Bayer weit entfernt. „Die Pandemie hat das Mediationsverfahren erheblich verlangsamt“, erklärte Baumann am Montag. Mehr denn je müsse Bayer auf eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung der Klagen achten – die Liquiditätsherausforderungen seien wegen der Rezession erheblich. Sprich: Bayer muss das Geld zusammenhalten. Zugleich steigt die Zahl der Kläger, die den Unkrautvernichter der Bayer-Tochter Monsanto für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen, weiter: Nun sieht sich Bayer 52.500 Klägern gegenüber, Anfang Februar waren es noch etwa 48.600. Bis Ende Juni seien derzeit keine Verfahren zur Verhandlung angesetzt, dieser Zeitplan könne sich jedoch ändern.

Ingo Speich, Manager bei der Fondsgesellschaft Deka, ist enttäuscht: „Bisher ist bei der Lösung der Rechtsfragen zu wenig geschehen. Die Rechtsrisiken haben nicht ab-, sondern sogar noch zugenommen.“ So lange sich Bayer nicht von den Klagen befreien könne, werde man wohl keine Erholung des Aktienkurses sehen. „Der Einbruch des Kurses in den vergangenen Wochen zeigt das neue, erhöhte Risikoprofil. Die Bayer-Aktie war mal ein Stabilitätsgarant in Krisenzeiten, das ist Geschichte.“ Am Montag legte die Aktie zwar zu auf knapp 62 Euro, weil das operative Geschäft im ersten Quartal überraschend gut gelaufen war. Doch von früheren Höchstkursen (140 Euro) ist sie weit entfernt.

Zugleich kündigte Speich an, dass die Deka Vorstand und Aufsichtsrat entlasten werde. Vor einem Jahr hatte die Mehrheit der Aktionäre dem Vorstand um Baumann dies noch verweigert. Das hatte es zuvor noch nie bei einem Dax-Konzern gegeben – und dürfte sich nicht wiederholen: „Wir stimmen einer Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu, auch aufgrund der Stärkung der Rechts- und Agrarexpertise und des Strategiewechsels bei den Rechtsverfahren“, so Speich.

Friedlich wird es dennoch kaum werden: In Leverkusen wurde für Dienstag eine kleine Demonstration von Umweltschützern genehmigt. Speich hält nichts vom neuen Chefkontrolleur, Norbert Winkeljohann, der nach der Hauptversammlung Werner Wenning beerben soll: „Herr Winkeljohann bringt nicht die notwendige Expertise mit: Globaler Fokus, Erfahrung in den Bereichen Pharma, Agrar und Nordamerika fehlen.“ Immerhin: Im operativen Geschäft läuft es gut, und Bayer profitiert sogar von der Corona-Krise. Die Pandemie führe in einigen Geschäftsfeldern zu einer stark gestiegenen Nachfrage, teilweise weil Kunden sich bevorratet hätten, so der Konzern. Davon profitierte vor allem das ewige Sorgenkind Consumer Health, zu dem rezeptfreie Arzneien wie Aspirin gehören (Gewinn: plus 3,8 Prozent). Bei den rezeptpflichten Arzneimitteln (Pharmaceuticals) trieb einmal mehr der Gerinnungshemmer Xarelto den Gewinn, auch hier deckten sich Kunden ein (Gewinn: plus 7,3 Prozent). Insgesamt kam Bayer im ersten Quartal auf einen Gewinn von 4,4 Milliarden Euro.

Fondsmanager Speich aber bleibt skeptisch: „Mit rund 60 Milliarden Euro ist der Börsenwert derzeit im globalen Wettbewerbsvergleich sehr niedrig. Die Gefahr einer Übernahme oder Zerschlagung ist größer denn je.“

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