Fragen und Antworten So gefährlich ist das Glyphosat-Urteil für Bayer

Leverkusen/San Francisco · Der Unkrautvernichter Glyphosat ist krebserregend, hat die Jury des kalifornischen Distrikt-Gerichts entschieden. Eine schwere Schlappe für Bayer, denn es geht um einen Musterfall in einem Massenverfahren. Die Bayer-Aktie verlor zeitweise elf Prozent.

 Das Bayer-Kreuz leuchtet auf dem Werksgelände in Leverkusen. (Archiv)

Das Bayer-Kreuz leuchtet auf dem Werksgelände in Leverkusen. (Archiv)

Foto: dpa/Oliver Berg

Was hat die Jury entschieden?

Eine Zeit lang wackelte der Prozess, die Jury zerfiel und konnte sich Tage lang nicht einigen. Doch nun haben sich die Geschworenen im Fall Ed Hardeman gegen die Bayer-Tochter Monsanto auf eine erste Entscheidung verständigt. Sie sehen eine Kausalität zwischen Roundup und Krebs und machen den Unkrautvernichter mitverantwortlich für das Leiden des 70-jährigen Amerikaners. Richter Vince Chhabria hatte den Prozess schon früher auf Antrag von Bayer in zwei Teile geteilt. Im zweiten Teil muss die Jury nun klären, ob Monsanto Anwender über die Risiken von Roundup getäuscht hat und welcher Schadenersatz Hardeman zusteht.

Wie ist der Jury-Spruch einzuordnen?

Es ist zwar nur die erste Instanz eines Einzelfalls. Doch bei der Causa Hardeman handelt es sich um einen so genannten „Bellwether Fall“: Er gilt als repräsentativ für 760 weitere Klagen, die bei dem Distriktgericht gebündelt sind. Sein Ausgang ist für die anderen Prozesse (anders als bei einer Sammelklage) zwar nicht rechtlich bindend, gibt aber eine Richtung vor. Allerdings hat Bayer bereits angekündigt, gegebenenfalls in Berufung zu gehen. Der Konzern teilte mit: „Das Unternehmen ist weiter fest davon überzeugt, dass die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen, dass glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachen.“ Bayer sei zuversichtlich, dass die Beweise in der zweiten Phase des Prozesses zeigen werden, dass Monsanto sich angemessen verhalten hat und nicht für die Krebserkrankung von Ed Hardeman haftbar gemacht werden sollte.

Warum stürzt die Aktie ab?

Kaum hatten am Mittwoch die Börsen in Europa geöffnet, warfen die Anleger ihre Bayer-Aktien aus dem Depot. Der Kurs rauschte zeitweise um elf Prozent auf 62 Euro in die Tiefe. Vor einem Jahr war eine Bayer-Aktie noch rund 100 Euro wert, vor vier Jahren waren es 144 Euro. Die Unsicherheit über den Ausgang der Verfahren, die sehr teuer werden könnten, belasten die Aktie. In einem früheren Einzelfall-Verfahren hatte eine Jury dem Schul-Platzwart Dewayne Johnson Schadenersatz von 78 Millionen Dollar zugesprochen. Insgesamt liegen gegen Bayer 11.200 Klagen vor. Zwar hat Bayer auch bei Dewayne Johnson Berufung eingelegt und jeder Fall muss letztlich einzeln verhandelt werden – doch sollte sich Bayer in den höheren Instanzen nicht durchsetzen, drohen theoretisch gar viele, viele Milliarden an Schadenersatz. Ein Albtraum für Anleger und Mitarbeiter.

Wie gefährlich ist Glyphosat wirklich?

Das ist für Laien nicht zu entscheiden. Bayer sagt, das Mittel sei ungefährlich bei sachgerechter Anwendung. „Regulierungsbehörden weltweit beurteilen glyphosatbasierte Herbizide bei sachgemäßer Verwendung als sicher. Es gibt umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen, darunter sind mehr als 800 Studien, die im Zusammenhang mit den Zulassungsverfahren eingereicht wurden und bestätigen, dass diese Produkte bei sachgemäßer Verwendung sicher sind“, betonte der Konzern. Auf der anderen Seite steht die IARC, eine Organisation der Weltgesundheitsorganisation, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Auch in der EU haben Kommission und Staaten lange gerungen, bevor sie die Zulassung für das Mittel verlängerten.

Was bedeuten die Verfahren für Bayer?

Der Konzern steht unter Druck. Bayer ist mit der Übernahme von Monsanto zum größten Agrochemiekonzern der Welt aufgestiegen. So wollte sich der im Weltmaßstab mittelmäßige deutsche Pharmakonzern auch vor einer Übernahme durch Pharmariesen schützen. Die Klagewelle gegen den Monsanto-Kassenschlager bindet nun Zeit, Personal und Geld. Allein die Rückstellungen für Verteidigungskosten steigen immer weiter an. Schon jetzt hat Bayer den Abbau von 12.000 Arbeitsplätzen angekündigt, um die vielen anderen Baustellen im Konzern zu beseitigen. Monsanto war mit 59 Milliarden Euro die teuerste Übernahme, die ein deutscher Konzern je getätigt hat. Sollte Bayer am Ende wirklich Schadenersatz im großen Stil zahlen müssen, würde es auch der teuerste Flop und riskant für Bayer. Auch für Bayer-Chef Werner Baumann, der den Deal noch als Strategievorstand mit eingefädelt und als Vorstandschef gegen viele Widerstände durchgekämpft hat, dürfte es dann schwierig werden. Aber noch sind die finalen Urteile nicht gefallen, das kann sich noch Jahre hinziehen.

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