Nach Undercover-Recherche GLS weist Wallraff-Vorwürfe zurück

Düsseldorf/Neuenstein · Der Paketzusteller GLS hat die Vorwürfe des Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff über eine Ausbeutung von Boten zurückgewiesen. Es handele sich bei dem Beitrag um eine "einseitige und verkürzte Berichterstattung", erklärte das Unternehmen am Donnerstag im hessischen Neuenstein. Wallraff selbst spricht davon, offenbar einen "Nerv" getroffen zu haben.

 Die Undercover-Recherche Wallraffs bei GLS hat für Wirbel gesorgt.

Die Undercover-Recherche Wallraffs bei GLS hat für Wirbel gesorgt.

Foto: dpa, Oliver Berg

GLS verpflichte Transportfirmen "zur Beschäftigung von Fahrern in rechtskonformen, sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen", hieß es in einer Mitteilung des kritisierten Unternehmens. Das Unternehmen mit Sitz in Amsterdam, das in Deutschland zu den vier größten Paketlogistikern gehört, "bedauerte" den Bericht.

Wallraff (69) hatte ihn nach Recherchen und mehreren Undercover-Einsätzen mit falscher Identität am Mitwochenabend bei RTL und am Donnerstag im "Zeit-Magazin" veröffentlicht. Darin prangert er "Menschenschinderei mit System" und "eine Form von moderner Sklaverei" bei dem Paketzusteller an.

"Die GLS Gruppe akzeptiert keine despektierlichen Äußerungen über Subunternehmen und deren Fahrer in ihrem Unternehmen", entgegneten der Geschäftsführer von GLS Germany, Klaus Conrad, und Rico Back als Chef der GLS-Gruppe.

Geteiltes Echo in der Branche

In der Paketbranche stießen die Vorwürfe Wallraffs auf ein geteiltes Echo. "Wir kennen die Probleme, die die Branche hier hat", sagte der Sprecher der Deutschen Post, Dirk Klasen. "Im Bereich der Subunternehmer gibt es einen harten Wettbewerb." Trotz vieler Missstände in der Branche sei die Arbeit des Paketnetzwerks DHL aber auf einem "absolut vorzeigbaren Niveau", sagte Klasen. Bei der Fremdvergabe von Aufträgen seien letztlich die Subunternehmer dafür verantwortlich, ihre Fahrer angemessen zu entlohnen.

"In diesem System ist etwas nicht in Ordnung", sagte der Sprecher des Paketverbands Hermes, Thomas Voigt, in einer Diskussionsrunde mit Wallraff bei "stern TV" am Mittwochabend. Voigt kündigte Verbesserungen für die Hermes-Paketfahrer an. "Wir sind bei Hermes grundlegend dabei, das ganze System umzubauen. Wir werden die Bezahlung pro Paket abschaffen und einen Stundenlohn einführen." Die Hauptkritik Wallraffs gilt GLS, aber auch den Missständen in der Branche allgemein. Auch ein früherer Fahrer von Hermes kommt zu Wort.

Laut Wallraffs Recherchen arbeitet der GLS-Konzern ausschließlich mit Subunternehmern - meistens selbst Fahrer oder frühere Fahrer - und verpflichte diese zu ruinösen und schwer durchschaubaren Bedingungen. Damit stehle sich das Unternehmen rechtlich aus der Verantwortung. Den Fahrern würden Dumpinglöhne gezahlt, es werde Ausbeutung betrieben und regelmäßig gegen arbeitsrechtliche Vorschriften verstoßen, erklärte der Journalist.

"Habe wohl Nerv getroffen"

Enthüllungsjournalist Günter Wallraff sieht sich durch die Reaktionen auf seine Undercover-Reportage bei GLS bestätigt. "Ich habe es seit Jahren nicht mehr erlebt, dass ich so einen Nerv getroffen habe", sagte Wallraff am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Es hätten sich Hunderte GLS-Mitarbeiter bei ihm gemeldet. Dies zeige, dass er nicht übertrieben habe. Die Reaktionen seien zum Teil noch über das hinausgegangen, was er in seiner Reportage geschildert habe.

"Ich hoffe, dass sich grundlegend etwas ändert", sagte der 69-Jährige. "Der Druck der Öffentlichkeit kann enorm viel bewegen. GLS kann nicht so weiterverfahren." Wallraff übt in der Reportage, die am Mittwochabend bei RTL ausgestrahlt wurde und am Donnerstag auch im "Zeit Magazin" erschienen ist, scharfe Kritik an den Löhnen und Arbeitsbedingungen der GSL-Paketboten.

(dpa/dapd)
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