Das Armutsrisiko für Leiharbeiter steigt Gleiche Arbeit, nur halb so viel Geld

Berlin (RPO). Leiharbeit zählt nicht rein zufällig zu den großen Themen bei den Verhandlungen um das Hartz-IV-Paket. Das Armutsrisiko ist beachtlich. Einer Studie zufolge erhält nur jeder fünfte Leiharbeiter mehr als 2000 Euro brutto im Monat. In manchen Branchen erhalten sie nur halb so viel Geld wie Festangestellte. Viele beziehen trotz Vollzeitbeschäftigung Hartz IV.

Leiharbeit undercover: Eine niederschmetternde Doku
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Leiharbeit undercover: Eine niederschmetternde Doku

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Die Schere zwischen Festangestellten und Leiharbeitern geht einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zufolge immer weiter aueinander. Die Einkünfte sind demnach in den vergangenen Jahren geschrumpft, Leiharbeiter verdienen in Deutschland immer weniger. Wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf die Studie berichtete, kommt lediglich eine kleine Minderheit der Leiharbeiter auf monatlich mehr als 2000 Euro brutto. In der gesamten Wirtschaft gelte dies dagegen für gut 70 Prozent der Vollzeitbeschäftigten.

Leiharbeit heißt für Zigtausende immer noch Hartz-IV

Nach der Studie, die auf Daten der Bundesagentur für Arbeit beruhe, hätten Arbeitskräfte in der Verleihbranche in den alten Bundesländern 2009 durchschnittlich monatlich 1456 Euro brutto erhalten - Urlaubs- und Weihnachtsgeld inklusive. In Ostdeutschland habe der Verdienst sogar nur 1124 Euro betragen. Mehr als zehn Prozent im Westen und gut 20 Prozent im Osten hätten trotz Vollzeitjobs sogar weniger als 1.000 Euro brutto im Monat verdient. In Deutschland gibt es laut Zeitung derzeit mehr als 900.000 Leiharbeiter.

Das Fazit der Autoren der Studie fällt drastisch aus. "Armut trotz Arbeit ist hier an der Tagesordnung, selbst wenn sich Hartz IV eventuell durch eine Erwerbstätigkeit anderer Familienangehöriger ausgleichen lässt", heißt es. Der Einkommensabstand habe sich in den vergangenen Jahren einseitig zu Lasten der Leiharbeiter vergrößert. Vor allem in der Industrie-Branche ist das zu spüren. Leiharbeitskräfte verdienen demnach nicht einmal die Hälfte. Viele könnten von ihrer Arbeit nicht leben und bezögen als "Aufstocker" zusätzliche Leistungen vom Staat. In Zahlen von Mitte 2010 bemisst sich die Zahl der Leiharbeiter mit Hartz-IV-Bezügen auf 92.000. In keiner anderen Branche sei das Risiko der Hartz-IV-Bedürftigkeit so groß.

43 Prozent Leiharbeit

Der DGB läutet daher schon seit Wochen die Alarmglocken. Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt bewege sich auf gefährlich dünnem Eis, weil er sich derzeit in erster Linie in der Leiharbeitsbranche abspielt, heißt es dort. Reguläre unbefristete Arbeitsstellen würden dagegen immer mehr zum Auslaufmodell. Einer Umfrage der IG Metall zufolge deckten Betriebe im Jahr 2010 zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften zu 43 Prozent mit Leiharbeitern. Für den 24. Februar haben die Gewerkschaften daher zu einem Aktionstag aufgerufen.

In den laufenden Hartz-IV- Verhandlungen zwischen Bund und Ländern haben sich auch SPD und Grüne dieses Thema auf die Fahne geschrieben. Sie fordern "equal pay" - gleiche Bezahlung für gleiche Arbeitm, egal ob von Festangestellten oder Leiharbeitern. Der Hartz-IV-Reform im Bundesrat wollen sie nur zustimmen, wenn Zeitarbeiter bereits nach vier Wochen die gleichen Stundenlöhne erhalten wie fest angestellte Kräfte. Union und FDP sperren sich. Sie wollen die Equal-Pay-Regel erst nach neun Monaten zulassen. Aus Sicht der SPD ist das indiskutabel. Neun Monate, so lange bleibt eine geliehene Arbeitskraft nur in Ausnahmefällen im Betrieb.

"Zehntausende Arbeitsplätze bedroht"

Die Arbeitgeberseite will davon nichts wissen. Eine Regelung zur gleichen Bezahlung von Zeitarbeitern hätte aus ihrer Sicht dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt. Sie würde Beschäftigungschancen vernichten, sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der "Welt am Sonntag".

"Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes durch die Zeitarbeit haben wir es erstmals geschafft, wieder Menschen in Arbeit zu integrieren, die vorher draußen standen", sagte Hüther. Der Ökonom spricht von einer "dramatischen Rolle rückwärts", die Equal-Pay-Pläne seien katastrophal und unverantwortlich: "So vernichtet man Beschäftigungschancen." Zeitarbeit sei auch ein Instrument, die Stammbelegschaften zu stabilisieren. "Wir haben hier keinen flexiblen Kündigungsschutz wie in Dänemark", sagte Hüther. "Doch irgendwie muss das System atmen können."

Warnung vor einstürzender Beschäftigungsbrücke

Zuvor hatte auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vor "deutlichen Bremsspuren am Arbeitsmarkt" gewarnt, sollte das Equal-Pay-Prinzip eingeführt werden. "Es würde in erster Linie die Schwächsten am Arbeitsmarkt treffen, nämlich Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte", sagte Hundt. Die Zeitarbeit hatte einen großen Anteil an der positiven Arbeitsmarktentwicklung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise: Von den Jobs, die seit der Krise geschaffen wurden, entfiel laut Bundesagentur für Arbeit jeder zweite auf die Zeitarbeitsbranche.

Auch Wirtschaftspolitiker der Union und Zeitarbeitsfirmen warnen vor massiven Jobverlusten in der Branche, sollten künftig Leiharbeiter bereits nach wenigen Wochen den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaften erhalten. "Ich sehe Zehntausende Arbeitsplätze bedroht", sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs unserer Redaktion. "Die Gefahr ist sehr groß, dass die Brücke in eine dauerhafte Beschäftigung über die Zeitarbeit für 270.000 Hilfskräfte durch falsche gesetzliche Weichenstellungen einstürzt", warnte auch Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Zuvor hatte schon der Präsident des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA), Volker Enkerts, vor einer Equal-Pay-Regelung gewarnt. Laut Enkerts ist die Branche allein 2010 um 27 Prozent gewachsen.

(DDP/pst)
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