Festnetz-Telefone in der Krise Warum Gigaset in die Insolvenz geht
Bocholt · Die Bocholter Spezialfirma Gigaset steckt tief in der Krise. Der Hauptgrund ist, dass die Menschen sich mehr auf den Mobilfunk als aufs Festnetz konzentrieren.
Die Insolvenz von Gigaset bestätigt einmal mehr, wie schwer es Unternehmen aus Deutschland haben, mit digitalen Konsumgütern profitabel zu überleben: Grundig ist verschwunden, Blaupunkt ebenfalls seit Jahren, jetzt kämpft der Anbieter von Digitaltelefonen ums Überleben.
Das Unternehmen aus Bocholt mit 850 Beschäftigten hatte am Dienstagabend einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit für die börsennotierte Muttergesellschaft angekündigt. Nun will die operative Tochter Gigaset Communications GmbH sich selbst in Eigenregie sanieren. Der Kurs der Aktie stürzte am Mittwoch um 55 Prozent ab, das Unternehmen ist nur noch etwas mehr als zehn Millionen Euro wert.
Eine Reihe an Gründen haben die Krise verursacht. Von einer deutlich unter den Erwartungen liegenden Geschäftsentwicklung gerade im aktuellen Halbjahr spricht das Management. Tatsächlich werden aber die von Gigaset vorrangig produzierten Festnetztelefone nur noch sehr schwach abgesetzt, während weltweit jedes Jahr Hunderte Millionen Smartphones verkauft werden von Apple, Samsung und anderen Herstellern. „Die Leute kaufen regelmäßig neue Smartphones, wogegen sie sich um ihr Festnetztelefon nur wenige Gedanken machen“, sagt dazu Henning Gajek, Branchenexperte beim Onlinemagazin „Teltarif“. Hinzu käme, dass es Gigaset zu wenig gelungen sei, sich als Trendsetter zu präsentieren: „Die Geräte sind technisch gut, haben aber doch einen etwas altbackenen Ruf“ sagt Gajek.
Die Schwäche ist umso bedauerlicher, weil Gigaset Marktführer bei Festnetztelefonen mit der Funktechnik DECT ist. Die Aktivitäten des Traditionsunternehmens mit 175-jähriger Firmengeschichte beinhalten außerdem Smartphones auf Android-Basis für Privat- und Geschäftskunden, Cloud-basierte Smart Home Angebote sowie Geschäftstelefonielösungen, die aber zu großen Teilen weniger erfolgreich waren als erhofft.

Bekannte deutsche Unternehmen in der Insolvenz
Ziel des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung für die Gigaset Communications GmbH sei eine nachhaltige Restrukturierung des operativen Geschäftsbetriebes, heißt es in einer Erklärung. Die Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebstätigkeiten werde das Unternehmen „unverändert fortführen“.
Löhne und Gehälter der Beschäftigten werden bis Ende November durch die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Insolvenzausfallgelds getragen. Bis dahin strebt Vorstandschef Magnus Ekerot eine konsequente Sanierung an: „Dieser nun notwendige Schritt ermöglicht uns das Unternehmen von Grund auf neu zu strukturieren und auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen“, sagt er.
Der zu Jahresbeginn von Bosch gekommene Vorstandschef macht das ehemalige Management für die Schieflage verantwortlich: „Gigaset ist es während der letzten Jahre nicht gelungen, den Rückgang im Kerngeschäft mit DECT-Schnurlostelefonen durch die richtigen Weichenstellungen in den neuen Geschäftsbereichen zu kompensieren.“ Diese „ungesunde und einseitige Geschäftsausrichtung“ habe zum Abstieg beigetragen.