Industrie in NRW Gerichte in NRW legen Industrieprojekte lahm

Düsseldorf · Der Rodungsstopp für Hambach ist kein Einzelfall. Verwaltungsgerichte haben nach Klagen von Umweltschützern auch das Kohlekraftwerk Datteln und die CO-Pipeline gestoppt. Die Wirtschaft fordert Planungssicherheit.

 Im Hambacher Forst darf RWE zwar noch baggern, aber nicht weiter roden.

Im Hambacher Forst darf RWE zwar noch baggern, aber nicht weiter roden.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Der vorläufige Rodungs-Stopp für Hambach hat Folgen: RWE geht nun davon aus, dass die Fördermenge in Hambach um 10 bis 15 Millionen Tonnen in den Jahren 2019 bis 2021 sinkt. Ein Minus von 38 Prozent. Pläne, den Tagebau komplett einzustellen, gebe es nicht, sagte der RWE-Sprecher. Daher will RWE das Angebot des Öko-Suchmaschinenbetreibers Ecosia auch gar nicht kommentieren, der RWE den verbliebenen Wald für eine Million Euro abkaufen will. Am Freitag hatte das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) überraschend einen vorläufigen Rodungsstopp erlassen. RWE darf keine weitere Flächen roden, aber im bereits gerodeten Teil weiter Braunkohle abbauen. Bis zu einem endgültigen Urteil kann es Ende 2020 werden.

Hambach ist kein Einzelfall. Umweltschützer haben das Verwaltungsrecht entdeckt. Immer wieder legen Gerichte große Industrieprojekte für Jahre lahm. Prominente Beispiele in NRW sind das Kohlekraftwerk Datteln und die Kohlenmonoxid-Pipeline.

CO-Pipeline Die 67 Kilometer lange Röhre, die von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen führt, war 2007 von der Bayer AG in Angriff genommen worden. Schon 2006 hatte der Landtag mit großer Mehrheit das Rohrleitungsgesetz erlassen, das Enteignungen für Bau und Betrieb der Röhre ermöglichte. Inzwischen hat Bayer seine Chemie und damit die ungeliebte Pipeline in den heutigen Dax-Konzern Covestro abgespalten. Inzwischen liegt der Fall wieder beim OVG Münster, nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Klage von Umweltverbänden nach Münster zurückverwiesen hatte. Umweltschützer halten die Pipeline für überflüssig und wegen des hochgiftigen Gases CO für gefährlich. Das OVG hatte Trassenverlauf und Sicherheitskonzept bereits abgesegnet. Nun muss es klären, ob die Pipeline im Allgemeinwohl liegt, womit die Enteignungen gerechtfertigt wurden. Die Beteiligten rechnen damit, dass das OVG im Laufe des Jahres 2019 entscheidet. Doch falls das im Sinne von Covestro ausgeht, fließt noch lange kein Kohlenmonoxid: „Aus technischen Gründen könnten wir gar nicht sofort starten. Es dürfte (abhängig auch von Witterungsbedingungen) sicher nicht unter einem Jahr dauern, bis wirklich CO durch die Leitung fließt“, erklärte der Covestro-Sprecher. Aktuell ist die Pipeline mit Stickstoff gefüllt und vor Korrosion geschützt. Sie wird von einer Art Messwarte in Uerdingen bereits überwacht.

 2007 startete Bayer den Bau der CO-Pipeline.

2007 startete Bayer den Bau der CO-Pipeline.

Foto: dpa/Horst Ossinger

Kraftwerk Datteln Das 1100-Megawatt-Kraftwerk war schon 2007 von Eon in Angriff genommen worden. Es sollte mit einem Wirkungsgrad von 58 Prozent das sauberste Kohlekraftwerk der Welt werden. Ursprünglich sollte es 2011 ans Netz gehen. Zunächst hatten Politik und Umweltschützer das Ganze verzögert. Dann spaltete Eon seine Kraftwerke in die Tochter Uniper ab, von der sich der Energiekonzern mittlerweile komplett trennte. Uniper freute sich, als man 2017 endlich grünes Licht der Behörden bekam und den Bau zu Ende bringen durfte. Doch bei der ersten Anfeuerung des von Hitachi gelieferten Kessels zeigte sich dann, dass der vermeintliche Superstahl der Sorte „T 24“ Ärger macht. Nun wird der Kessel ausgetauscht. Aktuell demontieren 150 Mitarbeiter auf der Baustelle die Kesselwände. Als Starttermin peilt Uniper nun den Sommer 2020 an. Allerdings sind beim Oberverwaltungsgericht Münster auch noch sechs Klagen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung anhängig, nämlich vom Naturschutzbund BUND, der Stadt Waltrop und privaten Klägern. Hier gab es noch nicht einmal eine mündliche Verhandlung.

Werner Wenning hatte schon 2009, als er noch Bayer-Chef war, gewarnt: „Wenn Unternehmen Gefahr laufen, dass die Zustimmung von Landesparlament und Bezirksregierung keinen Bestand hat, werden sie diesen Standort künftig meiden und woanders investieren.“ Mit Blick auf den Rodungsstopp in Hambach melden sich nun die Industrie- und Handelsakmmern zu Wort. So warnt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein: „Welche Folgen der Beschluss zum Tagebau Hambach für die Energieversorgung der Unternehmen und die Arbeitsplätze haben wird, ist noch unklar. Klar scheint mir aber: Industrielle Projekte in unserem Land durchzusetzen, wird immer schwieriger – sei es einen Tagebau, einen Konverter oder neue Stromtrassen für die Energiewende.“ Er spielt auf den Stromkonverter an, über den in Meerbusch und Kaarst erbittert gestritten wird.

 2007 startete Eon den Bau des Kohlekraftwerk in Datteln.

2007 startete Eon den Bau des Kohlekraftwerk in Datteln.

Foto: dpa

Auch Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, fordert Planungssicherheit: „Planungssicherheit bedeutet für die Unternehmen Investitionssicherheit und ist damit ein wichtiger Faktor der Standortpolitik. Es ist die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger, hier Rechtssicherheit zu schaffen, die für Wirtschaft und Unternehmen absolut notwendig ist.“ Zugleich betont er, dabei geht es nicht um die Einschränkung der Beteiligungsrechte, sondern um klare Rahmenbedingungen. Als gutes Beispiel nannte er die A1-Rheinbrücke, die schnell, rechtssicher und mit Bürgerbeteiligung realisiert werde.

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