Viridium erhält Zuschlag Generali will sich von Millionen Lebensversicherungsverträgen trennen

München/Neu-Isenburg · Das Zinstief setzt Lebensversicherungen unter Druck. Manche Unternehmen wollen bestehende Verträge, die noch hoch verzinst sind, daher loswerden. Jetzt zieht der Versicherungsriese Generali die Reißleine.

Generali bricht ein Tabu: Der italienische Versicherer tritt seine deutsche Tochter Generali Leben mit vier Millionen Kunden an einen Abwicklungs-Spezialisten ab. Damit kommt zum ersten Mal ein großer deutscher Lebensversicherer in fremde Hände, weil seine Muttergesellschaft die Belastungen durch die langfristigen Zinsgarantien nicht mehr tragen will.

Der Konzern aus Triest gibt 89,9 Prozent der Anteile an der Generali Leben für bis zu eine Milliarde Euro an den Bestandsmanager Viridium ab, hinter dem der britische Finanzinvestor Cinven und die Hannover Rück stehen. Generali-Deutschland-Chef Giovanni Liverani glaubt, dass die Transaktion Schule machen wird: "Mit dieser Lösung werden wir einen Standard im deutschen Markt setzen", sagte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Finanzaufsicht Bafin muss dem Deal noch zustimmen. „Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden“, sagt der Chef der Versicherungsaufsicht der Bafin, Frank Grund. „Dies stellen wir bei Bedarf durch geeignete Maßnahmen sicher.“ Dazu zähle möglicherweise, dass der Käufer - in diesem Fall Viridium - eine bestimmte Kapitalausstattung garantiere. Der Finanzexperte der Grünen, Gerhard Schick, mahnte die BaFin, bei dem Verkauf "ganz genau hinzusehen": "Der vorgesehene Verkauf erweckt in einem so sensiblen Bereich kein Vertrauen. Schließlich haben sich Kunden beim Vertragsabschluss ganz bewusst für einen Versicherer entschieden."

Lebensversicherern fällt es in der Zinsflaute zunehmend schwer, an den Kapitalmärkten die hohen Garantieversprechen der Vergangenheit von bis zu vier Prozent zu erwirtschaften. Manche Unternehmen haben das Neugeschäft mit kapitalbildenden Lebensversicherungen inzwischen eingestellt, einige wollen die teuren Altpolicen loswerden. Die Erwerber - sogenannte Run-off-Firmen - müssen die bestehenden Verträge bis zum Ablauf weiterführen.

Die Düsseldorfer Konkurrentin Ergo, die zum weltgrößten Rückversicherer Munich Re gehört, hatte sich 2017 gegen einen Verkauf ihrer Leben-Töchter entschieden - wegen der gebotenen Kaufpreise, aber auch wegen eines drohenden Imageschadens. Europas größter Versicherer Allianz hat einen Verkauf deutscher Lebensversicherungsbestände an einen Abwickler wiederholt ausgeschlossen.

Viridium gehört dem Finanzinvestor Cinven und dem Rückversicherer Hannover Rück. Das Unternehmen war 2013/14 aus der früheren Heidelberger Lebensversicherung entstanden. Es verwaltet neben den Verträgen der Heidelberger und der Mannheimer Leben (heute Entis) auch die Policen der Skandia Deutschland sowie des britischen Versicherers Scottish Widows und damit - Stand Ende 2017 - gut 960.000 Versicherungsverträge mit einem Vermögen von knapp 16 Milliarden Euro.

Rund 300 Mitarbeiter, die bei Generali Leben bisher die geschlossenen Lebensversicherungsbestände managen, sollen in eine neue Gesellschaft unter dem Dach von Viridium wechseln. Ihre Arbeitsbedingungen sollten unverändert bleiben, versicherten beide Seiten. Bei Viridium mit Sitz in Neu-Isenburg bei Frankfurt kommen durch die Übernahme die Standorte Hamburg und München hinzu. Die Kapitalanlagen soll Generali die ersten fünf Jahre lang weiterhin selbst verwalten.

(wer/dpa)
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