Gasimporteur unter Druck Bund übernimmt Uniper zu rund 99 Prozent

Berlin/Espoo · Vor dem Hintergrund des russischen Gas-Lieferstopps wird der Bund Mehrheitsaktionär bei Deutschlands größtem Gasimporteur Uniper. Der Staat wird knapp 99 Prozent der Unternehmensanteile halten. Die Gasumlage soll ab 1. Oktober erhoben werden.

 Das Uniper-Logo (Symbolbild).

Das Uniper-Logo (Symbolbild).

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Bundesregierung, der Energiekonzern Uniper und der bisherige Uniper-Mehrheitseigentümer Fortum haben sich auf eine weitgehende Verstaatlichung von Uniper verständigt. Am Mittwoch wurde ein entsprechendes Stabilisierungspaket für Uniper unterzeichnet, wie das Unternehmen in Düsseldorf mitteilte. Es sehe eine Kapitalerhöhung und den Erwerb der Uniper-Anteile von Fortum vor, berichtete Fortum. Anschließend werde der Bund etwa 98,5 Prozent der Anteile an Uniper besitzen.

Die staatliche KfW-Bank werde Uniper Finanzmittel entsprechend ihrem Liquiditätsbedarf zur Verfügung stellen, berichtete Uniper weiter. Dazu zähle auch die Ablösung einer Kreditlinie von Fortum, die aus einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sowie einer sogenannten Garantielinie in Höhe von ebenfalls vier Milliarden Euro bestehe. Die Stabilisierungsmaßnahmen stehen noch unter Vorbehalt. So stünden noch Genehmigungen der EU-Kommission aus. Im vierten Quartal 2022 soll eine außerordentliche Uniper-Hauptversammlung die Maßnahmen beschließen.

Fortum hält derzeit knapp 78 Prozent an Uniper. Fortum selbst gehört zu knapp 51 Prozent dem finnischen Staat. Schon im Juli hatten sich die Bundesregierung, Uniper und Fortum auf ein milliardenschweres Rettungspaket geeinigt. Es hatte bereits eine Minderheitsbeteiligung des Bundes vorgesehen. Am 14. September hatte Uniper mitgeteilt, dass bei den Gesprächen über das Stabilisierungspaket auch eine Kapitalerhöhung geprüft werde, die zu einer „signifikanten Mehrheitsbeteiligung“ des Bundes an Uniper führen würde.

„Uniper ist eine zentrale Säule der deutschen Energieversorgung“, betonte das Wirtschaftsministerium am Mittwochmorgen. „Durch die heute beschlossene mehrheitliche Übernahme erlangt der Bund die wesentlichen Mitsprache- und Kontrollrechte bei dem Unternehmen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherstellen zu können.“

Uniper ist in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland pumpt. Der Gas-Großhändler ist Lieferant für über 100 Stadtwerke und große Unternehmen und spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung von Deutschland. Das aus Russland fehlende Gas muss sich das Unternehmen jetzt teuer auf dem Gasmarkt kaufen. Zuletzt hatte Uniper von täglichen Verlusten in Höhe von über 100 Millionen Euro gesprochen.

Die Gasumlage wird laut Wirtschaftsminister Robert Habeck zufolge ab 1. Oktober erhoben. Es werde aber eine finanzverfassungsrechtliche Prüfung des Finanzministeriums geben, sagt Habeck. Diese könne drei Monate dauern. Wenn die Umlage nicht erhoben werden dürfe, müsse es sofort eine Alternative geben. Hintergrund ist, dass es rechtlich unklar ist, ob Staatsunternehmen die Umlage kassieren dürfen. Mit der Übernahme von Uniper würde ein solches Unternehmen davon profitieren.

„Der Staat wird, das zeigen wir ja, alles Nötige tun, um die Unternehmen immer stabil am Markt zu halten“, sagte Habeck. Das gelte für Uniper, aber auch andere, systemrelevante Gas-Importeure. „Ein Weg, um den Staat nicht alles tun zu lassen, ist die Gasumlage.“ Damit könnten die Gas-Importeure vorgezogen ihre höheren Kosten bereits weitergeben.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hat die Verstaatlichung von Uniper begrüßt - zugleich aber Zweifel an der Gasumlage genährt. „Die rechtlichen Zweifel an einer Gasumlage steigen damit enorm“, teilt er mit. „Alles hängt mit allem zusammen, so dass nun schnell ein Gesamtkonzept erarbeitet werden muss.“ Er fordert auch Tempo bei der Frage, wie die Energiepreisbremse aussehen kann. Als Alternative zu einer „rechtlich hoch unsicheren und einseitigen“ Gasumlage könnte man Übergewinne im Strombereich abschöpfen, Haushaltsmittel nutzen sowie einen „leistungsgerechten Energiesoli“ einführen.

Die Papiere des angeschlagenen Energiekonzerns haben am Mittwochmorgen deutlich verloren und dabei stark geschwankt. Im frühen Xetra-Handel ging es zunächst um fast 21 Prozent auf 3,314 Euro zurück. Anschließend folgte eine Verlustbegrenzung auf 3,572 Euro, bevor das Minus wieder etwas deutlicher wurde. Der Kursverlust der Anteile beläuft sich in diesem Jahr aktuell auf 92 Prozent.

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Der Bund ist in der Vergangenheit bereits mehrfach Unternehmen finanziell zur Seite gesprungen, etwa in der Corona-Krise der Fluggesellschaft Lufthansa oder dem Reiseanbieter Tui. Unter dem Druck der Finanzkrise beteiligte sich der Staat Anfang 2009 an der Commerzbank. Beobachter gehen davon aus, dass die Uniper-Übernahme durch den Bund die größte Rettungsaktion für ein einzelnes Unternehmen in der bundesdeutschen Geschichte ist.

(felt/dpa)
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