Interview mit Frank Mastiaux "Alle EnBW-Töchter stehen auf den Prüfstand - auch die Stadwerke Düsseldorf"

Düsseldorf · EnBW-Chef Frank Mastiaux spricht im Interview mit unserer Redaktion über einen Verkauf der Stadtwerke Düsseldorf, den Umbau des Konzerns und den geplanten Atomfonds.

EnBW-Chef Frank Mastiaux erläutert seine Pläne.

EnBW-Chef Frank Mastiaux erläutert seine Pläne.

Foto: ENBW

Bei Eon haben Sie gegen Widerstände die Ökostrom-Sparte aufgebaut. Nun drehen Sie ein ganzes Unternehmen auf grün. Was ist schwieriger?

Frank Mastiaux Der Aufbau der Erneuerbaren bei meinem Vorgängerunternehmen war eine gleichsam anspruchsvolle wie spannende Herausforderung. Dennoch kann man es nicht vergleichen. Einen traditionsreichen Energiekonzern mit knapp 20.000 Mitarbeitern, fast 6 Millionen Kunden, mit Kraftwerken, Stromnetzen und Vertriebsgeschäft auf die Energiewende einzustellen, hat eine andere Dimension, als eine Sparte Erneuerbare Energien aufzubauen. Im Zuge der Energiewende sind und bleiben aber die Erneuerbaren Energien für die EnBW ein wichtiges Wachstumsfeld und ein bedeutendes Standbein für die Zukunft.

EnBW ist ein halbstaatlicher Konzern. Knapp 47 Prozent der Anteile hält jeweils das Land Baden-Württemberg und der kommunale Zweckverband OEW. Bremst das den Umbau?

Mastiaux Nein, ganz im Gegenteil. Unsere Aktionäre verfolgen keine kurzfristigen, nur an Quartalen orientierten Interessen. Sie wollen ein Unternehmen, das auf die Energiezukunft ausgerichtet ist und dauerhaften Erfolg hat. Das ist in Zeiten der Energiewende und eines mehrjährigen schwierigen Umbaus ein starker Rückhalt. RP Aber Ihr grüner Ministerpräsident Kretschmann kann sich auch einen Ausstieg vorstellen. Mastiaux Seine Aussage war im Kern ein grundsätzliches ordnungspolitisches Statement, nämlich dass ein Versorger nicht zwingend ein Staatsunternehmen sein bzw. bleiben muss. Er hat gleichzeitig klargestellt, dass ein Ausstieg des Landes weder kurz- noch mittelfristig oder langfristig auf der Tagesordnung steht.

Sie wollen EnBW grüner machen. Wie weit sind Sie?

Mastiaux Wir haben gleich zu Beginn meiner Amtszeit mit allen Führungskräften eine neue Strategie mit konkreten Ergebniszielen für jede Geschäftseinheit im Jahr 2020 entwickelt und beschlossen. Mit dem EnBW-Team arbeiten wir konzentriert an der Umsetzung der Maßnahmen. Es wird gute Arbeit geleistet. Die Erneuerbaren Energien spielen dabei eine wichtige Rolle. Wir werden unseren Ökostrom-Anteil von heute 19 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 40 Prozent erhöhen. Im Bereich Wind-Onshore wollen wir dann beispielsweise 1750 Megawatt an Wind installiert haben, 1000 Megawatt in Deutschland und 750 Megawatt in der Türkei. Und wir sind stramm unterwegs: Gerade haben wir einen Windpark in der Türkei in Betrieb und den Bau fünf weiteren in Angriff genommen, bis Jahresende wird zudem unser zweiter Offshore-Windpark EnBW Baltic 2 in der Ostsee voraussichtlich schon den ersten Strom liefern. Wir gehen davon aus, dass der Ergebnisbeitrag der Erneuerbaren bis 2020 um mehr als das Dreifache im Vergleich zu heute steigt. Im Gegenzug wird der Ergebnisanteil der konventionellen Kraftwerke bis 2020 um 80 Prozent sinken und dann nur noch knapp 15 % Ergebnisanteil ausmachen. Wir werden im Jahr 2020 mit Erneuerbaren voraussichtlich mehr als doppelt so viel verdienen wie mit konventionellen Kraftwerken.

Wie viele Ihrer Kohle- und Gaskraftwerke machen Verluste?

Mastiaux Fast alle sind auf Vollkostenbasis mehr oder weniger unter Wasser. Wir haben bereits fünf Blöcke zur Stilllegung angemeldet und unseren Anteil am Kraftwerk Bexbach an die Steag verkauft. Wir schließen nicht aus, dass wir künftig noch weitere Stilllegungsbeschlüsse treffen müssen, wenn die Großhandelspreise und Margen weiter niedrig bleiben oder gar verfallen.

Fordern Sie wie Eon und RWE einen Kapazitätsmarkt, wonach Verbraucher allein für die Bereitstellung von Kapazität zahlen sollen?

Mastiaux Wir haben derzeit vor allem ein Wirtschaftlichkeitsproblem bei konventionellen Kraftwerken. Die Versorgungsgarantie dieser Kraftwerke muss mit so marktnahen Mitteln wie möglich honoriert werden. Deshalb plädieren wir für eine strategische Reserve. Bei aktuellem Bedarf, den die Bundesnetzagentur feststellt, können die Versorger ihre Kraftwerke in einer vom Markt getrennten Reserve anbieten, und die besten Angebote erhalten dann den Zuschlag. Das ist dann ein bedarfsorientierter marktorientierter Marktmechanismus, der nichts mit Subventionen oder Förderprogrammen zu tun hat. Wenn das nicht ausreicht, wäre ein Kapazitätsmarkt der nächste Schritt. Der Teufel steckt hier aber im Detail.

Auch das zahlt der Verbraucher. Entsprechend zögert die Politik.

Mastiaux Ja, aber der Verbraucher zahlt hier für eine Produkteigenschaft, die er konkret nachfragt, nämlich sicheren Strom in Zeiten ohne Wind und Sonne. Die Politik unterschätzt meiner Meinung nach das Problem, das wir derzeit mit unwirtschaftlichen Kraftwerken haben. Eine jederzeit sichere Energieversorgung ist das Rückgrat eines hochentwickelten Industrielandes wie Deutschland. Nehmen wir die Industrie in Baden-Württemberg, die allein rund 20 Prozent zur gesamten deutschen industriellen Wertschöpfung beisteuert. Mehr als 70 % der gesicherten Kraftwerksleistung in Baden-Württemberg wird von der EnBW zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig können wir unsere Kraftwerke unter den gegenwärtigen Marktverhältnissen nicht wirtschaftlich betreiben. Dies ist ein Unding, gemessen an der Bedeutung dieser Kraftwerke. Eine international höchst erfolgreiche Industrie hängt also von wirtschaftlich notleidenden Kraftwerken, das kann volkswirtschaftlich und industriepolitisch nicht gesund sein. .

Entsprechend scharf müssen Sie sparen. Wie weit sind Sie?

Mastiaux Bis Ende des Jahres werden wir unser bereits um ein Jahr beschleunigtes Ziel sogar übertreffen und die Kosten um 765 Millionen Euro pro Jahr senken. Aber wir müssen unser Unternehmen weiter auf Effizienz trimmen. Bis 2020 wollen wir erneut einen mittleren dreistelligen Millionen-Betrag einsparen. Dazu verschlanken wir unsere Organisation im Bereich Zentralfunktionen und Stäbe. Wir optimieren konsequent unseren Kraftwerkspark und machen unseren Vertrieb noch effizienter. Wir vereinfachen im gesamten Unternehmen die Prozesse, auch indem wir Aufgaben künftig konsequent weglassen, die niedrige Priorität haben.

Was heißt das für die knapp 20000 Mitarbeiter von EnBW?

Mastiaux Unser vorrangiges Ziel lautet Kosten senken, nicht Stellen streichen. Aber perspektivisch werden wir das nicht schaffen, ohne Personalabbau in den Bereichen, die stark unter Druck stehen, etwa im Bereich der Erzeugung oder in der Administration. Aber wir bauen gleichzeitig in Bereichen wie z.B. Vertrieb und Erneuerbare Energien Stellen auf und bieten diese über einen internen Stellenmarkt an. In den nächsten Jahren sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, deshalb sprechen wir mit den Arbeitnehmervertretern intensiv über konstruktive Lösungen.

Um Spielraum zu gewinnen, will EnBW gut 5 Milliarden bis 2020 und 2,7 Milliarden Euro davon bis 2016 desinvestieren. Wann verkaufen Sie die Stadtwerke Düsseldorf, an denen EnBW knapp 55 Prozent hält?

Mastiaux Zunächst zu den Grundsätzen: Die geplanten Desinvestitionen umfassen nicht nur Beteiligungsunternehmen, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch den Verkauf von Anteilen z.B. an Netzen und Windparks. Grundsätzlich stehen aber alle Beteiligungen auf dem Prüfstand. Ob und wann wir verkaufen hängt nicht zuletzt von den konkreten Opportunitäten ab. Macht ein Investor ein attraktives Angebot, werden wir es prüfen. Somit ist dies immer eine Einzelfallbetrachtung.

Passen die Stadtwerke überhaupt in Ihre Strategie? Sie wollen sich doch im Südwesten stärken.

Mastiaux Was strategisch passt, ist nicht nur eine Frage der Geographie. Wir sind ja nicht nur in Baden-Württemberg aktiv. Unabhängig davon liefern die Stadtwerke Düsseldorf Jahr für Jahr eine verlässliche Dividende ab...

Düsseldorf baut ein neues Gaskraftwerk. Macht das jemals Gewinne?

Mastiaux Davon gehe ich aus, denn in diesem Fall haben wir erstens eine Fernwärmeauskopplung und zweitens ein gutes Gasbezugskonzept. Das verändert die Lage eindeutig zum Positiven.

Was halten Sie von der Idee, dass der Staat die Abwicklung der Atommeiler übernimmt und die Konzerne im Gegenzug ihre Rückstellungen an einen Fonds überweisen?

Mastiaux Diese Idee ist ja nicht neu und in den vergangenen Jahren mehrfach diskutiert worden. In der jüngsten Zeit leider mit dem Vorwurf, dass die Energieversorger sich aus der Verantwortung stehlen wollen. Die Verantwortungen sind jedoch vom Gesetzgeber klar geregelt. Die Betreiber sind z.B. verantwortlich für den sicheren Betrieb und den Rückbau, der Staat jedoch für die Bereitstellung von Endlagern für den Atommüll. Das eine geht nicht ohne das andere, und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Den Ausstieg aus der Atomkraft müssen Energieunternehmen und Politik gemeinsam und in enger Zusammenarbeit lösen. Dafür braucht es ein Gesamtkonzept.

Hätten Sie das Geld denn flüssig?

Mastiaux EnBW hat zum Stichtag 31. Dezember 2013 rund 7,7 Milliarden Euro Rückstellungen für Kernenergieverpflichtungen gebildet. Dieses Geld ist überwiegend in Finanzanlagen angelegt, die unabhängig sind vom operativen Geschäft. Diese Rückstellungen werden u.a. regelmäßig von unabhängigen Wirtschaftsprüfern geprüft.

Haben Sie auch wie RWE und Eon den Staat wegen des Moratoriums oder der Brennelementesteuer verklagt? Und gab es Geld zurück?

Mastiaux Wir haben ebenso wie die anderen betroffenen Unternehmen gegen die Kernbrennstoffsteuer geklagt. Das für die EnBW zuständige Finanzgericht in Freiburg hat die Verfahren der EnBW bis zu einer Entscheidung der höchsten Gerichte ausgesetzt.

Wann ist EnBW kein Atomkonzern mehr?

Mastiaux Geplant ist, dass Philippsburg 2019 vom Netz geht, Neckarwestheim 2022. Immer vorausgesetzt, dass die Wirtschaftlichkeit des Betriebes auch gewährleistet ist, denn der Verfall der Börsenpreise drückt inzwischen auch massiv auf die Margen der Kernkraftwerke.

Davon spüren die Verbraucher nichts. Wann senken Sie die Preise?

Mastiaux Um eine Grundversorgung sicher zu stellen, und dies ist für die Mehrzahl der Privatkunden unsere Aufgabe, müssen wir auf zwei oder sogar drei Jahre im Voraus Strom sicher einkaufen, und zwar zu den dann aktuellen Preisen. Den Strom heute bieten wir also auf Basis der Börsenpreise vor z.B. zwei Jahren an. Die heute aktuellen Börsenpreise können wir folglich erst mit entsprechender Verzögerung weitergeben. Abgesehen davon bestimmen diese Börsenpreise den Strompreis, den die Verbraucher zahlen müssen, nur zu etwa 30 Prozent. Die anderen 70 Prozent sind regulierte Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben, insbesondere die EEG-Umlage. Von der Entwicklung dieser regulierten, staatlichen Preisbestandteile hängt es also in stärkerer Weise ab, wohin der Strompreis für die Verbraucher geht.

Das Gespräch führte Antje Höning.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort