"Goldener Windbeutel" für Milchschnitte Ferrero ignoriert Verbraucher-Kritik

Frankfurt/Main (RPO). Ein als "Milch-Schnitte" verkleideter Mann steht vor der Ferrero-Zentrale in Frankfurt am Main. Er hält ein Schild mit der Aufschrift "Ich will keine Werbelüge mehr sein." Eben dazu wurde das Produkt gewählt - die "Milch-Schnitte" ist die dreisteste Werbelüge 2011. Die Firma lässt durch ausrichten, dass die Geschäftsführung den Preis nicht annehme und auch nicht für Gespräche bereitstünde.

Goldener Windbeutel 2011: Die Nominierungen für den dreistesten Etikettenschwindel bei Lebensmitteln
16 Bilder

2011: "Goldener Windbeutel" für dreiste Werbelügen

16 Bilder

So sehen es zumindest 51.000 von 118.000 Verbrauchern, die den Schoko-Milch-Riegel in einer von der Verbraucherorganisation Foodwatch initiierten Online-Abstimmung gewählt haben. Dafür wird Ferrero am Freitag der "Goldene Windbeutel" verliehen.

Die verkleidete "Milch-Schnitte" will gemeinsam mit der Leiterin der Foodwatch-Kampagne gegen Etikettenschwindel, Anne Markwardt, den Preis übergeben. Die Süßigkeit wolle zurück zum Hersteller, weil sie bei den Verbrauchern durchgefallen sei, sagt Markwardt. Der Mann im Kostüm erklärt vor dem Ferrero-Hochhaus: "Ich will hier erst wieder raus, wenn ich ein ehrliches Produkt bin".

Mehr Kalorien als ein Stück Schoko-Sahnetorte

Markwardt kritisiert: "Die Ferrero-Manager täuschen ihre Kunden nach Strich und Faden, wenn sie ein solches Produkt als sportlich-leichte Zwischenmahlzeit bewerben." Die "Milch-Schnitte" habe mehr Zucker, mehr Fett und mehr Kalorien als ein Stück Schoko-Sahnetorte. "Wenn Ferrero ehrlich wäre, dann würden sie das Produkt als Süßigkeit oder Torte bewerben."

Vor der Konzernzentrale warten Markwardt, die "Milch-Schnitte" und weitere Foodwatch-Mitarbeiter jedoch vergeblich auf eine Reaktion des Unternehmens. Unbemerkt bleiben sie aber nicht: Zahlreiche Ferrero-Angestellte beobachten von ihren Bürofenstern aus die geplatzte Preisübergabe. Die Firma lässt durch einen Mitarbeiter des Empfangs ausrichten, dass die Geschäftsführung den Preis nicht annehme und auch nicht für Gespräche bereitstünde. In einer Presseerklärung teilt das Unternehmen mit, es gebe keine Hinweise, dass die Verbraucher die Werbung als irreführend empfänden. "Wir stimmen den Vorwürfen von Foodwatch daher keinesfalls zu und nehmen den Negativaward nicht an."

Urkunde geht per Einschreiben an Ferrero

Markwardt zeigt sich nach der gescheiterten Preisübergabe enttäuscht. Es sei beschämend für einen so großen Konzern, diese Verbraucherkritik nicht ernst zu nehmen. Den mitgebrachten "Goldenen Windbeutel" nimmt sie wieder mit. Der werde nur persönlich an die Geschäftsführung übergeben, sagt sie. Der Versuch, wenigstens die dazugehörige Urkunde am Firmentor stehen zu lassen, scheitert auch. Der Empfangsmitarbeiter erklärt, diese werde ebenso wie der Preis nicht angenommen. Ganz ohne plastische Erinnerung an den Negativpreis will Foodwatch das Unternehmen jedoch nicht lassen. Markwardt kündigt an, die Urkunde per Einschreiben an Ferrero zu schicken.

Der Portier richtet zudem von der Geschäftsleitung aus, dass Foodwatch gerne per Mail Kontakt aufnehmen könne. Markwardt kündigt an, dieses Angebot zu nutzen. Der Mann nimmt zudem 7.000 von Foodwatch gesammelten Unterschriften von Verbrauchern mit Kritik an der "Milch-Schnitte" entgegen. Laut Foodwatch hatte Ferrero die Zuschriften alle schon einmal erhalten, bislang aber noch keine beantwortet. Markwardt sagt, sie erwarte nun, dass sich der Konzern bewege. Die demonstrierende "Milch-Schnitte" muss mit ihrem Werbelügen-Schild aber vorerst ungehört von dannen ziehen.

(apd/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort