Starke Rivalen wie Tiktok Facebook wächst nicht mehr - Aktie nach Anlegerschock im Sturzflug

Menlo Park · Verliert Facebook die Initiative an den jungen Rivalen Tiktok? Auf jeden Fall ging zuletzt die Zahl der täglich aktiven Nutzer beim Online-Netzwerk zurück. Anleger lassen die Aktie einbrechen.

Facebook-Mitarbeiter machen ein Foto mit dem Logo des Unternehmens vor dem Hauptsitz in Menlo Park

Facebook-Mitarbeiter machen ein Foto mit dem Logo des Unternehmens vor dem Hauptsitz in Menlo Park

Foto: dpa/Tony Avelar

Facebook hat ein Tiktok-Problem: Das weltgrößte Online-Netzwerk hat im vergangenen Quartal erstmals kaum neue Nutzer dazugewonnen. Anleger reagierten schockiert. Der Facebook-Konzern Meta verlor am Donnerstag rund ein Viertel seines Werts. Damit lösten sich mehr als 220 Milliarden Dollar Börsenwert in Luft auf - ein Rekord. Das ist gut fünfmal mehr als der Rivale Snapchat zurzeit überhaupt auf die Börsenwaage bringt.

Auslöser für den Kurssturz waren der erste Rückgang bei der Zahl täglich aktiver Facebook-Nutzer und die Enttäuschung der Anleger über die Umsatzprognose für das laufende Quartal. Nach dem Rückgang um 24,8 Prozent auf knapp 243 Dollar war Facebook im frühen US-Handel noch rund 676 Milliarden Dollar wert.

Die Zahl täglich aktiver Mitglieder sank binnen drei Monaten um rund eine Million. Bei monatlicher Aktivität gab es ein für Facebook-Verhältnisse mageres Plus von zwei Millionen.

Gründer und Chef Mark Zuckerberg verwies auf Konkurrenz durch die Video-App Tiktok. „Die Leute haben jede Menge Auswahl, wie sie ihre Zeit verbringen wollen - und Apps wie Tiktok wachsen sehr schnell“, sagte er in einer Telefonkonferenz. Auch seine Plattform werde fortan noch stärker auf kurze Videos setzen, gab der 37-Jährige die Marschrichtung vor.

Der Konzern entwickelte dafür den hauseigenen Tiktok-Konter Reels. Der neue Fokus werde zunächst auf die Erlöse drücken, räumte Zuckerberg ein. Denn Reels-Anzeigen seien weniger lukrativ als etwa der Platz im Newsfeed der Nutzer. Doch das sei auf lange Sicht der richtige Schritt für die Plattform.

Der Kurssturz am Donnerstag war ein Zeichen dafür, dass Zuckerberg die Anleger mit seinen Zusicherungen, Meta werde das Problem in Griff bekommen, nicht überzeugen konnte.

Facebook starte zur Aufholjagd aus einer ungünstigen Position, warnte Analyst Mike Proulx von Forrester Research. Der Konzern müsse nicht nur junge Nutzer zurückgewinnen, sondern auch lernen, mit den Reels-Videos besser Geld zu verdienen. „Einfach nur die Funktionen von Tiktok zu kopieren, wird nicht reichen.“

Die Alarmsignale häuften sich in vielen Bereichen. Ein Rückgang der Zahl täglich aktiver Nutzer von 1,93 Milliarden auf 1,929 Milliarden mag nicht wie eine große Sache wirken. Aber noch im Vierteljahr davor war der Wert um 22 Millionen gestiegen - und um 30 Millionen im zweiten Quartal 2021. Facebook verfehlte auch die Erwartungen der Experten, die von 1,95 Milliarden täglich aktiven Nutzern ausgegangen waren.

Der Facebook-Konzern Meta zählt auch, wie viele Nutzer mindestens eine seiner Apps nutzen - dazu gehören etwa WhatsApp und Instagram. Mit einem Plus von zehn Millionen auf 2,82 Milliarden täglich fiel auch hier das Wachstum ungewöhnlich niedrig aus. Im Vierteljahr davor waren noch 50 Millionen dazugekommen.

Facebook hatte in der Pandemie die Anleger mit üppigen Wachstumsraten verwöhnt. Auch daher schlug die Prognose von 27 Milliarden bis 29 Milliarden Dollar Umsatz im laufenden Quartal besonders hart ein. Denn sie bedeutet, dass die Erlöse im Jahresvergleich vielleicht nur um drei Prozent wachsen werden.

Meta verwies zur Begründung auch einmal mehr auf Apples Maßnahmen für mehr Privatsphäre auf dem iPhone, die das Facebook-Geschäft schon seit Monaten bremsen. Man rechne damit, dass dies den Konzernumsatz in diesem Jahr um 10 Milliarden Dollar drücken werde, sagte Finanzchef Dave Wehner.

App-Anbieter wie Facebook müssen iPhone-Nutzer seit dem vergangenen Jahr fragen, ob sie zu Werbezwecken ihr Verhalten quer über verschiedene Dienste und Websites nachverfolgen dürfen. Sehr viele iPhone-Kunden lehnen dies ab.

Dadurch kann Facebook schlechter die Anzeigen auf einzelne Nutzer zuschneiden. Das zentrale Geschäftsmodell des Konzerns ist aber, Anzeigen exakt den von Werbekunden gewünschten Zielgruppen zu zeigen. Mit dem Nein der iPhone-Nutzer zum Tracking wurde es für den Konzern schwieriger, sowohl Informationen über Interessen der Nutzer zu sammeln als auch den Erfolg der Werbekampagnen zu messen.

Die Worte des Finanzchefs erweckten zudem den Eindruck, Meta lote eine Beschwerde mit dem Vorwurf unfairen Wettbewerbs aus. Die Einschränkungen seien auf Apps zugeschnitten, während im Webbrowser zum Beispiel Suchmaschinen weiter Zugang zu mehr Informationen für die Personalisierung von Werbung hätten, kritisierte Wehner.

„Wir glauben, dass Googles Geschäft mit Suchmaschinen-Anzeigen im Vergleich zu Diensten wie unserer profitiert haben könnte“, sagte er. Und die Milliarden, die Apple jedes Jahr von Google bekomme, seien ein Anreiz, diese „Diskrepanz“ fortzuführen. Google zahlt dafür, als Standard-Suchmaschine in Apples Webbrowser Safari voreingestellt zu sein. Nutzer können die Suchmaschine jederzeit ändern.

Meta veröffentlichte auch erstmals ausführlichere Zahlen zu seinem Geschäft mit virtueller Realität. Daraus soll mit der Zeit die digitale Welt Metaverse entstehen, in der Zuckerberg die ferne Zukunft des Konzerns sieht. Im vergangenen Quartal legte der Umsatz der Sparte „Reality Labs“ im Jahresvergleich von 717 Millionen auf 837 Millionen Dollar zu.

Zugleich stieg auch der operative Verlust von rund 2,1 Milliarden auf 3,3 Milliarden Dollar. Im gesamten vergangenen Jahr häufte die Sparte rote Zahlen von mehr als 10 Milliarden Dollar an, unter anderem für Forschung und Entwicklung. Und Finanzchef Wehner stellte in Aussicht, dass die Ausgaben in diesem Jahr weiter steigen werden.

Der Konzernumsatz wuchs unterdessen im vergangenen Quartal im Jahresvergleich um ein Fünftel auf knapp 33,7 Milliarden Dollar (29,8 Mrd Euro). Unterm Strich sank der Gewinn um acht Prozent auf knapp 10,3 Milliarden Dollar.

(zim/dpa)
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