Warum die Preise steigen Experten befürchten bald fünf Prozent Inflation

Berlin (RP). Ökonomen schließen in den nächsten Jahren Preissteigerungen von bis zu fünf Prozent pro Jahr nicht mehr aus. Doch was bedeutet Inflation eigentlich? Und warum ist sie sogar gut für die Wirtschaft?

Ökonomen erinnern derzeit gerne an 1923. Damals wurden die Deutschen über Nacht zu Milliardären. Auf dem Papier zumindest. In Wirklichkeit ließ die große Inflation die Menschen verarmen. Kellner bekamen Trinkgelder von Hunderten Millionen Mark und konnten sich doch nichts kaufen — das Geld war nichts wert. Heute ist das Schreckgespenst Inflation wieder da.

In den USA erreichte die Teuerungsrate den Rekordwert von 5,0 Prozent. Ökonomen halten das auch in Europa für realistisch? "Die USA exportiert die Inflation, die Energiepreise steigen. Mittelfristig ist das hier möglich", sagt Michael Burda, Ökonom an der Humboldt-Universität. Was bedeutet das für Wirtschaft und Gesellschaft? Die wichtigsten Fragen:

Was ist Inflation?

Einfach formuliert: Preisanstieg. Egal ob die Kugel Eis oder der Liter Benzin teurer wird — das Geld der Bürger ist weniger wert. Aktuell liegt die Inflationsrate in Deutschland bei 3,3 Prozent, der höchste Wert seit 15 Jahren.

Wer misst die Inflation?

Das Statistische Bundesamt errechnet die Inflationsrate monatlich anhand eines virtuellen Warenkorbs, der die 750 am häufigsten gekauften Produkte enthält. Darunter alltägliche Produkte wie Milch und Benzin, aber auch MP3-Player oder das Glas Bier in der Kneipe.

Warum steigen die Preise?

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedmann definierte die Inflation als Geldmengenproblem. Je mehr Geld bei einem gleichbleibenden Angebot von Waren und Gütern im Umlauf ist, desto höher ist die Inflation. 1923 konnte man das gut beobachten. Die Reichsbank brachte massiv Noten in Umlauf, Unternehmen druckten Geld, um ihre Arbeiter zu bezahlen. So verfiel der Wert rapide. Heute sind die weltweit gestiegene Nachfrage nach Lebensmitteln und die Rekord-Rohstoffpreise Ursachen für die hohe Inflation.

Welche Rolle spielen die Notenbanken?

Eine große. Ihr einziger gesetzlicher Auftrag ist es, die Inflation niedrig zu halten, also Preisstabilität zu garantieren. Wie das geht? Die Zentralbank, für Europa ist das die EZB, steuert Geldmenge und Zinsniveau. Wenn sie die Leitzinsen erhöht, wie vor wenigen Tagen geschehen, wird Geld leihen teurer. Die Kreditkosten für Unternehmen und Verbraucher steigen, das dämpft Investitionen, Konsum und so den Preisauftrieb. Mit dieser Politik hält die EZB die Preissteigerung bei rund drei Prozent. Das ist hoch, würgt die Wirtschaft aber noch nicht ab. In den USA hat die US-Notenbank Fed diese Spielräume nicht mehr. Die Zinsen liegen bereits am Boden, der Leitzins wurde von 5,25 auf 2,0 Prozent gesenkt, um mit billigem Geld Konsum und Investitionen in der schwächelnden US-Wirtschaft anzukurbeln. Jetzt hat Fed-Chef Ben Bernanke keine Handhabe mehr gegen die galoppierenden Preise. "Die Fed steckt strategisch in der Zwickmühle", sagt Ökonom Burda.

Wen trifft die Inflation?

Grundsätzlich alle. Menschen mit geringerem Einkommen leiden aber besonders, weil sie überproportional viel Geld für unverzichtbare Produkte wie Energie und Lebensmittel ausgeben. Diese sind besonders teuer geworden. Der Schweizer Statistik-Professor Wolfgang Brachinger hat errechnet, dass für diese Einkommensgruppen schon jetzt eine Inflation von fünf Prozent gilt. Die Inflation schadet den Schwachen. Wer vom Geldlohn lebt, spürt, wie Sparbücher, Renten und Lebensversicherungen verfallen. Wer Gold, Immobilien oder Land besitzt, ist besser dran.

Wer profitiert?

Vor allem Finanzminister Peer Steinbrück. Als größter Schuldenmacher freut sich der Staat über die rasende Geldentwertung, denn sie wirkt wie ein Sparpaket. Durch die Inflation ist die Bundesschuld 45 Milliarden Euro weniger wert.

Warum ist Inflation gut?

Eine moderate Preissteigerungsrate hält die Wirtschaft bei Laune. Höhere Preise signalisieren die Knappheit der Güter in der Volkswirtschaft. Relative Preisunterschiede zeigen an, welche Produkte gefragt sind, also verstärkt produziert werden sollten, und welche nicht. Das funktioniert aber nur begrenzt: Wenn, wie 1923, ein Liter Milch 8,6 Milliarden Mark kostet, hat der Preis natürlich keine Signalfunktion mehr.

(RP)
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