Gericht kippt Ölpreisbindung für Privatkunden Experte: Nur wenige profitieren vom Gas-Urteil

Karlsruhe (RPO). Die Gaspreise für Privatkunden dürfen nicht unmittelbar an den Ölpreis gekoppelt werden. Das hat der BGH am Mittwoch entschieden. Theoretisch können Privatkunden jetzt Geld zurück verlangen. Ein Experte warnt aber vor überhöhten Erwartungen. Nur ein kleiner Teil der privaten Verbraucher habe entsprechende Verträge.

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Foto: ddp

Karlsruhe (RPO). Die Gaspreise für Privatkunden dürfen nicht unmittelbar an den Ölpreis gekoppelt werden. Das hat der BGH am Mittwoch entschieden. Theoretisch können Privatkunden jetzt Geld zurück verlangen. Ein Experte warnt aber vor überhöhten Erwartungen. Nur ein kleiner Teil der privaten Verbraucher habe entsprechende Verträge.

Die Bindung ermögliche es den Energieversorgern, über die Abwälzung konkreter Kosten hinaus zusätzliche Gewinne zu erzielen, entschied der Bundesgerichtshof am Mittwoch. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Einem Gerichtssprecher zufolge sind von dem Urteil weite Teile des gesamten Marktes betroffen.

Folge des Urteils ist, dass Gaskunden mit einer alleinigen Ölpreis-Bindung künftige Preiserhöhungen verweigern können. Denn bei einer ungültigen Klausel gibt es keinen rechtlichen Erhöhungsgrund. Ob bereits gezahlte Erhöhungen zurückgefordert werden können, hängt vom Einzelfall ab.

Die Auswirkungen für private Verbraucher schätzt Thorsten Storck vom Verbraucherportal Verivox allerdings gering ein. "Man weiß nicht genau, wer solche Verträge hat", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion.

Der Erfahrung nach beträfe dies nur einen kleinen Teil der Privatkunden - im Gegensatz zu den Gewerbekunden. Verträge mit Bindung an den Ölpreis seien noch nicht sehr weit verbreitet. "Wenn es das heutige Urteil nicht gegeben hätte, wäre dies die Preisanpassung der Zukunft gewesen", urteilt Storck.

Theoretisch, so Storck, könnten Kunden mit solchen Verträgen Geld zurückverlangen. "Das ist allerdings schwierig, denn sie müssten eine Preiserhöhung bekommen haben, und die Gaspreise sind ja in letzter Zeit gesunken." Für die Gaswirtschaft ist das Urteil laut Storck dagegen bedeutsamer: "Denn sie wissen jetzt, dass sie mit einer solchen Klausel keine Rechtssicherheit erreichen."

Gasversorger, die bisher Ölpreisbindungsklauseln verwendeten, müssen für die Zukunft neue Verträge abschließen. Die im konkreten Fall beklagten Stadtwerke Dreieich kündigten das auch unmittelbar nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe an. Nach Angaben des Geschäftsführers Wolfgang Lammeyer sind rund 8000 ihrer Kunden von der jetzt für unwirksam erklärten Klausel betroffen.

Gericht: Unzulässige Profite

Mit dem Urteil hatten die Klage einer Verbraucherorganisation und mehrerer Privatkunden Erfolg. In den beiden entschiedenen Fällen hatten die Rheinenergie AG und die Stadtwerke Dreieich Gaspreise an die Preise für extra leichtes Heizöl gekoppelt, die monatlich vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden.

Das Gericht beurteilte diese Preisänderungsklausel als Benachteiligung für die Kunden. Unzulässige Profite seien möglich, weil mögliche Kostensenkungen bei Netz und Vertrieb nicht berücksichtigt würden.

Die Energiekonzerne überprüften bisher regelmäßig den aktuellen Preis für leichtes Heizöl und passen die Gaspreise nach dessen Verlauf an. Der Bund der Energieverbraucher sah darin eine unangemessene Benachteiligung der Endverbraucher.

Denn es sei nicht zwingend, dass die Kosten der Gasversorger entsprechend den Heizölpreisen steigen. Sie könnten sich durch die direkte Anbindung aber zusätzliche Gewinne verschaffen.

Unstreitig ist, dass Gasversorger ihre tatsächlichen Kostensteigerungen an den Endverbraucher weitergeben dürfen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass dem Kunden auch Preissenkungen zugutekommen. Gaspreisklauseln, die die Weitergabe gestiegener oder verminderter Kosten an den Endverbraucher regeln, sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH gültig.

Langfristige Verträge

Die Koppelung der Gas- an die Ölpreise beruhte auf Vereinbarungen zwischen Gasproduzenten, Lieferanten und Gasversorgern. In den in den 1960er Jahren abgeschlossenen langfristigen Verträgen wurde teils für Jahrzehnte festgelegt, dass sich die Gaspreise am jeweiligen Ölpreis orientieren.

Die sogenannte Ölpreisbindung ist auch heute noch Teil vieler Gaslieferverträge für Endkunden. Danach steigen bei höheren Ölpreisen - oder genauer: den Preisen für extra leichtes Heizöl - automatisch und mit einer kurzen zeitlichen Verzögerung auch die Preise für Gas.

Wettbewerbsrechtlich angreifbar ist die Koppelung nach der Bewertung des Bundeskartellamtes nicht. Allerdings haben die Wettbewerbshüter 2005 ein Verbot der bis dahin üblichen langfristigen Gaslieferverträge durchgesetzt. In den nun nur noch erlaubten kurzfristigeren Verträgen ist die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis im Prinzip nicht mehr nötig, und das Bundeskartellamt beobachtet auch einen Rückgang der Koppelung.

Ob allerdings eine Entkoppelung vom Öl die Gaspreise sinken lassen würde, ist nach Einschätzung von Experten fraglich. Gaspreise sind in den vergangenen Jahren auch in Ländern gestiegen, in denen es die Ölpreisbindung nicht gibt. Unter Umständen kann die Koppelung nach Ansicht von Fachleuten sogar einen dämpfenden den Einfluss haben.

International übliche Koppelung bleibt

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte, unmittelbare Preissenkungen seien durch den Richterspruch nicht zu erwarten. "Entscheidend ist, dass wir mehr Wettbewerb in den Markt bekommen. Das BGH-Urteil hat die Bedingungen dafür verbessert", sagte Vorstand Gerd Billen.

Dagegen hält der Hausbesitzerverein Haus & Grund sogar Rückerstattungen für betroffene Gaskunden für möglich. Ebenso wie der Mieterverein begrüßten die Hausbesitzer das Urteil als wichtigen Schritt hin zu einer marktgerechten Preisbildung auf dem Gasmarkt. "Zu Recht weist der BGH darauf hin, dass dies bisher nicht der Fall ist", kommentierte Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstrich, dass der BGH "keineswegs über die international übliche Kopplung der Gaspreise an die Erdölpreise entschieden hat oder irgendwelche Aussagen über die Höhe von Gaspreisen getroffen wurden". Das gilt für die Geschäftsbeziehungen zwischen Gaserzeugern und den Energieversorgungsunternehmen. Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck wies zudem darauf hin, dass sich der Gasmarkt in den letzten Jahren deutlich verändert habe. Inzwischen gebe es Wettbewerb.

(apd/AFP/das)
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