NRW-Chemieunternehmen starten Hilfslieferungen Evonik holt Mitarbeiter aus Ukraine und Russland

Essen · Konzern-Chef Kullmann begrüßt die Sanktionen. Evonik will Russland aber nicht den Rücken kehren und weiter Futterstoffe liefern. „Das Regime ist der Feind, nicht die Bevölkerung“, so Kullmann. Evonik prüft, seine Kohlekraftwerke in Marl länger laufen zu lassen.

 Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Vorstellung der Bilanz 2021.

Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Vorstellung der Bilanz 2021.

Foto: Evonik Industries AG/Frank Preuss

Der Krieg gegen die Ukraine entsetzt auch den Chemiekonzern Evonik: „Wir sind schockiert vom Krieg zwei Flugstunden von uns entfernt“, sagte Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Vorstellung der Bilanz für 2021. „Wer einen solchen Krieg beginnt, ist nicht unser Gegner, sondern unser Feind“, sagte er mit Blick auf das Regime in Moskau.

Auf die Ukraine entfallen 0,1 Prozent des Umsatzes. Seine wenigen Mitarbeiter dort holt Evonik nun heraus. Eine Mitarbeiterin konnte bereits über Dubai nach Deutschland kommen. Auch die deutschen Mitarbeiter aus Russland fliegt der Konzern aus. „Wir tun alles, um die Mitarbeiter herauszuholen.“

Evonik macht in Russland gut ein Prozent seines Umsatzes (knapp unter 200 Millionen Euro) und hat dort 60 Mitarbeiter. Der Konzern verkauft vor allem Zusatzstoffe (Methionin) für Tierfutter. „Das braucht die Bevölkerung, darum werden wir uns aus Russland auch nicht zurückziehen“, erklärte Kullmann. „Unser Feind ist das Regime, nicht die russische Bevölkerung.“

Evonik unterstützt die Kehrtwende von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der Energiepolitik und die westlichen Sanktionen: „Um den Krieg zu beenden, sind die Wirtschaftssanktionen notwendig“, so Kullmann. Auch wenn sie die Unternähmen träfen, seien Sanktionen ohne Alternative. Dazu gehöre auch der Stopp der Pipeline Nord Stream 2, die Kullmann bislang als notwendig verteidigt hat. „Nord Stream 2 wäre gut gewesen, doch in dieser Lage können wir sie nicht in Betrieb nehmen.“ Die teilweise Blockade russischer Banken von Swift beeinträchtigt Evonik nicht: Man können Zahlungen noch abwickeln, sagte Finanzvorständin Ute Wolf.

Zugleich startet Kullmann in seiner Eigenschaft als Präsident des Verbands der chemischen Industrie (VCI) eine Hilfsinitiative für die Menschen in der Ukraine: Die deutsche Chemie-Industrie bereitet Hilfslieferungen mit Unterstützung der Organisation Action Medeor vor. Das haben Kullmann und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei einem Treffen vereinbart. Evonik selbst werde eine Million Euro spenden, viele Chemieunternehmen hätten ihre Unterstützung bereits zugesagt, so Kullmann. Der VCI bietet wie zu Beginn der Corona-Krise eine Plattform zur Organisation der Spenden an, Wüst soll Schirmherr der Aktion werden.

Noch liefert Russland Gas. Doch um bei drohenden Energieengpässen unabhängiger zu sein, prüft Evonik nun, seine Kohlekraftwerke am Standort Marl länger als geplant laufen zu lassen. Hier hatte der Konzern sich eigentlich schon sozialverträglich von Mitarbeitern getrennt. Der Strom soll am Standort (10.000 Mitarbeiter von Evonik und anderen Firmen), aber auch bundesweit genutzt werden können.

Die eigentliche Bilanz von Evonik rückte wie bei anderen Unternehmen in den Hintergrund. „Wir haben ein richtig starkes Ergebnis eingefahren“, sagte Kullmann. 2021 stieg der Umsatz um 23 Prozent auf 15 Milliarden Euro, in allen Divisionen gab es eine starke Nachfrage. Höhere Rohstoffkosten konnte der Konzern meist an die Kunden weitergeben. Der Gewinn (Ebitda) legte um 25 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro zu. Evonik will nun seine Dividende leicht auf 1,17 Euro je Aktie anheben. Das freut auch die RAG-Stiftung, die weiter größter Anteilseigner ist. 2022 erwartet Evonik ein noch besseres Jahr – die Folgen des Krieges sind aber noch nicht absehbar.

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