Hängepartie in Essen Evonik-Börsengang vertagt
Essen · Aus dem milliardenschweren Börsengang des Chemiekonzerns Evonik wird vorerst nichts. Das Kuratorium der RAG-Stiftung, die knapp 75 Prozent an Evonik besitzt, legte am Sonntag nicht wie geplant die Preisspanne für die neue Aktie fest, sondern beschloss, weitere Gespräche mit Investoren zu führen.
Denn wie Stiftungs-Chef Wilhelm Bonse-Geuking einräumen musste, wird Evonik derzeit von den Banken nur mit 11 bis 12 Milliarden Euro bewertet, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Als Mindestwert für einen Börsengang hatte die Stiftung bislang 15 Milliarden Euro verlangt.
Am kommenden Montag soll das Kuratorium erneut tagen und endgültig den Daumen heben oder senken. Mit dieser zeitlichen Verzögerung ist die zunächst für den 25. Juni geplante Erstnotiz der Evonik-Aktie nicht mehr zu schaffen.
Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Börsengang für diesen Sommer ganz abgesagt wird. Eine angemessene Bewertung der Evonik sei Voraussetzung für den Börsengang, teilte die Stiftung nach der gestrigen Telefonkonferenz des Kuratoriums mit. Daran nahmen unter anderem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Wirtschaftsminister Philipp Rösler teil.
Geleitet wurde die Sitzung von Gewerkschafts-Chef Michael Vassiliadis. "Kuratorium und Vorstand der Stiftung sind sich einig, dass hierüber kurzfristig Klarheit geschaffen werden muss, andernfalls wird der IPO (Börsengang, d. Red.) der Evonik abgebrochen", teilte die Stiftung mit.
Die RAG-Stiftung muss ab 2019 für die Ewigkeitslasten des Bergbaus wie das Abpumpen der Gruben aufkommen. Dazu soll sie einen Kapitalstock anlegen, der unter anderem aus dem Börsengang der Evonik gespeist wird. Deshalb soll das Unternehmen auch nur dann an die Börse, wenn es genug Geld einbringt. Danach sieht es derzeit aber nicht aus.
Bislang hatten die Banken Evonik als Spezialchemie-Unternehmen eingestuft, das die Börsen sehr hoch bewerten und für Evonik mindestens einen Wert von 15 Milliarden bedeutet hätte, heißt es. Nun aber stufen die Banken plötzlich Evonik als breit aufgestelltes Chemie-Unternehmen wie BASF ein und schätzen seinen Wert nur noch auf 11 bis 12 Milliarden Euro, wie Bonse-Geuking offenbaren musste.
Nun soll mit den Banken in dieser Woche noch einmal darüber geredet werden, ob sie bei ihrer Einschätzung bleiben. Hinzukommt, dass wegen der Unsicherheit der Finanzmärkte noch nicht einmal sicher ist, ob die elf Milliarden überhaupt erreicht würden.
Einige Kuratoren reagierten ernüchtert auf den Vortrag von Bonse-Geuking, hieß es. Sie hätten auch kein Problem damit, den Börsengang ganz abzusagen. Zumal die Dividende, die der Essener Konzern an die RAG-Stiftung ausschüttet, noch groß genug ist, um die jährlich anfallenden Ewigkeitskosten zu finanzieren. Allerdings gilt das als riskant, weil niemand weiß, welche Gewinne Evonik in der "Ewigkeit" machen wird.