Berlin/Erfurt Neue Runde im Machtkampf bei der Bahn

Berlin/Erfurt · Die Lokführer- und die Zugbegleitergewerkschaft wollten mit dem Konzern ausloten, wie es mit den Verhandlungen weitergehen soll. Doch die Gespräche scheiterten. Für die Kunden bedeutet dies eine steigende Streikgefahr.

Verspätung wegen Bahnstreik: Das sind Ihre Rechte
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Foto: dpa, rwe htf

Manchmal hilft es, wenn Streithähne im geschlossenen Kämmerlein über die strittigen Punkte sprechen. Bahn-Manager Ulrich Weber, der Chef der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, und der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, haben gestern in Berlin bei einem Spitzengespräch versucht, den Großkonflikt bei der Bahn auszuräumen. Bis in die Nacht rangen die drei um eine Lösung — vergeblich, wie sich am Ende zeigte.

Es ging insbesondere um die Frage, wie künftig Verhandlungen zwischen dem Konzern und den konkurrierenden Gewerkschaften ablaufen können, ohne dass dies zu einem Chaos in der Bahn-Personalabteilung führt. Doch das dürfte programmiert sein. Schließlich wird der Konzern künftig verschiedene Tarifverträge für dieselbe Tätigkeit bekommen. Das Bahn-Management erklärte die Abkehr von der bisherigen Ablehnung getrennter Tarifverhandlungen so: "Wir brauchen für unsere Kunden und die gesamte Belegschaft jetzt eine vernünftige Lösung und keinen Dauerstreit zwischen zwei Gewerkschaft."

Am Freitag beginnen getrennt verlaufende Gespräche: Morgens zunächst mit der EVG, am Nachmittag folgt dann die Verhandlungsrunde mit der GDL. Groß waren die Erwartungen ohnehin nicht, hatte sich vor dem nächtlichen Spitzengespräch doch die EVG zurückhaltend geäußert. Die größere der beiden Gewerkschaften pocht auf Tarifverhandlungen nach dem Vorbild des öffentlichen Dienstes. Dort verhandeln der Deutsche Beamtenbund Tarifunion (DBB) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gemeinsam und schließen in der Regel gleichlautende Verträge ab. Die GDL sieht darin jedoch eine Einschränkung ihrer Verhandlungsfreiheit. Sie will nicht mehr ausschließlich für die Lokführer, sondern künftig auch für die von ihr organisierten Zugbegleiter, Bordgastronomen, Trainer und Disponenten verhandeln.

Mit der Entscheidung, getrennte Verhandlungen zu führen, steigt ab dem Wochenende auch wieder die Gefahr für neue Bahnstreiks weiter an — und das in doppelter Hinsicht. Denn neben der GDL hat auch die EVG signalisiert, dass sie ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrufen werde. Unterstützung erhielt die Bahn am Dienstag überraschend aus dem Lager des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dessen Chef Reiner Hoffmann erklärte, dass Deutschlands größter Gewerkschaftsdachverband nun doch das von der Bahn geforderte Gesetz zur Tarifeinheit unterstütze. Ein Entwurf des Bundesarbeitsministeriums sieht vor, dass die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern maßgeblich für den geltenden Tarifvertrag ist. Innerhalb des DGB ist das Vorhaben umstritten, weil die Mitglieder Verdi, NGG und GEW Eingriffe in das Streikrecht befürchten. Kritik kommt auch vonseiten der Wissenschaft:

Der Kölner Arbeitsrechtler Ulrich Preis erklärte, der Gesetzgeber schicke sich an, "Tarifpolitik und Tarifzensur zu betreiben". Preis rät der Koalition sogar dazu, "den Gesetzentwurf mangels Eignung zurückzuziehen". Mit Spannung dürfte das Management der Bahn am Dienstag auch nach Erfurt geblickt haben. Das dort ansässige Bundesarbeitsgericht entschied über eine Klage, ob ein Arbeitgeber seine Beschäftigten während eines Arbeitskampfes nach deren Gewerkschaftszugehörigkeit fragen darf. Seit Wochen argumentiert die Bahn im Tarifkonflikt, sie dürfe ja überhaupt nicht fragen, welcher Beschäftigte einem GDL- und welcher einem EVG-Tarifvertrag unterliege. Die GDL hatte mit ihrer Klage gegen ein bayerisches Nahverkehrsunternehmen versucht, eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, wonach Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit generell unzulässig sind. Denn so will die Lokführergewerkschaft verhindern, dass ihre Kampfstärke offengelegt wird. Doch die Richter wiesen die Klage der GDL ab (Az.: 1 AZR 257/13), da Gründe für eine solche Frage durchaus vorstellbar seien. Wann diese zulässig ist, ließen die Richter jedoch offen.

(RP)
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