Energiewende Ausbau des Stromnetzes verzögert sich

Berlin · Deutschland braucht 6100 Kilometer neue Leitungen, bislang sind erst 350 Kilometer gebaut. Nun kommt es zu neuen Verzögerungen, weil der Bund auf Druck der CSU vielfach auf Erdkabel setzt.

Energiewende: Ausbau des Stromnetzes verzögert sich
Foto: Netzagentur

Der Ausbau des Stromnetzes kommt nicht voran: Deutschland braucht 6100 Kilometer Leitungen, um trotz Energiewende alle Industriezentren und Verbraucher sicher mit Energie zu versorgen. Davon müssen 3800 Kilometer komplett neu verlegt werden. Bislang sind aber erst 350 Kilometer genehmigt und 65 Kilometer realisiert, wie aus dem aktuellen Bericht der Bundesnetzagentur hervorgeht.

Wozu braucht man Stromautobahnen? Durch die Energiewende verschiebt sich die Geografie der Versorgung. Bislang wurde Strom dort produziert, wo die großen Industriezentren sind. Deshalb liegen die meisten Atomkraftwerke in Süddeutschland. Bis 2022 werden die Meiler jedoch abgeschaltet. Dann ist die Wirtschaft im Süden auf viel mehr Windstrom aus Norddeutschland angewiesen. Entsprechend müssen zügig Gleichstrom-Leitungen gebaut werden, die die Windstrommengen rasch nach Bayern und Baden-Württemberg bringen.

Warum soll es plötzlich viele Erdkabel geben? Zunächst hatte die Bundesregierung vor allem auf Freileitungen gesetzt. Doch der Widerstand in der Bevölkerung gegen die oberirdischen und bis zu 70 Meter hohen Masten nahm zu, vor allem in Bayern. Freileitungen verändern die Landschaft. Umweltverbände warnen vor Elektrosmog. CSU-Chef Horst Seehofer, der sich von Freien Wählern gejagt sah, setzte sich an die Spitze der Proteste gegen die oberirdischen "Monster-Trassen". Darüber ließ er es sogar zum Koalitionskrach in Berlin kommen. Die Kanzlerin lenkte ein, es folgte 2015 das Erdkabel-Gesetz, das Vorfahrt für Erdleitungen festschreibt. Nun hat die Bundesnetzagentur öffentlich gemacht, welche Trassen künftig als Erdkabel verlegt werden.

Was heißt das für NRW? Durch Nordrhein-Westfalen werden zwei Gleichstrom-Autobahnen gehen: die Trasse Emden-Osterath ("Korridor A") und die Trasse Osterath-Philippsburg ("Ultranet"). Emden-Osterath soll ein Erdkabel bekommen und wird entsprechend erst 2025 fertig, Osterath-Philippsburg wird dagegen kein Erdkabel erhalten. Hier gibt es bereits Masten, die man nun für die neuen Leitungen nutzt. Die Trasse wird 2021 fertig.

Was ist das Probleme bei Erdkabeln? In regionalen Verteilnetzen (etwa vom Stadtwerk zum Endkunden) sind Erdkabel weit verbreitet. Ihr Einsatz in überregionalen Übertragungsnetzen, die große Mengen über weite Distanzen transportieren, bringt jedoch Schwierigkeiten mit sich, wie die Netzagentur einräumt. Der Bau ist aufwendiger und bis zu fünf Mal so teuer. Zudem gibt es anders als bei Freileitungen Probleme mit der Wärme: Da das Kabel von Erde umgeben ist, wird seine Wärme nur teilweise abgeführt. Das mindert den Stromfluss und die übertragbare Leistung. Zugleich gebe es keine Untersuchungen über die Folgen der Boden-Erwärmung für Natur und Landwirtschaft, so die Netzagentur.

Was erhofft sich die Politik? Dennoch verteidigte Netzagentur-Chef Jochen Homann den von Bund und Ländern gewollten Vorrang für unterirdische Kabel. "Erdkabel können uns helfen, Akzeptanz für den Netzausbau zu schaffen. Das Erdkabelgesetz verzögert den Netzausbau daher nicht, es macht ihn erst möglich", sagte Homann. Die Politik hofft, durch den Vorrang für Erdkabel Klagen zu verhindern, die sonst ihrerseits zu einer Verzögerung des Netzausbaus führen könnten.

Können Anwohner von Freileitungen auf Erdkabel hoffen? Auch bei bestehenden Freileitungen regt sich Widerstand. Doch der für NRW zuständige Netzbetreiber Amprion macht Anwohnern wenig Hoffnung, dass sie nun Erdkabel bekommen. "Wir müssen bei der Erdverkabelung zwischen Gleich- und Wechselstrom unterscheiden. Im Wechselstrom sind Erdkabel in Höchstspannung noch nicht Stand der Technik", so ein Sprecher. Hier müsse man erst noch Erfahrungen in Pilotprojekten sammeln.

(anh)
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