Hans-Peter Villis EnBW-Chef warnt vor schnellem Atomausstieg

(RP). EnBW-Chef Hans-Peter Villis sprach mit unserer Redaktion über den Atomausstieg, erneuerbare Energien und die dadruch entstehenden Herausforderungen für das Unternehmen. Hier finden Sie das komplette Interview im Wortlaut.

 Sein Unternehmen steht vir großen Herausforderungen: EnBW-Chef Hans-Peter Villis.

Sein Unternehmen steht vir großen Herausforderungen: EnBW-Chef Hans-Peter Villis.

Foto: dapd

Herr Villis, Sie weihen am Montag dieser Woche den neuen Windpark Baltic I ein. Was bedeutet dies?

Villis Die EnBW hält beim Ausbau der erneuerbaren Energien Kurs. Bestes Beispiel ist der Bau des ersten kommerziellen Offshore-Windparks in der deutschen Ostsee. Insgesamt wollen wir in den nächsten Jahren vier Offshore-Windparks bauen, die insgesamt rund 1200 Megawatt Leistung haben. Damit kommen wir unserem Ziel, den Anteil regenerativer Energie an unserer Stromerzeugung von jetzt rund 11 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen, spürbar näher.

Um den Atomausstieg vorzubereiten?

Villis Um die Energieerzeugung nachhaltig und klimaschonend auszubauen. Richtig ist aber, dass die Kernenergie in Deutschland eine vergleichsweise geringe Akzeptanz hat. Nichts wird mehr so sein wie vor der Naturkatastrophe in Japan. Ein neuer Atomkonsens scheint notwendig.

Was muss beim Atomkonsens beachtet werden?

Vllis Wenn wir in Deutschland heute diskutieren, schneller als ursprünglich geplant aus der Kernkraft auszusteigen, sollte man auch die Folgen bedenken. Ein zu schneller Ausstieg könnte dazu führen, dass wir mehr Kohle verfeuern und damit mehr CO2 freisetzen, als wir aus Sicht des Klimaschutzes wollen. Auch ist wenig überzeugend, hiesige Kernkraftwerke runterzufahren und gleichzeitig dann Kernkraft-Strom aus dem Ausland zu importieren. Genau diese Situation ist eingetreten, als vor wenigen Wochen das Moratorium ausgerufen wurde. Insgesamt kann ich nur davor warnen, die Komplexität eines Umbaus unseres Stromsystems zu unterschätzen.

Was muss passieren?

Villis Es ist gut, dass die Bundesregierung die Ethikkommission zur Zukunft der Energiewirtschaft berufen hat. Deren Empfehlungen gilt es abzuwarten, ebenso wie die Ratschläge der Reaktorsicherheitskommission. Im Ergebnis ist wichtig, alle Aspekte vom Umbau der Stromerzeugung über die Gewährleistung der Netzstabilität bis hin zur der Entwicklung der Strompreise auszuloten. Hier könnte ein nationales Energieministerium helfen. Bisher sind die Zuständigkeiten für Reaktorsicherheit, für Energieforschung oder für Regulierung und Marktsteuerung sind auf unterschiedliche Ministerien verteilt. Gleiches gilt für die Förderung der Elektromobilität. Dies scheint mir nicht optimal zu sein.

Was muss beim Netzausbau geschehen?

Villis Wir müssen nicht nur die riesigen Hochspannungstrassen zu den künftigen Windparks legen, sondern auch in der Fläche die Netze zum großen Teil umbauen: Wenn Tausende Solaranlagen bei strahlendem Sonnenschein plötzlich hohe Mengen Strom in das Netz einspeisen, dann aber bei Bewölkung diese Leistung ebenso schnell abnimmt, müssen diese zum Teil extreme Leistungsschwankungen sehr schnell ausgeglichen werden. Diese Flexibilität müssen wir durch einen Umbau des Netzes schaffen. Alleine dieser Ausbau regionaler Netze wird viele Milliarden Euro kosten, das können schnell zehn Milliarden Euro werden.

Halten Sie die hohe Förderung der Solarenergie für falsch?

Villis Die zig Milliarden Euro, die über die Einspeisevergütung der Förderung von Solaranlagen zufließt, könnten an anderer Stelle effektiver eingesetzt und damit auch mehr für den Klimaschutz erreicht werden.

SPD-Chef Gabriel hat gesagt, dass die Gefahr der Kernkraft höher ist als die durch den Klimawandel.

Villis Trotz der Katastrophe von Fukushima halte ich das Risiko eines extremen Klimawandels für deutlich höher als das Risiko, das von unseren praktisch sicheren und ständig überwachten Anlagen in Deutschland ausgeht. Wenn es uns nicht gelingt, wie von der Weltgemeinschaft vereinbart, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, hat die gesamte Menschheit ein riesiges Problem.

EnBW ist mit einem Anteil von rund 50 Prozent stärker auf Strom aus Kernenergie angewiesen ist als jeder andere Stromkonzern Deutschland. Droht Ihnen als Unternehmen das Aus bei einem schnellen Atomausstieg, wogegen RWE und Eon wenigstens davon profitieren würden, dass steigende Strompreise die Gewinne von deren Kohlekraftwerken erhöhen?

Villis Richtig ist, dass der Ausfall von Kapazitäten von Kernkraftwerken tendenziell zu steigenden Strompreisen am Großhandelsmarkt führt. Dadurch werden andere Anlagen, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke rentabler. Und die EnBW verfügt über einen breiten Erzeugungsmix mit insgesamt über 15.000 MW Leistung. Davon entfallen 7500 MW auf Kohle- und Gaskraftwerke, 2800 MW auf Wasser- und Speicherkraftwerke. Und wir bauen ein großes Kohlekraftwerk bzw. sind an einem weiteren Neubau in Baden-Württemberg beteiligt. Damit haben wir Möglichkeiten, um wegfallende Kapazitäten der Kernenergie-Anlagen auszugleichen.

Haben Sie genügend Geld, um auf wirklich breiter Front in regenerative Energien einzusteigen?

Villis: Wir planen in den kommenden Jahren allein drei Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu investieren. Dies ist ambitioniert. Dabei werden wir aber darauf achten, unser A-Rating zu halten, um für Kredite keine höheren Zinsen zahlen zu müssen.

Lautet Ihre stillschweigende Hoffnung, dass die beiden bereits stillgelegten Anlagen Neckarwestheim I und Philipsburg I zwar geopfert werden müssen, aber Neckarwestheim II und Philipsburg II noch lange weiterlaufen?

Villis Neckarwestheim I ist eine ein Anlage mit nur sehr niedrigen Gewinnen, so dass ein Weiterbetrieb bei hohen Kosten für technische Nachrüstungen nicht sinnvoll ist. Bei Phillipsburg sieht die Wirtschaftlichkeit besser aus. Wir müssen jetzt das Moratorium abwarten, dann wissen wir eventuell, was die Politik plant. Jetzt über Jahreszahlen zu spekulieren, ist nicht zielführend.

Wie wollen sie als Freund der Kernerngie in einem Unternehmen Chef sein, das zu fast 50 Prozent dem künftig grün-rot-regierten Baden-Württemberg gehört?

Villis Ich bin allen Aktionären verpflichtet und habe gleichzeitig ein gutes und sachliches Verhältnis auch zu vielen Spitzenleuten von SPD und Grünen. Der Umbau des Energiesystems ist eine sprichwörtlich spannende Herausforderung, der ich mich gerne stelle.

Künftig wird die frühere Chefin der Grünen, Gundula Röstel, in Ihrem Aufsichtsrat sitzen.

Villlis Stimmt und das begrüße ich. Ich habe mit ihr selbst bei Gelsenwasser zusammengearbeitet und bin von ihren Fähigkeiten überzeugt. Sie wird als Aufsichtsrätin mit nun zehn Jahren Erfahrung in der Wirtschaft eine Bereicherung sein.

Kommen wir zu NRW, wo Sie als 55-prozentiger Anteilseigner der Stadtwerke Düsseldorf ein wichtiger Spieler sind. Können Sie sich einen Verkauf der Beteiligiung vorstellen, um so den nötigen Ausbau der regenerativen Energien zu finanzieren?

Villis Wir sind sehr zufrieden mit unserer Beteiligung in Düsseldorf und es gibt keinerlei Verkaufspläne.

Hat deutsche Steinkohle mit dem Ausstieg aus der Atomenergie wieder eine Chance?

Villis Nein. Mein Vater war Bergmann, ich selbst habe früher bei der RAG gearbeitet. Aber das ändert nichts daran: Die Förderkosten in Deutschland sind definitiv zu hoch. Außerdem ist die Akzeptanz von Kohlekraftwerken noch schlechter als die von Atomkraftwerken. Das sieht man ja am Beispiel Datteln: Nach meiner Meinung ein abschreckendes Signal an potenzielle Investoren. Man kann nicht den Bau eines Kraftwerkes genehmigen und dann, nachdem eine Milliarde verbaut wurde, die Fertigstellung verhindern.

Soeben hat ein Stadtwerke-Konsortium aus NRW mit der Steag einen veritablen Stromerzeuger gekauft. Warum sollen Kommunen Strom erzeugen?

Villis Ich halte die Rekommunalisierung dann für problematisch, wenn die Einheiten zu klein sind. Dies gilt insbesondere für den Netzbetrieb, da sich erst aber einer gewissen Größe Synergien einstellen.

Sie ärgern sich ja nur, weil die Stadtwerke Ihnen das Fernwärme-Netz der Steag vor der Nase weggeschnappt haben…

Villis: …nein, wir haben uns ja noch nicht einmal für das Fernwärmenetz interessiert. Zudem wird der Bedarf an zusätzlicher Wärmeenergie immer kleiner. Die Dämm-Vorschriften für Gebäude werden immer schärfer, die Häuser werden zunehmend mit Wärmepumpen und anderen Möglichkeiten der Wärmeerzeugung ausgerüstet Das sehen wir heute schon beim Gas: Eine Erweiterung des Gasnetzes lohnt sich kaum noch.

Glauben Sie an die Förderung von Erdgas in NRW?

Villis Ich halte die Ausbeutung unkonventioneller Gasvorkommen in NRW für äußerst schwer realisierbar. Die Flächen und Vorkommen sind hier zu klein, als dass sich die Förderung lohnen würde.

(ndi)
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