Aufsichtsrat von ThyssenKrupp Ekkehard Schulz wirft hin
Essen · Bitteres Ende einer glanzvollen Karriere: Der Ex-ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz räumt seinen Posten im Aufsichtsrat des Essener Dax-Konzerns. Damit übernimmt er die Verantwortung für dramatische Fehlentscheidungen, die schon Jahre zurückliegen.
Der wegen seiner Geradlinigkeit einst beliebteste Dax-Chef der Republik übernimmt damit die Verantwortung für das Desaster, das ThyssenKrupp derzeit in Brasilien erlebt: Wegen immer neuer Baumängel wurde das neue Stahlwerk, das ThyssenKrupp in der Nähe von Rio de Janeiro aufbaut, zu einem Milliardengrab. Die Planungen starteten 2005.
Sie fielen also ebenso wie gravierende Fehlentscheidungen zur Ausführung dieses Baus mitten in Schulz' Amtszeit als ThyssenKrupp-Chef (1999 bis Januar 2011). Schulz selbst ließ gestern mitteilen: "Mit diesem Schritt möchte ich die öffentliche Diskussion um meine Person im Zusammenhang mit den Investitionen bei ThyssenKrupp Steel Americas beenden."
Nachdem er im Januar den Chefsessel für den ehemaligen Siemens-Manager Heinrich Hiesinger freigemacht hatte, war Schulz' Wechsel in den Aufsichtsrat von der Hauptversammlung mit Standing Ovations begrüßt worden. Schulz' unbestrittene Verdienste um ThyssenKrupp wogen so schwer, dass die Aktionäre sogar von der eigentlich vorgesehenen zweijährigen Karenzzeit zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmandat eine Ausnahme machten.
Gleichwohl war das Brasilien-Stahlwerk auch zu diesem Zeitpunkt schon aus dem Ruder gelaufen. Die ursprünglich eingeplanten Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro waren damals schon weit überschritten. Inzwischen liegen sie sogar bei 5,2 Milliarden Euro.
Die damals allenfalls schwelende Kritik an Schulz flammte auf, als ThyssenKrupp in der vergangenen Woche Abschreibungen auf das brasilianische Stahlwerk in Höhe von 2,1 Milliarden Euro ankündigte. Gleichzeitig gab der Konzern für das abgelaufene Geschäftsjahr ein Minus von 1,78 Milliarden Euro bekannt. Seither rumort es im Konzern: Angesichts der desaströsen Zahlen muss ThyssenKrupp seine stramme Diät noch verschärfen.
Dem Konzern fehlt an allen Ecken und Kanten das Geld. Betriebsräte und Manager beklagen quer durch den Konzern einen Investitionsstau und fürchten, dass Brasilien deshalb auch die Wettbewerbsfähigkeit anderer Konzernteile gefährdet. Entsprechend laut wurde im Konzern die Kritik an Schulz. Nach einem Bericht der FAZ soll ThyssenKrupp-Patriarch Berthold Beitz auch von einer Pressekampagne gegen Schulz gesprochen haben.
Konzernintern soll Schulz die Fehlentwicklungen in Brasilien stets mit Falschinformationen erklärt haben, die er vom damaligen Stahl-Vorstand Karl-Ulrich Köhler erhalten habe. Andererseits berichten Konzernkreise, Schulz sei schon sehr früh von mehreren Seiten und auch aus dem Aufsichtsrat davor gewarnt worden, zeitgleich sowohl in Brasilien als auch in Alabama in neue Stahlwerke zu investieren, obwohl der Konzern bis dahin mit selbst verantworteten Neubauten im Ausland nur wenig Erfahrung hatte — erst recht nicht in dieser Größenordnung.
Neben dem Standort — das brasilianische Stahlwerk wurde in einem sumpfähnlichen Gebiet errichtet, was schon von Beginn an zu Verzögerungen geführt hatte — entwickelte sich die Vergabe des Baus der Stahlwerks-kokerei an einen chinesischen Billiganbieter zu einer folgenschweren Fehlentscheidung: Die Kokerei funktioniert bis heute nicht richtig.
Als "Eiserner Ekki" diente Schulz dem Konzern fast 40 Jahre. Seinen Ruhestand verschob er 2006 auf Bitten von Beitz. Mit seinem Rücktritt beweist Schulz erneut seine Treue. Zu ThyssenKrupp. Und zu seiner persönlichen Geradlinigkeit.