Serie: Große Marken Eine Deutschstunde mit Persil

Düsseldorf (RP). Nur, wer den Nerv der Zeit exakt trifft, kann Waschmittel verkaufen. Henkel ist so ein Meister des Zeitgeistes.

 In den 70er Jahren warb Persil mit "Da weiß man, was man hat"

In den 70er Jahren warb Persil mit "Da weiß man, was man hat"

Foto: AP, AP

Waschmittel sind ungefähr so aufregend wie Spülbürsten. Man macht mit ihnen halt irgendwas sauber. Man kann ihnen auch kein Erlebnis andichten wie Autos oder Zigaretten. Die Erlebniswelt "Waschkeller" gibt das nicht her. Waschmittel gibt es an jeder Ecke, und daheim verschwinden sie auch wieder dort: in der Ecke.

Aber einer dieser Langeweiler hat es trotzdem zur Kultmarke geschafft: Persil. Da weiß man, was man hat. Jedes Jahr werden 1,3 Milliarden Waschladungen mit der Chemikalie gewaschen. Persil ist das älteste, das bekannteste, das meistbeworbene — und böse Zungen sagen: eines der teuersten — Waschmittel der Welt. Wie kann ausgerechnet ein Waschmittel zur internationalen Kultmarke werden?

Persil wurde berühmt, weil der Düsseldorfer Henkel-Konzern als erster die immense Bedeutung von Werbung für Alltagsprodukte erkannt hat. Je geringer der objektive Unterschied zwischen konkurrierenden Fabrikaten ist, desto stärker entscheidet die Werbung über den Verkaufserfolg. Der Wettbewerb der Waschmittel ist in Wahrheit ein Wettbewerb der Werbung: Die Endlos-Wäscheleine des Weißen Riesen gegen Ariels Klementine, und beide zusammen gegen den ewigen Karo-Krawattenmann, der in den 1980ern ein gefühltes Menschenleben lang mit irgendwelchen "Daumentests" genervt hat. (Vorzugsweise am Freitagabend, immer direkt vor "Western von Gestern"...)

Anders als die Waschmittel selbst ist deren Werbung auch sehr vielsagend. Nicht, weil wir darin so viel über die Waschmittel erfahren. Was auch? "Weißer als weiß" und "nicht sauber, sondern rein" verwirrt ja mehr, als es informiert. Aber in der Waschmittelwerbung erfahren wir viel über die Zeiten, in denen sie lief. Die Waschmittelwerbung von früher ist wie ein Foto-Album der Soziologie.

1957 strahlte der Bayerische Rundfunk zum 50. Geburtstag von Persil den allerersten Fernsehspot der deutschen TV-Geschichte aus. Der Volksschauspieler Beppo Brem bekleckert sich im Wirtshaus. "Du bist doch a richtiger Dreck…" herrscht ihn seine Frau an. Aber der Kellner rettet den beinahe ruinierten Abend: "Dafür gibt's ja Gott sei Dank Persil!" Der Aufschwung kann also ungestört weitergehen.

1932 zeigte der Berliner Ufa-Palast gar einen abendfüllenden Persil-Tonfilm. Titel: "Wäsche Waschen Wohlergehen". A-b-e-n-d-f-ü-l-l-e-n-d. Wohlsein.

In den 1920ern wird aus der schuftenden Hausfrau bei Henkel eine mondäne Dame in Weiß. Ariels Klementine wirkte hingegen noch in den 1980ern nicht sonderlich emanzipiert. Zu dieser Zeit bewältigen die Hauptdarstellerinnen von Persil aber schon das nachgeburtliche Comeback im Beruf: Dem Vater daheim gelingt dank Persil der Alltag, abends kommt die Gattin heim, prüft die Wäsche und lobt. Wenig später werden bei Greenpeace die Ersten für die Umwelt aktiv. Und Persil entsprechend "biologisch aktiv".

Die Persil-Werbung von heute funktioniert gänzlich sinnentleert. Es gibt keine "Daumentests" mehr, die etwas "beweisen". Im aktuellen Spot gibt es so etwas wie Probleme gar nicht mehr. Eine bis an die Kitsch-Grenze weichgezeichnete Mama freut sich über die Wassermelone, die über den Strampler ihrer Kleinen trieft. Musisch verklärte Wäschetrommeln, Babygesichter, Mama und die Persilflasche lösen sich in einer bonbonfarbenen Seifenblase auf. Das Gespenstische daran ist: Man weiß trotzdem, was man hat.

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