Interview mit Düsseldorfer Flughafen-Chef Schnalke "Mehr Kapazitäten in Spitzenzeiten"

Düsseldorf · Der neue Chef des Flughafens Düsseldorf verteidigt den Antrag auf mehr Flüge. In zehn Jahren würden ab Düsseldorf pro Jahr sechs Millionen Menschen mehr fliegen. Er sagt, Häuser seien selbst in der Einflugschneise auch dank Airport relativ wertvoll.

Vor 15 Jahren kam Thomas Schnalke als kaufmännischer Geschäftsführer zum Airport, seit Juli ist der 54-Jährige Sprecher der Geschäftsführung. Der Familienvater lacht oft, spricht schnell und reist viel.

Vor 15 Jahren kam Thomas Schnalke als kaufmännischer Geschäftsführer zum Airport, seit Juli ist der 54-Jährige Sprecher der Geschäftsführung. Der Familienvater lacht oft, spricht schnell und reist viel.

Foto: Andreas Bretz

Als Chef des Flughafens Düsseldorf führen Sie eine Firma, die gleichermaßen beliebt wie angefeindet ist. Macht Ihr Job überhaupt Spaß?

Schnalke Oh ja. Es war schon sehr früh ein Traum von mir am Flughafen zu arbeiten. Und für Nordrhein-Westfalen ist der Flughafen essenziell wichtig. Ohne das Wachstum des Flughafens kann NRW seinen Wachstumsrückstand nicht aufholen. Auch darum haben wir ja eine Kapazitätserweiterung beantragt.

Die Anwohner sind nicht begeistert. 40.000 Einwände gibt es dagegen.

Schnalke Wir nehmen die Sorgen und Bedenken der Anwohner ernst und prüfen derzeit alle Einwände. Ab dem 13. Februar wird es den Erörterungstermin geben. Dafür haben wir eine Messehalle angemietet. Das NRW-Verkehrsministerium wird danach alle Argumente abwägen. Wir hoffen, dass wir bis Ende 2017 ein Ergebnis bekommen.

Was passiert, wenn Ihnen die Kapazitätserweiterung verwehrt wird?

Schnalke Immer mehr Menschen in unserer immer mobileren Welt wollen fliegen. Das erklärt die seit Jahren wachsenden Passagierzahlen an quasi allen großen Flughäfen weltweit. Ohne eine neue Betriebsgenehmigung könnte der Flughafen Düsseldorf auch nicht mehr ansatzweise mit dieser Entwicklung Schritt halten. Mit ihm würden die Rhein-Ruhr-Region und ganz NRW von den weltweiten Verkehrsströmen abgehängt.

Welches Wachstum erwarten Sie?

Schnalke Wir gehen für unseren Flughafen davon aus, dass die Zahl der Passagiere aus dem Mobilitätsbedürfnis der Menschen heraus in den nächsten zehn Jahren unter Berücksichtigung eines positiven Genehmigungsbescheids von aktuell 23 Millionen auf dann etwa 29 Millionen steigen könnte. Unser Umsatz würde sich sich von jetzt 500 auf rund 600 Millionen Euro erhöhen. Aber das ist nicht unsere allererste Motivation. Mit dem Wachstum würden auch mehr als 1000 Arbeitsplätze direkt am Airport entstehen. Doch das geht nur, wenn wir auch mehr Flüge abwickeln können.

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Anwohner fürchten, dass Sie auch an das Nachtflugverbot wollen.

Schnalke Nein, die Aufweichung der Nachtflugreglung steht nicht zur Diskussion. Wir brauchen aber mehr Kapazitäten in Spitzenzeiten am Tage, also dann, wenn die europäischen Zubringer zu den Langstreckenverbindungen stattfinden. So können wir vor allem noch mehr Interkontinentalflüge nach Düsseldorf holen, die für unsere gesamte Region so wichtig sind.

Für die brauchen Sie doch nicht bis zu 60 Slots die Stunde statt bisher 47.

Schnalke Wir können die Langstreckenflüge nicht von den Europaflügen trennen. Rund zehn Prozent unserer 23 Millionen Passagiere reisen mit dem Flugzeug an. Also kommen viele Europamaschinen in einer Welle relativ gleichzeitig an und die Passagiere steigen in Langstreckenjets nach New York, Singapur, San Francisco oder auch Tokio um.

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Foto: dpa

Warum sind die Interkontinentalflüge für Sie so wichtig?

Schnalke Und Langstreckenflüge sind gerade für die Wirtschaft unseres Bundeslandes wichtig: 600 Unternehmen aus China haben sich in NRW niedergelassen — auch wegen unserer direkten Verbindungen nach Asien. Insgesamt haben fast 20.000 ausländische Unternehmen ihren Sitz in NRW. Betriebswirtschaftlich machen unsere 130 Interkontinentalflüge pro Woche mehr als zehn Prozent unseres Umsatzes aus, drei Millionen unserer 23 Millionen Passagiere fliegen Langstrecke.

Wenn Air Berlin als in Düsseldorf wichtigste Airline in die Knie geht, brauchen Sie keine Kapazitätserweiterung mehr...

Schnalke Wir sind uns der Probleme der Air Berlin bewusst. Aber ich bin zuversichtlich, dass sie diese in den Griff bekommt. Air Berlin ist für uns ein wichtiger Partner. 40 Prozent unserer Langstrecken-Flüge werden von Air Berlin abgewickelt. Und wir begrüßen, dass sich Air Berlin zu Düsseldorf und Berlin als Hauptflughäfen bekennt — das ist gut für uns.

Und wenn die Airline am Ende doch die Flügel streckt?

Schnalke Das ist Spekulation. Aber die Kurzstrecken würden sehr schnell von anderen Carrieren übernommen. Auf der Langstrecke hätten wir zunächst eine Lücke. Aber wie gesagt: Ich bin zuversichtlich für die Zukunft von Air Berlin.

Stichwort andere Carrier: Haben Sie schon mit Ryanair-Chef OLeary gesprochen?

Schnalke Nein, habe ich nicht. Aber der Flughafen Düsseldorf ist offen für alle.

Lufthansa sagt, sie hätten die Discount-Langstreckenflüge ihres Ablegers Eurowings in Köln starten lassen, weil Düsseldorf zu teuer ist.

Schnalke Ich kann das nicht bestätigen. Düsseldorf hat ähnliche Gebühren wie Köln-Bonn. Lufthansa und Eurowings sind zweitwichtigste Airline am Flughafen mit sechs Millionen Passagieren per Annum und wir arbeiten eng zusammen. Im Übrigen betreibt Eurowings in Düsseldorf ihre größte Station.

Schon jetzt wird das Nachtflugverbot durchlöchert, weil verspätete Flieger auch nach 22 Uhr landen können.

Schnalke Dafür gibt es klare Regeln, und an diese halten sich die Airlines. Bis 23:30 Uhr dürfen Flieger landen, bis 24 Uhr Flieger, die in Düsseldorf stationiert sind und bei uns einen Wartungsschwerpunkt habe (Homebase). Danach dürfen nur noch Flieger mit Sondererlaubnis der Luftaufsicht landen, etwa bei Unwettern. Das kommt aber ausgesprochen selten vor.

In diesem Sommer gab es aber viele Unwetter…

Schnalke Im zweiten Quartal 2016 fanden 741 der Landungen zwischen zwischen 23 und 24 Uhr bzw. zwischen 5 und 6 Uhr statt. Das sind zwar nur 1,3 Prozent der gesamten Flugbewegungen, dennoch stimmt uns diese Zahl alles andere als zufrieden. In den vergangenen Monaten war das Wetter in der Tat eine Herausforderung für unsere Branche. Außerdem gab es als Folge der Terroranschläge in der Türkei aus ganz Europa viel mehr Verkehr als sonst in Richtung westliches Mittelmeer. Diesen Verkehr müssen der Luftraum und auch die Airports etwa auf den Balearen, den Kanaren und anderswo erst einmal verkraften. Durch diese vielen Zusammenhänge kam es auch bei unszu vermehrten Verspätungen. Wir tun aber alles, um diese Situation weiter zu verbessern.

Was macht der Flughafen selbst falsch?

Schnalke Wir müssen die Abläufe am Boden effizienter organisieren, damit ankommende Passagiere ihr Gepäck schneller erhalten und abreisende Jets weniger Verspätungen haben. Jedoch haben wir auf diese Prozesse als Flughafengesellschaft keinen direkten Zugriff, weil die Airlines ihre Abfertigungsverträge direkt mit den bei uns ansässigen Abfertigungsunternehmen schließen. Wir sind jedoch in intensiven Gesprächen mit den Unternehmen Acciona und Aviapartner. Vor allem die Leistung von Aviapartner lässt in unseren Augen stark zu wünschen übrig. Hier mangelt es zu oft an Personal und guter Organisation. Das muss anders werden. Der Sicherheitsdienst Kötter hat eine Verbesserung seiner Arbeit auch hinbekommen.

Die Lufthansa befürchtet einen Kuhhandel: Strengeres Einhalten der Nachtruhe, was auch Lufthansa/Eurowings mit ihrer hier stationierten Flotte treffen würde, aber dafür mehr Flüge tagsüber.

Schnalke Unser Antrag auf höhere Kapazitäten hat mit der Nachtflugregelung nichts zu tun — also ist ein Kuhhandel gar nicht nötig.

Was halten Sie von der Aussage einer Studie, dass steigender Fluglärm zu sinkenden Immobilienpreisen in der Nähe des Flughafens führt?

Schnalke Die Realität spricht ganz klar eine andere Sprache. Die Grundstückspreise im Norden von Düsseldorf und überall in den Ein- und Abflugschneisen haben sich in den vergangenen Jahren ebenso wie im Rest der Region deutlich erhöht. Das zeigt das zentrale Info-System der Gutachterausschüsse, BorisNRW, das im Internet leicht zu finden ist.

Aber es wäre doch anzunehmen, dass beispielsweise in Ratingen die Immobilien teurer wären, wenn der Flughafen einfach nicht vorhanden wäre.

Schnalke Nein, die würden dann sogar im Schnitt sinken. Viele Menschen und auch Unternehmen schätzen die Nähe zum Flughafen. Und weil er für viele Arbeitsplätze direkt und indirekt sorgt, ginge es der Region ohne wachsenden Airport insgesamt schlechter. Und entsprechend würden dann auch die Mieten und Preise für Immobilien zurückgehen. In anderen Städten hat man sogar die Sorge, dass die Immobilienpreise durch einen wachsenden Flughafen noch schneller steigen würden. Von daher handelt es sich hier um eine Phantom-Diskussion.

Die Luftfahrt als Wachstumsmaschine?

Schnalke Sie sehen das ja auch im Weltmaßstab. Prosperierende Luftfahrt und insgesamt hoher Wohlstand hängen zusammen. Das ist in New York und London so und auch in NRW. Darum begrüße ich, dass Landesregierung, IHKs und Gewerkschaften ihre Initiative für eine Stärkung der Infrastruktur gegründet haben. Wir sehen das auch als Unterstützung für uns.

Könnten Sie Ihre Kapazitätsprobleme für Geschäftsreisende nicht lösen, indem Sie manchen Ferienflieger nach Dortmund, Weeze oder Köln abgeben, wo ja sowieso viele Passagiere herkommen.

Schnalke Erstens können wir sowieso nicht entscheiden, welche Airlines für welchen Flug nun die Startrechte beantragen und dann erhalten. Zweitens lassen sich Ferienverkehr und Geschäftsflüge nicht trennen: Eine Airline fliegt zum Beispiel zuerst mit einem Jet Zürich an, kommt zurück, und dann werden mit der gleichen Maschine Passagiere nach Mallorca gebracht, um dann abends noch mal nach Berlin zu fliegen. Dieser effiziente Umlaufverkehr lässt sich in kleinen Airports nicht organisieren.

Wird der Start des Rhein-Ruhr-Express dem Flughafen Düsseldorf weiter helfen?

Schnalke Sicher. Schon jetzt kommt rund ein Viertel der Passagiere per Zug oder S-Bahn. Wenn es dann künftig noch mehr regelmäßige Verbindungen in viele Städte der Region inklusive Köln und Aachen gibt, steigt der Anteil der mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisenden Passagiere bestimmt noch einmal deutlich an.

Alle Linien des RRX werden am Flughafen Düsseldorf halten. Ist das eine indirekte Subvention?

Schnalke Nein, das ist kluge Verkehrspolitik. Wir sind das Tor zur Welt für NRW und die Bürger erreichen uns dann besser. Und die Bahn profitiert von zusätzlichen Passagieren. Dabei sind wir stolz darauf, ohne Subventionen auszukommen.

…und wären froh, wenn so mancher Regionalflughafen aufgibt.

Schnalke Nein, auch kleine Flughäfen übernehmen eine Funktion in diesem komplexen System. Aber es darf nicht sein, dass die Verluste aus dem eigentlichen Flugverkehr direkt oder indirekt subventioniert werden. Es ist gut, wenn die EU da nun für fairen Wettbewerb sorgt.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Geisel würde Ihnen gerne den Boden des Airports verkaufen. Interessiert?

Schnalke Wir zahlen etwas mehr als zehn Millionen Euro Pacht im Jahr und der Vertrag läuft noch etwas über zehn Jahre. Prinzipiell kann ich mir gut vorstellen, dass wir den Boden erwerben, wenn der Preis stimmt.

Zum Schluss noch die Frage: Wie sehen Sie die Gefährdung des Flughafens durch mögliche Terrorakte?

Schnalke Wir alle wissen, dass wir seit längerem eine erhöhte Gefährdungslage haben. Aber ich habe das begründete Gefühl, dass die Bundespolizei gemeinsam mit unseren Leuten hier einen sehr guten Job macht. Die Behörden machen viele Dinge, von denen die allgemeine Öffentlichkeit nichts mitbekommt.

Leidet der Flugverkehr durch die Terrorsorge?

Schnalke Zeitweise vielleicht, als Gesamttrend definitiv nicht. Bis 2030 wird der innerdeutsche Luftverkehr um etwa 60 Prozent steigen. In Düsseldorf erwarten wir alleine für dieses Jahr drei Prozent Wachstum bei den Passagieren. Und am vergangenen Freitag haben mit 87.700 Passagieren so viele Menschen transportiert wie noch nie an einem Tag bisher

Das Gespräch führten Antje Höning und Reinhard Kowlewsky.

(anh)
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