Interview mit Fahrgastverband-Experte Rainer Engel "Düsseldorf ist ein neuralgischer Punkt"

Düsseldorf · Der Experte des Fahrgastverbandes "Pro Bahn" berichtet, dass die Probleme in Mainz absehbar waren. Auch an anderen Drehkreuzen des Bahn-Verkehrs in Deutschlands sind ähnliche Engpässe denkbar. So auch am wichtigen Verkehrsknotenpunkt Düsseldorf.

 Der Hauptbahnhof Düsseldorf ist einer der wichtigsten Drehkreuze Deutschlands.

Der Hauptbahnhof Düsseldorf ist einer der wichtigsten Drehkreuze Deutschlands.

Foto: Endermann, Andreas

Wie lange wird es dauern, bis sich die Lage bei der Bahn wieder normalisiert?

Engel Für eine Normalisierung des Betriebs ohne Verspätungen wegen fehlender Fahrdienstleiter wird es etwa ein halbes Jahr dauern. Bis alle Überstunden abgebaut sind, die die Fahrdienstleiter bundesweit angehäuft haben, wird die Bahn etwa vier bis fünf Jahre benötigen.

War das Chaos in Mainz absehbar?

Engel Ja. Der Mainzer Hauptbahnhof ist seit Monaten ein Problem. Dort hat es mehrfach schon Betriebspausen von etwa 15 Minuten gegeben, wenn die Fahrdienstleiter ihre vorgeschriebenen Pausen einlegen mussten.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Engel Die Aussage der Bahn, dass solche Probleme auch auf anderen Bahnhöfen auftreten könnten, ist das Eingeständnis eines riesigen unternehmerischen Fehlgriffs in Sachen Sparen. Im Personalbereich ist der Stand so niedrig, dass sogar die Ausbilder fehlen. Die Leute, die Ausbildung leisten könnten, werden dringend im Fahrbetrieb benötigt.

Die Gewerkschaft schätzt, dass rund 1000 Fahrdienstleiter bundesweit fehlen. Ist das realistisch?

Engel Ja. Und bei der Bahn ist im Prinzip das Geld vorhanden, 1000 weitere Fahrdienstleiter zu bezahlen. Dies würde höchstens rund 100 Millionen Euro pro Jahr kosten. Vor dem Hintergrund, dass die Bahn jährlich 500 Millionen Euro Gewinn an die Staatskasse zahlt, ist die Personalaufstockung also möglich. Allerdings müssen diese Leute erst ausgebildet werden. Sie müssen speziell für ihr jeweiliges Stellwerk geschult werden. Fahrdienstleiter ist leider kein Ausbildungsberuf, den man in drei Jahren lernt.

Könnten ähnliche Zustände, wie sie in Mainz herrschen, auch in NRW auftreten?

Engel Die Bahnhöfe in den großen Städten, in Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Dortmund, sind die neuralgischen Punkte. Bislang hat es nach meinem Wissen dort aber keine Ausfälle wie in Mainz gegeben. Allerdings zeigte auch die Zugentgleisung in Düsseldorf Anfang Juli, wie empfindlich das System ist.

(qua)
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