Streit um Strafzölle "NRW erwartet von der EU eine angemessene Reaktion"

Düsseldorf · Die Ankündigung von Donald Trump, Zölle auf Aluminium und Stahl zu erheben, sorgt für Unruhe. Produzenten, die bislang in die USA liefern, könnten sich stärker auf Europa konzentrieren. Die NRW-Landespolitik ist alarmiert.

 NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (Archiv).

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (Archiv).

Foto: dpa, fg fdt

Die Ankündigung von Zöllen auf Stahl und Aluminium markiert für viele den Anfang eines Handelskrieges. NRW gilt wegen seiner großen Stahl- und Aluminium-Standorte als besonders betroffen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie bedeutsam ist der amerikanische Markt aus deutscher Sicht?

Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl lieferten deutsche Firmen im vergangenen Jahr knapp eine Million Tonnen Walzstahl an die USA. Die Vereinigten Staaten seien damit der wichtigste Auslandsmarkt außerhalb der EU, hebt der Verband hervor. Insgesamt stellt die Branche hierzulande jährlich rund 40 Millionen Tonnen her. Unter den Top Ten der Stahl-Exporteure in die USA belegt Deutschland mit einem Anteil von 3,7 Prozent Platz acht. Auch für die deutsche Aluminiumindustrie sind die USA ein bedeutsamer Markt: 4,9 Prozent ihrer Halberzeugnisse gehen nach Nordamerika, bei Roh-Aluminium sind es 1,3 Prozent.

Wie reagieren die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen?

Ein Sprecher des Duisburger Stahlhändlers Klöckner & Co zeigte sich betont gelassen - und das, obwohl der Konzern nahezu 40 Prozent seines Umsatzes in den USA macht. Die Begründung: Mehr als 95 Prozent des von KlöCo dort verkauften Stahls werde auch in den USA produziert. Die Duisburger könnten womöglich sogar profitieren: "In der Regel beträgt die Lagerdauer unseres Stahls über 70 Tage. Würden die Preise nun im Zuge der Strafzölle anziehen, hätte das damit zunächst sogar positive Effekte für uns", so der Sprecher. Für Abnehmerbranchen wie beispielsweise den Maschinenbau oder die Automobilindustrie seien höhere Stahlpreise aber mittelfristig eine Belastung.

Beim Stahlriesen Thyssenkrupp gab man sich am Freitag zugeknöpft und verwies auf die Wirtschaftsvereinigung Stahl. Tatsächlich dürften die Auswirkungen auf den Essener Konzern begrenzt sein: Thyssenkrupp liefert etwa zwei Drittel seines Stahls an Kunden, die in einem Umkreis von 500 Kilometer um das Stahlwerk in Duisburg angesiedelt sind. Die Stahlexporte in die USA machen einen kleinen einstelligen Prozentbetrag aus.

Der Chef des Essener Aluminium-Produzenten Trimet, Andreas Iffert, sagte unserer Redaktion, das Unternehmen beliefere vor allem Kunden in Europa mit maßgeschneiderten Legierungen und Gusskomponenten. "Wir exportieren kein Aluminium in die USA, von dortigen Importzöllen auf Aluminium wären wir nicht direkt betroffen." Gleichwohl befände sich die Trimet als Unternehmen der Grundstoffindustrie im internationalen Wettbewerb und sei auf Dauer auf einen stabilen und fairen regulativen Rahmen angewiesen. "Es ist Aufgabe der Politik, diesen Rahmen unter Einhaltung internationaler Handelsregeln sicherzustellen", sagte der Trimet-Chef.

Was sagt die Landespolitik?

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) nannte Trumps Ankündigung einen herben Rückschlag für den freien Welthandel. "Nicht nur die deutsche, sondern auch die gesamte europäische Stahl- und Aluminiumindustrie wäre von dieser Maßnahme erheblich betroffen", warnte er. Der US-Markt für Walzstahl würde faktisch wegbrechen. Zusätzliche Auswirkungen gerade für die deutsche Stahlindustrie drohten durch Handelsumlenkungen der nicht in die USA verkauften Mengen in den Binnenmarkt. "Nordrhein-Westfalen erwartet daher von der EU in Kürze eine angemessene und mit den Mitgliedstaaten abgestimmte Reaktion", sagte der Minister. Es gelte allerdings, einen offenen Handelskrieg nach Möglichkeit zu vermeiden.

Was sagen Ökonomen?

Ifo-Präsident Clemens Fuest plädierte für ein entschlossenes Handeln: "Die EU hat seit Jahren angekündigt, dass sie auf Protektionismus anderer Länder mit Gegenmaßnahmen antworten wird; wenn sie das nun nicht tut, ist das eine Einladung an andere protektionistische Regierungen, Trump zu folgen", sagte Fuest. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte eine schnelle Reaktion der Europäer: "Die EU muss umgehend auf die Strafzölle der USA reagieren und selbst Strafzölle auf sensitive US-Produkte erheben. Nur so kann sie ein klares Signal setzen, um die USA an einer weiteren Eskalation zu hindern. Vor allem Deutschland braucht eine handlungsfähige und glaubwürdige EU, um seine globalen Interessen zu wahren", sagte Fratzscher.

Wie groß ist der Rückhalt für Trump im eigenen Lager?

Mehrere einflussreiche Kabinettsmitglieder hatten eine Politik der Abschottung abgelehnt, sich am Ende aber nicht durchsetzen können. Verteidigungsminister James Mattis hatte ausdrücklich davor gewarnt, Verbündete zu bestrafen. Die Republikaner, seit 1945 die Partei des Freihandels, ausgeprägter als die Demokraten, reiben sich einmal mehr an einem Nationalisten, dessen Kandidatur ihr Apparat vergeblich zu verhindern versuchte. Selbst Pat Toomey, ein konservativer Senator aus Pennsylvania, dem Bundesstaat, in dem mit Pittsburgh das frühere Mekka der amerikanischen Stahlindustrie liegt, übt scharfe Kritik. Wer Stahl im Namen der nationalen Sicherheit mit Zöllen belege, begehe einen fatalen Fehler. Nicht nur, weil er Vergeltungsmaßnahmen des Auslands heraufbeschwöre, sondern auch mit Blick auf die amerikanischen Konsumenten. Die müssten tiefer in die Tasche greifen, weil mit zwangsläufig höheren Preisen für Stahl und Aluminium vieles teurer werde. Vom Auto bis hin zur Bierdose.

Wie steht es um den weltgrößten Stahlproduzenten China?

Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat in den vergangenen Jahren massive Überkapazitäten aufgebaut. "Der größte Protektionist der Welt ist China. Chinesische Staatsunternehmen agieren häufig mit Dumpingpreisen. Und China diskriminiert ausländische Unternehmen", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. China agiere aber viel geschickter als die USA.

(fh/mar/maxi/kib)
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