Es droht Ärger mit den Banken Die zwei Gesichter von ThyssenKrupp

Essen · Wenn schon alles verkauft wäre, was Konzernchef Heinrich Hiesinger loswerden will, wäre bei dem Konzern alles nur halb so schlimm. Aber davon ist das Unternehmen noch weit entfernt. Deshalb droht jetzt Ärger mit den Banken.

Die neue Quartalsbilanz von ThyssenKrupp ist ein Zahlenwerk für Feinschmecker. Auf der einen Seite ist dort für die ersten neun Monate des aktuellen Geschäftsjahres von einem "bereinigten Ebit" in Höhe von 802 Millionen Euro für die "fortgeführten Aktivitäten" die Rede.

"Ebit" kann man etwas salopp mit dem Ergebnis des Tagesgeschäftes übersetzen — das war in diesem Bereich also profitabel. An anderer Stelle meldete der Konzern gestern hingegen für denselben Zeitraum unter dem Strich ("Periodenfehlbetrag") ein Minus von 1,205 Milliarden Euro, was einen dramatischen Verlust bedeutet.

Die Erklärung: Die Zahl für das "bereinigte" Ebit bezieht sich nur auf diejenigen Geschäfte, die Konzernchef Hiesinger weiter betreiben will. Sie enthält also nicht die Verluste, die der Konzern immer noch mit seiner missglückten Übersee-Stahlsparte macht — denn für die sucht Hiesinger schon seit Monaten einen Käufer.

Arbeit steht auf tönernen Füßen

Genau diese Übersee-Sparte ist aber sein größtes Problem: Weil vor allem das neue Werk in Brasilien noch immer hohe Verluste produziert, musste Hiesinger den Wert des Werkes in den Büchern des Konzerns erneut um rund 683 Millionen Euro nach unten korrigieren. In der Summe schrieben die nicht fortgeführten Aktivitäten von ThyssenKrupp in den ersten neun Monaten sogar 943 Millionen Euro Verlust.

Beide Zahlen sind wichtig. Die eine zeigt, dass Hiesinger mit seinem Konzernumbau erfolgreich ist: Das, was er umstrukturiert hat und weiter betreiben will, funktioniert.

Die andere Zahl zeigt aber, auf welch tönernen Füßen seine Arbeit immer noch steht: Er muss die in die Bilanz-Schublade "nicht fortgeführte Aktivitäten" verschobenen Probleme auch tatsächlich alle loswerden — denn bis dahin hat der optisch schöne Operativ-Gewinn mehr mit Wunsch als mit Wirklichkeit zu tun.

Gerade der Verkauf des Stahlwerkes in Brasilien könnte scheitern. Die potenziellen Käufer wissen, dass Hiesinger sich eine solche Bilanz mit doppeltem Boden nicht ewig leisten kann, und spielen auf Zeit. In der Summe hat ThyssenKrupp schon über acht Milliarden Euro auf die Übersee-Werke abschreiben müssen.

Vor allem deshalb ist der Konzern inzwischen mit über fünf Milliarden Euro verschuldet. Was Hiesinger jetzt ein neues, vielleicht sogar noch viel größeres Problem bescheren könnte: Die Banken könnten dem Konzern Kreditlinien aufkündigen. Nach den neuen Zahlen von gestern ist das Verhältnis der Netto-Finanzschulden zum Eigenkapital (Gearing) inzwischen auf mehr als 185 Prozent gestiegen.

Genügend Liquidität vorhanden

Am 30. September ist das Geschäftsjahr beendet. Wenn das Gearing dann immer noch über 150 Prozent liegt, könnten die Banken Teile ihrer Kredite zurückfordern oder bereits zugesagte Kredite verweigern. Laut Zwischenbericht will ThyssenKrupp in diesem Fall mit den Banken über einen vorübergehenden Verzicht auf die 150-Prozent-Grenze verhandeln. Was die Banken dafür als Gegenleistung verlangen, ist unklar.

Allerdings steht in dem Zwischenbericht auch: "Selbst bei einer Überschreitung der Gearing-Grenze zum 30. September 2013 bietet die freie Liquidität auch im unwahrscheinlichen Fall einer Kündigung der Gearing-abhängigen Instrumente noch ausreichen Spielraum zur Deckung der anstehender Fälligkeiten."

Mit anderen Worten: Die Zahlungsunfähigkeit droht dem Konzern wohl nicht. Auch, weilThyssenKrupp allein im dritten Quartal wieder neue Aufträge im Wert von fast neun Milliarden Euro erhalten hat, was allerdings rund eine Milliarde Euro weniger als im Vorjahresquartal ist.

Das europäische Stahlgeschäft schwächelt weiter. In diesem Bereich konnte ThyssenKrupp zwar im dritten Quartal gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zulegen. Nach neun Monaten liegt das bereinigte Ebit aber nur bei etwa 101 Millionen Euro — im Vorjahreszeitraum waren es noch 184 Millionen Euro. In der Stahlsparte will Hiesinger 2000 Stellen abbauen.

(RP)
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