Lkw-Branche in Aufruhr Die Schlacht um MAN

München (RP). Unbemerkt von der Öffentlichkeit zieht VW-Chef Ferdinand Piech auch im Lkw-Geschäft die Strippen. Unter seiner Regie sollte MAN die schwedische Scania übernehmen. Aber jetzt drehen die Schweden den Spieß um.

Normalerweise tragen Brummis ihre Elefantenrennen ja auf Autobahnen aus. Das wichtigste findet derzeit aber auf dem Börsenparkett statt: Dort liefern der schwedische Lkw-Bauer Scania und sein deutscher Wettbewerber MAN sich seit Monaten eine bizarre Übernahmeschlacht. Ziel ist der dritte Platz im internationalen Lkw-Geschäft. Nicht, weil der Platz hinter Daimler und Volvo sich gut in Verkaufsbroschüren macht. Sondern weil ihre derzeitigen Plätze fünf (MAN) und sechs (Scania) zum Überleben nicht mehr reichen. Vor kurzem wollte der MAN-Konzern seine Schäfchen noch mit der Übernahme von Scania ins Trockene bringen. Jetzt drehen die Schweden den Spieß aber um. Seit gestern heißt es an der Börse, die Schweden wollten 126,50 Euro pro MAN-Aktie bieten. Auf dieser Grundlage müsste Scania nach Berechnungen unserer Zeitung knapp neun Milliarden Euro für die Kontrolle über MAN bezahlen.

Eklat nach Überhahmeangebot

Der MAN-Versuch begann vor einem Jahr noch freundlich über den Ausbau von Kooperationen. Und endete feindlich: Als die Münchener plötzlich ein Übernahmeangebot von 10,3 Milliarden Euro auf den Tisch legten, kam es zum Eklat. Scania-Chef Leif Östling sprach vom "typisch deutschen Blitzkrieg". Was so nicht stimmt. Denn Chef von MAN ist mit Hakan Samuelsson ebenfalls ein Schwede. Auch die schwedische Zeitung "Dagens Industri" berichtete gestern, Scania bereite die feindliche Übernahme von MAN vor. Zusätzliche Nahrung erhielt die Story, weil gestern weder MAN noch Scania das Thema kommentieren wollten. Auch der VW-Konzern enthielt sich gegenüber unserer Zeitung jeder Äußerung zum Thema.

Der VW-Konzern? Um das komplizierte Hin und Her in dem deutsch-schwedischen LKW-Krimi zu verstehen, muss man den Blick auf Ferdinand Piëch richten. Der Herrscher von Wolfsburg zieht bei alledem nämlich wieder mal die Strippen. Volkswagen ist mit rund 20 Prozent die Nummer Zwei bei Scania und mit rund 30 Prozent zugleich der wichtigste Aktionär bei MAN. Außerdem haben die Wolfsburger selbst noch ein kümmerliches Lkw-Geschäft in Brasilien, das zu kollabieren droht und unter irgendeine Haube schlüpfen muss.

Groß-Hochzeit

Mit einer Hochzeit seiner drei Lkw-Töchter könnte Fahrensmann Piëch also gleich dreifach aufatmen. Denn erst eine solche Dreier-allianz sichert allen Beteiligten die Zukunft. Die gigantischen Kosten, die heute für die Entwicklung neuer Lkw-Motoren anfallen, sind nur noch mit großen Stückzahlen zu refinanzieren. Außerdem rechnet die Branche damit, dass China spätestens in fünf Jahren mit konkurrenzfähigen Lkws zu Billigpreisen auf den Weltmarkt drängt. Das erhöht den Kostendruck der Europäer zusätzlich. Aber das schwedische Pendant zu Ferdinand Piëch heißt Peter Wallenberg. Der Patron der mächtigen Industriellenfamilie ist ebenso patriotisch und dickköpfig wie Piëch - und größter Aktionär bei Scania. Auf die Frage nach den Bedingungen einer Fusion von MAN und Scania sagte er im März: "Es ist wichtig, dass dabei der Klassenbeste bestimmen darf. Der Klassenbeste ist ohne Zweifel Scania." Das sieht man in München anders.

Letztlich hängt alles davon ab, wie die Wirtschafts-Ikonen Wallenberg und Piëch zueinander finden. Am Ende werden sie sich einig sein. Denn damit machen beide den dicksten Gewinn.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort