Milchbauern geht es wieder besser Die optimierte deutsche Kuh

Hünxe (RP). Vor nicht einmal zwei Jahren demonstrierten Milchbauern in Berlin und Brüssel. Die Preise waren im Keller, Landwirte fürchteten um ihre Existenz. Doch inzwischen lässt sich dank stark gestiegener Preise und rationellerer Produktion mit Milch wieder Geld verdienen.

Milchbauern machen die Straßen dicht
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Kühe, so weit das Auge reicht. Mehr als 500 Tiere hat Bernd Schwinum (45) auf seinem Hof in Hünxe stehen, davon 400 Stück Milchvieh. Ein Großteil davon läuft in nagelneuen Ställen umher, die erst im vergangenen Jahr fertiggestellt wurden. Rund zwei Millionen Euro hat der 45-Jährige in die Erweiterung seines Hofes investiert.

"Als meine Kollegen aus Protest gegen die niedrigen Milchpreis 2009 Milch auf die Straße gekippt haben, habe ich meinen Investitionsplan gemacht. Viele haben mich damals für bekloppt gehalten, aber nach einigen Schwierigkeiten zu Beginn kann ich heute sagen: Die Entscheidung war genau richtig", erzählt Schwinum.

Nicht nur der Hünxer hat die Krise gemeistert. Viehhalter freuen sich bundesweit über Milchpreise, die 50 Prozent über dem des Krisenjahrs 2009 liegen. So erlösen Landwirte in Deutschland derzeit bis zu 33 Cent pro Kilogramm Milch. Zum Vergleich: Im Juli 2009 betrug der Durchschnittspreis in NRW 22 Cent. Den Grund dafür nennt Hans Foldenauer vom Bund deutscher Milchviehhalter (BDM): "Der gegenwärtig starke Dollar ist unser Glück. Das hat den Export angekurbelt. Zudem produzieren die Franzosen sehr verhalten."

Tiere geben mehr Milch

Doch nicht alleine dank gestiegener Preise geht es den Milchviehhaltern besser als noch vor zwei Jahren. Die Kühe, am Niederrhein überwiegend Holsteiner Schwarz-Bunte, geben von Jahr zu Jahr mehr Milch. In NRW lag die Milchleistung pro Kuh und Jahr im vergangenen Jahr bei 8539 Kilogramm — 172 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2009 und 1223 Kilogramm mehr als 1999.

Auch die Durchschnittsgröße pro Herde ist gewachsen. Sie beträgt in NRW gegenwärtig 61,7 Kühe pro Herde — 3,7 Tiere mehr als im Vorjahr. Zudem ist die Lebensleistung pro Kuh gestiegen. Immerhin 573 Kühe hatten 2010 im Laufe ihres Daseins mehr als 100.000 Kilogramm Milch produziert. 2004 waren es nur 329 Tiere.

Doch zum Geschäft wird der Milchsegen für den Landwirt nur, wenn auch die Kosten unter Kontrolle bleiben. Futter und Energie sind teurer geworden. Daran können die Landwirte nichts ändern. Aber die Arbeitskosten pro Tier können sie senken. Fast keine Fachtagung von Milchviehproduzenten vergeht ohne eine Diskussion über die 35-Stunden-Kuh.

Der Begriff bedeutet nicht, dass die Produktionstätigkeit des lieben Viehs gewerkschaftlichen Vorstellungen von erwünschten Wochenarbeitszeiten angepasst werden soll. Damit ist die menschliche Arbeitszeit gemeint, die eine Kuh pro Jahr in Anspruch nimmt. Das läuft auf die einfache Relation hinaus: mehr Kühe, weniger Menschen.

436 NRW-Milchbauern gaben 2010 auf

Im Prinzip ist das auch bei Bernd Schwinum so. "Auch unser Ziel ist die 35-Stunden-Kuh, ganz klar." Im Augenblick kalkuliert er noch mit rund 38 Arbeitsstunden pro Jahr und Tier. Er und sieben Mitarbeiter sorgen dafür, dass der Betrieb 21 Stunden am Tag läuft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Seine Kühe geben nach Schwinums Angaben 10.500 Liter Milch pro Kuh und Jahr — 20 Prozent mehr als im Landesdurchschnitt.

Doch den Trend, den Arbeitszeitaufwand pro Kuh immer mehr zu senken, sieht der Hünxer Landwirt auch kritisch: "Die Kuh", sagt er, "ist ein sensibles Tier. Sie bringt nur Höchstleistungen, wenn sie sich wohl fühlt. Die Tiere wollen von morgens bis abends betüddelt werden. Da kann man die Arbeitszeiten nicht unbeschränkt runterfahren." Melkroboter seien gut und wichtig, sie ersetzten aber nicht die ständige Betreuung der Tiere.

Ob mit oder ohne 35-Stunden-Kuh: Die Zahl der Höfe wird weiter zurückgehen. In NRW gaben im vergangenen Jahr 436 von 8946 Milchbauern auf. Der Milchertrag pro Kuh wird dagegen weiter steigen. "Das liegt auch an besseren Züchtungen", sagt Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW. Der Landwirt könne mittlerweile im Internet genau das tiefgefrorene Sperma für seine Nachzucht bestellen, das am besten zu seinen Kühe passt.

Die Behauptungen des BDM, dass die Erzeuger erst bei einem Kilopreis von 40 Cent kostendeckend arbeiten könnten, findet er wenig glaubhaft: "Sicher kann man durch Milchviehhaltung nicht reich werden, aber die Gewinne sind 2010 um 40 Prozent gestiegen."

Bernd Schwinum plant mit Erlösen von durchschnittlich 28 Cent pro Kilogramm. "Aber die Marktpreise sind durch die Globalisierung extrem schwankend", sagt er. Da klingt der Landwirt fast wie ein Börsenmakler.

(RP)
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