SNB legt Wechselkursziel fest Die Krise treibt die Schweizer zum Euro

Zürich (RPO). Die globale Schuldenkrise zeigt paradoxe Auswirkungen. Die Schweizer Nationalbank koppelt überraschend den bärenstarken Franken an den Euro. Für die eigene Wirtschaft hatte sich die Stärke der Schweizer Währung zur Bedrohung entwickelt. An der Börse sorgte die Entscheidung aus Zürich für Kurssprünge.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Schrauben angezogen. Sie legt für den Franken ein unteres Wechselkursziel zum Euro fest. Ein Absinken der Gemeinschaftswährung unter 1,20 Franken werde ab sofort nicht mehr toleriert, teilte die Notenbank mit.

Die SNB sieht in der massiven Überbewertung des Frankens eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft und das Risiko einer deflationären Entwicklung. Die teure Währung hatte fatale Folgen: Schweizer Unternehmen konnten ihre Exportprodukte nicht mehr absetzen, die Tourismusbranche kam ins Schleudern, Zehntausende Arbeitsplätze gerieten in Gefahr, Fachleute befürchteten für die Schweiz mit Blick auf 2012 ein ernstes Rezessionsrisiko.

Der Grund für den starken Franken liegt in der Stärke der Schweizer Wirtschaft. Sie und ihre Währung gilt Anlegern als sicherer Hafen. Angesichts der grassierenden Schuldenkrise in Europa suchten sie ihr Heil im Franken. Einen weiteren Schub bekam der Franken, nachdem auch die Bonität der USA Kratzer im Lack abbekommen hatte.

Die Folgen: aus Sicht der Schweizer verheerend. Am 10. August lag der Franken bei 1,03 Euro, also fast gleichauf. Schon damals intervenierte die SNB, senkte den Leitzins überraschend auf praktisch null und erhöhte die Geldmenge. Die Maßnahme zeigte Wirkung an den Finanzmärkten, der Franken fiel. Mit den neu aufkeimenden Sorgen über die Euro-Krise und schlechten Konjunkturdaten aus den USA stieg die Schweizer Währung jedoch schnell wieder in die Höhe.

Schon seit Wochen wurde darüber spekuliert, ob die SNB nicht gut beraten wäre, und die Schweizer Währung in einem drastischen Schritt an den Euro zu binden. Nun hat sich die Bank dazu entschlossen. In ihrer Erklärung wählte sie dabei kraftvolle Worte, augenscheinlich damit an ihrer Entschlossenheit erst ja keine Zweifel aufkommen.

Anlegern, die bisher auf einen starken Franken spekuliert haben, soll das klarmachen, dass sie von nun an keine Chance mehr haben. "Die Nationalbank wird den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen", hieß es dort.

Und die Notenbank stellte weitere Maßnahmen in Aussicht, falls diese denn nötig werden sollten. "Der Franken ist auch bei 1,20 pro Euro hoch bewertet und sollte sich über die Zeit weiter abschwächen. Falls die Wirtschaftsaussichten und die deflationären Risiken es erfordern, wird die Nationalbank weitere Maßnahmen ergreifen."

Die SNB handelte damit nach Angaben der EZB auf eigene Faust. Die Europäische Zentralbank (EZB) teilte am Dienstag mit, sie nehme die Entscheidung der SNB zur Kenntnis. Die Schweizer Notenbank habe diesen Schritt in "eigener Verantwortung" unternommen.

Der Dachverband der Schweizer Unternehmen reagierte erleichtert. "Das ist eine Notmaßnahme in einer äußerst schwierigen Zeit", sagte der Chefökonom des Verbandes economiesuisse, Rudolf Minsch, am Dienstag der Nachrichtenagentur dapd. "Ohne diese Maßnahme wäre es bei unseren Unternehmen zu einem größeren Arbeitsplatzabbau gekommen", fügte er hinzu.

Am deutschen Aktienmarkt waren Kurssprünge zu verzeichnen. Der Dax verdoppelte als Reaktion auf die Ankündigung kurzzeitig sein Kursplus auf 1,6 Prozent und notierte am späten Vormittag noch 1,4 Prozent fester bei 5322 Punkten.

Der Euro gewann nach der Bekanntgabe der SNB-Entscheidung ebenfalls binnen kurzer Zeit deutlich an Wert. Am Morgen hatte die Gemeinschaftswährung noch bei 1,4060 Dollar gelegen. Die Koppelung der Währung katapultierte den Euro zwischenzeitlich auf 1,4220 Dollar, doch dann fiel er wieder zurück. Gegen 10.40 Uhr kostete ein Euro 1,4183 Dollar.

"Ich bin relativ zuversichtlich, dass die Nationalbank das durchsetzen kann", sagte Ökonom Martin Neff von der Credit Suisse. "Man kann davon ausgehen, dass der Franken sich um dieses Kursverhältnis (1,20 zum Euro) stabilisiert und vielleicht auch darüber geht."

Mario Mattera, Analyst beim Bankhaus Metzler, sagte: "Das ist der Schritt, über den lange spekuliert wurde. Die Ausgabe eines Kursziels von 1,20 Franken ist eine klare Aussage und der ultimative Schritt der SNB." Der Devisenmarkt werde das SNB-Ziel aber wohl auch testen.

(RTR/dapd)
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