Wie 16 GDL-Mitglieder den Schienenverkehr lahmlegten Die große Macht der kleinen Gewerkschaften

Frankfurt/Main (RPO). Davon könen viele andere Gewerkschaften nur träumen: Die Lokführergewerkschaft GDL braucht eigenen Angaben zufolge tatsächlich nur 16 Kollegen an den richtigen Stellen im Schienennetz zu alarmieren, und schon geht nichts mehr im Bahnverkehr.

Bahnstreiks - an diesen Bahnhöfen ging nichts mehr
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Bahnstreiks - an diesen Bahnhöfen ging nichts mehr

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Immer wieder haben kleine Gewerkschaften mit hohem Druckpotenzial in den vergangenen Jahren mit Aufsehen erregenden Streiks mehrstellige Forderungen durchgesetzt.

Den spektakulären Auftakt gaben im Jahr 2001 die Lufthansa-Piloten mit ihrer noch jungen Vereinigung Cockpit. Drei Mal streikten sie bis zu 24 Stunden lang für ihre Forderung von bis zu 35 Prozent mehr Geld, die unter den anderen Gewerkschaften einen Aufschrei der Empörung auslöste.

Der Pilotenstreik legte zeitweise den Flugverkehr der gesamten Gesellschaft lahm, die Lufthansa bezifferte die Umsatzausfälle und Kosten später auf 75 Millionen. Der erbitterte Tarifstreit ging bis in die Schlichtung, schließlich verließen die Piloten ihren Streikposten mit einem satten Plus von zwölf Prozent in der Tasche.

"Egozentrische Durchsetzung"

Nicht nur Lufthansa-Chef Jürgen Weber geißelte die "egozentrische Durchsetzung partikulärer Interessen", die die Piloten ohne Rücksicht auf andere Beschäftigtengruppen betrieben hätten. Auch die damals selbst noch junge Dienstleistungsgewerkschaft ver.di betrachtete das Vorgehen der Berufsgruppe mit ängstlichem Argwohn - organisiert sie doch die übrigen Lufthansa-Beschäftigten, für die sie später eine Erhöhung von 3,2 Prozent erstritt, und damit nur einen Bruchteil des von den Piloten erkämpften Tarifabschlusses.

Erhebliches Drohpotenzial entfalteten Anfang dieses Jahres auch die Fluglotsen mit ihrer Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die trotz erheblichen Arbeitgeberwiderstands neben Gehaltserhöhungen eine Umstrukturierung der Vergütung durchsetzte. Mit dem Zugeständnis hatte die Deutsche Flugsicherung (DFS) einen Lotsenstreik buchstäblich in letzter Minute abgewendet, der den gesamten deutschen Luftverkehr hätte lahm legen können.

Auch Ärzte setzten eigenen Tarifvertrag durch

Vergangenes Jahr machte zudem der frisch von ver.di abgespaltene Marburger Bund als kampfstarke Ärztevertretung von sich reden. Monatelang streikten tausende Mediziner für einen ärztespezifischen Tarifvertrag, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt; erst traten die Ärzte an Unikliniken in den Ausstand, dann diejenigen bei den Kommunen. Heraus kam neben satten Gehaltserhöhungen der ersehnte eigene Tarifvertrag, den die Arbeitgeber zuvor vehement abgelehnt hatten. Doch angesichts des Druckpotenzials der Mediziner blieb ihnen ganz offensichtlich keine andere Wahl.

Die übrigen Gewerkschaften, die traditionell zahlreiche Berufsgruppen organisieren - bei ver.di sind es an die 1.000 -, warnen vor einer Fortsetzung der Entwicklung. Kleine, aber kampfstarke Gruppen könnten gegenüber den Arbeitgebern beinahe alles durchsetzen und gefährdeten damit die Solidarität unter den Arbeitnehmern, befürchten sie. So warnte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, am Wochenende, der jetzige Sonderweg der Lokführergewerkschaft GDL spalte die Arbeitnehmer und schade der Tarifautonomie, die für den Ausgleich verschiedener Interessen innerhalb einer Branche sorge.

Die GDL wird sich von solchen Befürchtungen kaum beeindrucken lassen. Am Dienstag, während ihres zweiten Warnstreiks, geriet sie von ganz anderer Seite unter Druck: Per einstweiliger Verfügung verboten ihr zwei Arbeitsgerichte vorerst jeden weiteren Arbeitskampf. Wie viel Drohpotenzial den Lokführern nun übrig geblieben ist, wird sich bald zeigen: Am Freitag wird weiterverhandelt.

(ap)
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