Gewaltsame Proteste in der Krise Die Conti-Revoltierer kommen

Paris (RPO). DGB-Chef Michael Sommer warnt vor sozialen Unruhen in Deutschland. Möglicherweise erreicht radikaler Protest schon am Donnerstag das Land. Französische Arbeitnehmer haben sich für die Hauptversammlung des Reifenherstellers Continental in Hannover angekündigt. Vor der Abreise verwüsteten sie noch Büroräume und ein Gebäude ihrer Fabrik in Nordfrankreich. Frankreich erlebt seit Wochen einen zunehmend radikalen Protest.

Gewaltsame Proteste in der Wirtschaftskrise
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Über tausend Conti-Beschäftigte aus Frankreich werden in Hannover erwartet. Continental will die Reifenwerke in Hannover und im nordfranzösischen Clairoix schließen. Die Belegschaft in Frankreich hat ihrer Wut auf die Entscheidung mit Gewalt Luft gemacht. Nachdem ein Gericht ihre Klage gegen die Schließung ihrer Fabrik zurückgewiesen hatte, drangen sie in die Unterpräfektur von Compiègne ein, verwüsteten mehrere Büros, warfen Möbel und Computer umher und rissen Akten aus den Schränken. Danach zogen Beschäftigte zu dem nahegelegenen Continental-Werk Clairoix und zerlegten das Wachhäuschen am Eingang, zündeten außerdem einen Stapel Reifen an.

Ihr Protest ist nur der jüngste Vorfall. In Frankreich haben Arbeitnehmer in den vergangenen Wochen mehrfach auf drastische Weise ihrem Zorn Ausdruck verliehen. Erst Anfang der Woche hatten Arbeitnehmer wieder einen Manager als Geisel genommen: Marcus Kerriou, den Vize-Geschäftsführer des Autozulieferers Molex. Dienstagabend ließen die Arbeiter die beiden Manager wieder frei.

Radikale Protestkultur

Die Geiselnahme war bereits die sechste dieser Art seit Mitte März. Weil in Frankreich der soziale Dialog selbst in guten Zeiten nur stotternd funktioniert, gibt es in der Krise immer wieder spontane Verzweiflungsaktionen von Mitarbeitern. Zwar lehnen die Gewerkschaften Gewalt offiziell ab. Aber in den Betrieben können sich ihre Funktionäre der Wut und Empörung der Kollegen oft nicht entziehen. Und: Das "Bossnapping" zahlt sich aus. Zugeständnisse wie höhere Abfindungen oder geringere Entlassungszahlen sind nicht selten.

Die Regierung hält sich betont zurück, Präsident Nicolas Sarkozy beließ es bei flammenden Appellen. Die Polizei rückte nur in Ausnahmefällen an. Die Stimmung im Land wäre auch nicht danach: 56 Prozent der Arbeiter heißen das Vorgehen gegen die Manager gut. Sogar 40 Prozent der Selbstständigen und leitenden Angestellten akzeptieren Geiselnahmen als "Form des sozialen Kampfes".

Gewalt auch in Hannover?

Kommt mit den französischen Conti-Angestellten nun auch die Gewalt zur Hauptversammlung nach Hannover? Das Statement von Xavier Mathieu, Vertreter der Gewerkschaft CGT bei Continental, legt einen anderen Schluss nahe. "Seit fünf Wochen halten wir diese Leute zurück. Schon am ersten Tag wollten sie alles in die Luft sprengen, die Fabrik anzünden." Jetzt sei die Zeit gemäßigter Aktionen vorbei. "Wir sind jetzt keine Schafe mehr, sondern Löwen, die zu allem bereit sind."

Was die Beschäftigten am Donnerstag in Hannover genau planen, wo Proteste mit den deutschen Mitarbeitern geplant sind, sagte Mathieu nicht. Laut Vertretern der Gewerkschaft Force Ouvrière ist ein "friedlicher" Protest vorgesehen. Für die Reise wurde laut Gewerkschaften eigens ein Sonderzug mit 14 Waggons gechartert, der am Mittwochabend von Compiègne abfährt.

Verantwortlich für die Planung der Kundgebung in Hannover ist die Industriegewerkschaft IG BCE. Deren Sprecher Rudi Heim beruhigt. "Es geht uns nicht darum Krawall zu machen. Wir wollen bewusst um Sympathien werben, weil wir auch Sorge um den Ruf von Conti haben", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Von gewalttätigen Protesten in Hannover will er nichts wissen. Die Krawalle am Werk in Frankreich führt er auf kleine, extremistische Randgruppen zurück. Die französischen Kollegen hätten zugesichert, sich an die deutschen Spielregeln zu halten.

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