Vorteil über den Arbeitgeber Warum nur wenige NRW-Konzerne das Deutschlandticket fördern
Exklusiv | Düsseldorf · Bayer, Ergo oder Post preschen vor mit der Förderung des Deutschlandtickets, viele andere Unternehmen wie Henkel, Telekom oder Eon warten ab. Dabei ist das Interesse der Belegschaft hoch.
Von Reinhard Kowalewsky
Die Vermarktung des Deutschlandtickets in Form von Jobtickets läuft bescheiden. Nur rund 80.000 Berufstätige im Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) haben über ihren Arbeitgeber ein Deutschlandticket bestellt. Das sind gerade einmal rund neun Prozent der im Juli insgesamt abgesetzten 840.000 Deutschlandtickets beim größten Verkehrsverbund Deutschlands, zeigen die Zahlen des VRR. Gemessen daran, dass im VRR-Gebiet 7,8 Millionen Menschen und mehr als drei Millionen Berufstätige wohnen, sind dies alles andere als hohe Werte. Beim Westfalentarif rund um Münster haben nur 13.000 Menschen das Deutschlandticket über die Firma gebucht, insgesamt wurden 143.000 Kunden gewonnen, beim Aachener Verkehrsverbund (AVV) wurden 99.000 Deutschlandtickets verkauft, davon knapp acht Prozent als Jobticket. „Das Deutschlandticket als Jobticket ist eine gute Sache“, sagt Norbert Czerwinski, Vertreter der Grünen in der VRR-Verbandsversammlung, „aber es gibt noch Nachholbedarf.“ Noch skeptischer ist Lothar Ebbers, Sprecher von Pro Bahn in NRW: „Gemessen an den Erwartungen laufen weniger Deutschlandtickets über den Arbeitgeber als erwartet.“
Mehrere Gründe haben die Misere verursacht. Einer ist, dass viele Arbeitgeber davor zurückschrecken, das Modell einzuführen, weil es Geld kostet: Das Deutschlandticket als Jobticket gibt es nur, wenn der Arbeitgeber mindestens 12,25 Euro dazu gibt – erst dann gibt es fünf Prozent Rabatt von den Verkehrsbetrieben. Der Bürger zahlt dann maximal 34,30 Euro im Monat für die bundesweite freie Fahrt mit S-Bahnen, Regionalzügen und Bussen.

In diese Städte im Ausland können Sie mit dem Deutschlandticket reisen
Das Land NRW verweigert den Beamten und Beschäftigten den Zuschuss, weil dies in der Besoldungsordnung nicht vorgesehen ist, Hessen sieht dies lockerer. Viele Städte wie Düsseldorf verweigern sich aus ähnlichen Gründen, wobei allerdings einige – wie Mönchengladbach – doch mitmachen. Einige NRW-Konzerne wie Bayer, Post und Ergo oder auch die IHK Düsseldorf haben zwar das Modell übernommen, ergab eine Umfrage unserer Redaktion. Aber bei Eon, Evonik, Henkel, RWE und Vodafone hat die Belegschaft Pech, da gibt es nur die traditionellen Jobtickets mit rund zehn Prozent Mengenrabatt, die nur in engen Tarifgrenzen gültig sind und fast immer deutlich teurer sind als 34,30 Euro.
Interessant ist, wie die Telekom vorgeht: Weil das neue Deutschlandticket günstiger ist als die bisherigen Jobtickets für jeweils einzelne Tarifgebiete, laufen die alten Jobtickets einfach aus. Einen Ersatzvertrag für das Deutschlandticket als Jobticket gibt es aber bisher nicht – dafür soll Verdi wohl interne Zugeständnisse machen, ist zu vermuten.
Die Vorreiter beim Deutschlandticket als Jobticket zeigen, wie gut es ankommt: Bei Bayer sind 4650 der inländischen 22.600 Beschäftigten dabei. Bei der Post haben 2000 der 7000 Beschäftigten in Bonn einen Vertrag unterschrieben, teilweise müssen sie nur 18 Euro im Monat zahlen. Bei Ergo in Düsseldorf hat jeder Zweite der 4500 Beschäftigten unterschrieben – und zahlt nun einem Preis von maximal 26,55 Euro im Monat dank eines hohen Firmenzuschusses. „Wir fördern damit den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn auf dem Weg zur Arbeit und somit eine nachhaltige Mobilität“, sagte eine Ergo-Sprecherin.
VRR und Westfalentarif sind optimistisch, künftig deutlich mehr Deutschlandtickets über die Chefs verkaufen zu können. „Wir arbeiten mit den Verkehrsunternehmen an einer kontinuierlichen Steigerung der Jobticket-Verkäufe“, sagt ein VRR-Sprecher. Ein Hebel soll sein, dass auch kleine und mittlere Firmen angesprochen werden sollen. „Es gibt da großes Potenzial“, sagt ein Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), „in Deutschland gibt es rund 2,5 Millionen kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten, von denen viele bisher kein Firmenticket nutzen.“
Außerdem rechnen VRR und Co. damit, dass so mancher Gigant doch unterschreibt. So hat Thyssenkrupp soeben beschlossen, doch einen Vertrag abzuschließen, Vodafone prüft dies.
Öffentliche Institutionen wollen oft mitmachen, wenn die Tarifverträge dies vorsehen. „Wir sind als tarifgebundene Körperschaft des Öffentlichen Rechts gehalten, das Ergebnis der im Oktober beginnenden Tarifverhandlungen auf Landesebene abzuwarten“, heißt es bei der Handwerkskammer Düsseldorf. Dann könnte auch das Land einsteigen.
Als drittes wird diskutiert, das Deutschlandticket als „Solidarmodell“ zu verkaufen. Dann bestellen Arbeitgeber für alle Beschäftigen ein Jobticket. Sie erhalten dann einen viel höheren Rabatt als nur fünf Prozent. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) verkauft Firmentickets im „Solidarmodell“ seit Jahren. Ein Ticket kostet dann 31,85 Euro im Monat für die Firma. Der VRS hatte im Juni 353.000 Deutschlandtickets an den Mann gebracht, wovon 122.000 ein Jobticket waren. „Mit dieser Quote von rund einem Drittel sind wir ganz vorne“, freut sich ein VRS-Manager.