Bundesrepublik in der Exportfalle Deutsche Wirtschaft belastet EU-Bilanz

Wiesbaden (RPO). Die weltweite Wirtschaftskrise trifft Deutschland deutlich härter als andere europäische Länder. In der Eurozone ebenso wie in der gesamten EU sank das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2009 um 2,5 Prozent. In Deutschland ist der Rückgang mit 3,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal wesentlich dramatischer. Ursache ist vor allem der Einbruch beim Export.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im gesamten EU-Raum gesunden, doch besonders stark in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im ersten Quartal 2009 um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Das ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden der größte Rückgang seit Beginn der Berechnung amtlicher Quartalsergebnisse im Jahr 1970.

Besser als die Bundesrepublik schnitten unter anderen die Niederlande und Österreich (jeweils minus 2,8 Prozent), Italien (minus 2,4 Prozent), Großbritannien (minus 1,9 Prozent) und Frankreich (minus 1,2 Prozent) ab. Allerdings lagen erst Zahlen aus 16 der 27 EU-Staaten vor.

Gegenüber dem Vorjahreswert ging das BIP in der EU insgesamt um 4,4 Prozent zurück, in der Eurozone um 4,6 Prozent. In den USA als einem der Hauptwirtschaftspartner Europas sank nach den Angaben von Eurostat das BIP im ersten Quartal um 1,6 Prozent zum Vorquartal und um 2,6 Prozent zum Vorjahresquartal.

Die Zahlen für Deutschland waren allerdings wesentlich beunruhigender: Im Vergleich zum ersten Quartal 2008 sackte das BIP sogar preisbereinigt um 6,7 Prozent, kalenderbereinigt um 6,9 Prozent ab. In den letzten drei Monaten des Jahres 2008 war das BIP um 2,2 Prozent gesunken; das Statistische Bundesamt korrigierte den ursprünglich genannten Wert noch um 0,1 Prozentpunkt nach unten. Bereits das war der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung.

Exportweltmeister leidet in globaler Krise

Ausführliche Angaben über die Wirtschaftsleistung in den einzelnen Bereichen will das Statistische Bundesamt am 26. Mai veröffentlichen. Soviel ist nach den Angaben der Statistiker jedoch schon klar: Der Exportweltmeister Deutschland wird von der globalen Wirtschaftskrise besonders stark getroffen. Die Ausfuhren seien im ersten Quartal deutlich stärker zurückgegangen als die Importe, erklärte das Bundesamt. Zudem seien die Investitionen der Unternehmen erheblich niedriger ausgefallen als im Vorquartal. Einzig die staatlichen und die privaten Konsumausgaben hätten einen leichten Anstieg verzeichnet.

Beim privaten Verbrauch wirken sowohl die deutlich gesunkene Inflation als auch die Abwrackprämie positiv. Das reicht aber nicht, um die Einbrüche beim Export auszugleichen. Analysten der Nord/LB schätzen den Rückgang beim Export auf mehr als 10 Prozent. Zudem wirke die geringe Auslastung der Kapazitäten als Investitionsbremse. Daher seien vor allem die Ausrüstungsinvestitionen in den Keller gerutscht. Darüber hinaus habe die sehr kalte Witterung die Bautätigkeit gebremst.

Analysten erwarten weniger negative Zahlen

"Dies wird das letzte Quartal mit derartigen Horrorzahlen gewesen sein", erklärte die Nord/LB. Für die zweite Jahreshälfte sei eine Bodenbildung zu erwarten. Für das Gesamtjahr erwartet die Bundesregierung derzeit einen Rückgang des BIP um sechs Prozent. Analysten sehen für das laufende Jahr ebenfalls noch keinen Aufschwung voraus, auch wenn der Rückgang sich abschwächen dürfte. Darauf deuten Anzeichen für eine vorsichtige Erholung der globalen Nachfrage seit März hin.

Auch die Ökonomen von Global Insight zeigen sich angesichts der dramatischen Zahlen vorsichtig, aber trotzdem optimistisch. Sie sagen vom zweiten Quartal 2009 an "viel weniger negative" Wachstumszahlen voraus. Vor allem die Exporte dürften anziehen, während die Einfuhren deutlicher als bisher sinken dürften, da die zunehmende Arbeitslosigkeit den privaten Verbrauch immer mehr dämpfen dürfte. Wegen der weiterbestehenden Probleme in wichtigen Zielländern der deutschen Exportwirtschaft dürfte es allerdings einige Jahre dauern, bis das Exportniveau von 2007 wieder erreicht werden könne.

ING-Volkswirt Carsten Brzeski glaubt, dass nun das Schlimmste wirklich vorbei sei. Die Vertrauensindikatoren stiegen, die Auftragseingänge und die Exporte ebenso, und die Produktion habe sich stabilisiert. "Der freie Fall der deutschen Volkswirtschaft scheint zu Ende", sagte Brzeski. Allerdings befinde sie sich jetzt auf dem Stand von 2005.

Auch UniCredit-Volkswirt Alexander Koch geht davon aus, dass das erste Quartal 2009 den Tiefpunkt der "Großen Rezession" dargestellt hat. Für das zweite Quartal rechne er mit einem BIP-Rückgang um 0,5 Prozent und für das Gesamtjahr 2009 mit einem Minus von 6,2 Prozent.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet ebenfalls, dass das BIP auch noch im zweiten Quartal sinken wird. Zwar seien die Auftragseingänge im März gestiegen, aber ihr Trend weise weiterhin klar nach unten. Für das Gesamtjahr 2009 erwarte Krämer ein BIP-Minus zwischen sechs und sieben Prozent, "wobei wir möglicherweise näher an die sechs Prozent als an die sieben Prozent kommen werden".

(AP)
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