Nur noch Misstrauen für GM Der Opel-Jubel fällt aus

Bochum (RP). Das Land reagiert merkwürdig reserviert auf die Rettung des Bochumer Opelwerks. Der ausbleibende Jubel ist ein erschütterndes Dokument des Misstrauens gegenüber General Motors.

2009: Tausende Opelaner protestieren gegen GM
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Das Reizwort "Opel” ist inzwischen von so vielen Emotionen überlagert, dass man dabei kaum noch an Autos denkt. Nach einem Jahr voller enttäuschter Hoffnungen, verpasster Chancen und blamierter Politiker ertrinken selbst gute Opel-Nachrichten in einem Gemisch aus Frust und Langeweile. Und so huscht heute seltsam verhalten durch die Blätter, was vor einem Jahr noch Titelseiten gefüllt hätte: Das Bochumer Opel-Werk wird nicht geschlossen. "Bochum bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Standort für General Motors”, sagte am Dienstag der Europa-Chef von GM, Nick Reilly, nach einem Gespräch mit NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

Das war nicht unbedingt zu erwarten. Nach dem geplatzten Verkauf von Opel an Magna stand das fast 50 Jahre alte Werk in Bochum zusammen mit Antwerpen ganz oben auf der Streichliste der amerikanischen Sanierer.

Aber auf der Homepage der Landesregierung rangierte die Nachricht gestern nur an fünfter Stelle. Selbst der Hinweis, dass für NRW "die Bürgerorientierung bei der Verwaltungsstrukturreform als Reformprinzip im Mittelpunkt” steht, war der Landesregierung wichtiger als die Rettung des Bochumer Werkes. Merkwürdig vor dem Hintergrund des Aufwandes, mit dem Rüttgers sich noch im Februar für einen nutzlosen Rettungs-Besuch beim damaligen GM-Chef Rick Wagoner hatte feiern lassen.

Auch die 5300 Opelaner in Bochum reagierten mit angezogener Handbremse ­ obwohl sie ihr Werk nach den spektakulären Streiks vor fünf Jahren nun offenbar zum zweiten Mal aus der Schrottpresse gezogen haben. "Ich rechne mit sehr schwierigen Verhandlungen darüber, wie es jetzt weitergeht”, sagte Betriebsratschef Rainer Einenkel gegenüber unserer Redaktion.

Die allgemeine Skepsis hat vier Gründe:

Arbeitsplätze Der Erhalt des Bochumer Werkes sagt noch nichts über den Erhalt der Jobs dort aus. Die Opel-Mutter General Motors hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie in Europa wesentlich mehr Autos baut als verkauft. Früheren Planungen zufolge will GM von seinen gut 50.000 Jobs in Europa rund 10.000 streichen. Magna galt der NRW-Landesregierung als bevorzugter Opel-Käufer, weil die Österreicher in Bochum "nur” 2200 Stellen hätten streichen wollen. Wie viel GM in Bochum streicht, wird erst in den nächsten Tagen verkündet. Selbst betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen.

Modelle Die Zukunftschancen eines Autowerks liest man am besten an den Modellen ab, die dort gebaut werden. Mit dem Astra Caravan und dem Zafira durfte Bochum bislang zweisehr volumenstarke und damit wichtige Modelle bauen. Beide laufen aus. GM will in Bochum laut früheren Planungen nur den Zafira-Nachfolger bauen lassen. Mit nur einem Modell wackelt Bochum spätestens in der nächsten Krise wieder.

Eigentümer Nachdem GM sich gegenüber der Bundesregierung mehrfach in Widersprüche über den Zustand von Opel verwickelt hatte, verständigten Bund, Länder, GM, Magna und das US-Finanzministerium sich am 30. Mai auf ein Rettungskonzept. Am 10. September bekräftigte der GM-Verwaltungsrat den Plan zum Verkauf von Opel an Magna. Am 3. November verkündete dasselbe Gremium, dass GM Opel nun doch nicht verkaufen wolle. Zwischen diesen drei Terminen gab es mehrere 100 Treffen zwischen deutschen und amerikanischen Politikern, Gewerkschaftern und Betriebsräten, Managern, Bankern und Ingenieuren. Alle mit dem Ziel, den Verkauf vorzubereiten. Entsprechend flächendeckend ist nun die Empörung, die den Amerikanern immer noch entgegenschlägt. "Effizienter kann man seine Glaubwürdigkeit nicht ruinieren”, meint der Duisburger Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer.

GM genießt auch wegen der unglücklichen Hand des Managements wenig Vertrauen. Nachdem der einst weltgrößte Autobauer ein ganzes Jahrzehnt lang Autos am Bedarf der Kundschaft vorbei gebaut hatte, fuhr er am 1. Juni mit aberwitzigen Milliarden-Verlusten in die seit 2006 vorhersehbare Pleite. Handlungsfähig ist GM heute nur deshalb wieder, weil die US-Regierung den Konzern mit über 30 Milliarden Dollar Steuergeld verstaatlicht hat.

Nick Reilly Unklar ist auch, welchen Wert die Aussagen des neuen GM-Europa-Chefs überhaupt haben. Der Brite verwaltet sein Amt nur kommissarisch, weil General Motors keinen geeigneten Kandidaten für den Posten findet. Nach Aussagen von GM-Chef Fritz Henderson sucht Detroit weiterhin einen ­ möglichst deutschsprachigen ­Statthalter für das Europa-Geschäft.

(RP)
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