Helmut Linssen Der Hüter der Kohle-Milliarden

Helmut Linssen verabschiedet sich mit guten Zahlen als Finanzchef der RAG-Stiftung. Als Politiker und Unternehmer war er ein Wanderer zwischen den Welten. Nun freut er sich auf mehr Zeit für die Familie und Lehman, seinen Hund.

 Helmut und Cathrin Linssen 2011 auf ihrem Hof.

Helmut und Cathrin Linssen 2011 auf ihrem Hof.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Helmut Linssen wurde im Leben nichts geschenkt: Als er 19 Jahre alt war, starb sein Vater. Zusammen mit seinem älteren Bruder übernahm er den väterlichen Landhandel in Geldern. Das hat Linssen geprägt, verbittert hat es ihn nicht. Weder als Unternehmer, noch als Politiker hat er den Spaß am Leben verloren – auch wenn er  viele Kämpfe auszufechten hatte. Mit seinem Abschied als Finanzchef der RAG-Stiftung verabschiedet er sich auch von der großen Bühne in NRW.

Seit 2012 hat Linssen die Milliarden der Kohlestiftung angelegt, aus dem Vermögen müssen die Ewigkeitskosten des Bergbaus wie das Abpumpen der Gruben bezahlt werden. „Sie gehen mit dem bisher besten Jahreserfolg der Stiftung und hinterlassen ein gut bestelltes Feld“, schrieb ihm Stiftungschef Bernd Tönjes zum Abschied.

Als Linssen antrat, besaß die Stiftung Rücklagen von 2,2 Milliarden Euro. Inzwischen sind sie auf 7,3 Milliarden angewachsen. Damals machte die Stiftung einen Jahresgewinn von 195 Millionen Euro. Für 2018 werden es  454 Millionen sein. „454 Millionen sind ein schöner Erfolg unseres kleinen Teams“, sagte Linssen. Die RAG-Stiftung hat gerade mal 30 Mitarbeiter, ihre Büros sind auf der ehemaligen Zeche Zollverein. „Im Welterbe“ lautet die schönste Adresse, an der Linssen je gearbeitet hat.

Einen großen Teil des Gewinns (363 Millionen) steuert Evonik per Dividende bei. Die Stiftung hält heute 64 Prozent an dem Chemiekonzern. Aber auch die Pflänzchen, die Linssen gezogen hat, haben sich gut entwickelt: Inzwischen steuern diverse Kapitalanlagen 49 Millionen Euro bei, hinzukommen 24 Millionen von der Beteiligungsgesellschaft. Zu den Kapitalanlagen zählen klassische Staatsanleihen, aber auch Aktien und Finanzpapiere. Über die ist die RAG-Stiftung an einem bunten Strauß von Unternehmen beteiligt: vom Tierbedarf Zooplus über den Sicherheitstechniker R.Stahl bis zum Roboterhersteller Hahn. Einen kleinen Teil des Geldes investiert die Stiftung zudem in die Private-Equity-Gesellschaft Maxburg.

Schlagzeilen machte die Stiftung, als sie unlängst bei Benkos Signa Prime einstieg. Das Unternehmen des Karstadt-Eigentümers René Benko ist Besitzer edler Warenhaus-Immobilien wie dem Kadewe. „Ich habe mir die Unternehmen von Rene´ Benko lange angesehen  und mich mit ihm irgendwann in Düsseldorf getroffen. Ich bin beeindruckt von seiner Energie und Leistung“, sagte Linssen. „Die Kritik an Benko, die in Teilen der Öffentlichkeit vorherrscht, kann ich nicht verstehen.“

Linssen trat 2012 bei der Stiftung zusammen mit Werner Müller an, der Vorstandschef wurde. Müller legte 2018 aus Gesundheitsgründen sein Amt nieder, Linssen nun aus Altersgründen. Beide waren Wanderer zwischen den Welten Politik und Wirtschaft.

Linssen machte nach dem Tod seines Vaters eine Lehre zum Außenhandelskaufmann,  studierte in Hamburg und München und kehrte als Diplom-Kaufmann an den Niederrhein zurück. Als die linksliberale Koalition sich immer neue Belastungen für die Wirtschaft ausdachte, trat Linssen 1972 in den CDU ein. 30 Jahre, von 1980 bis 2010, war er Abgeordneter des Landtags, wo er den Wahlkreis Kleve vertrat. „Ich lebe nicht von der Politik, sondern für die Politik“, hat er mal gesagt. Sein Landhandel gab ihm  stets die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die großen Schlachten aber schlug er in der Politik. 1990 setzte er sich im Kampf um den Fraktionsvorsitz durch, 1995 zog er als Spitzenkandidat der CDU in den Landtagswahlkampf. „Sicherheit kann man wählen“, lautete einer seiner Slogans. Die SPD verlor ihre absolute Mehrheit, Johannes Rau wurde erstmals mit den Stimmen der Grünen Ministerpräsident.

Seine schwerste Niederlage?  „1999 gegen Jürgen Rüttgers den Kampf um den Parteivorsitz zu verlieren“, sagte Linssen im Rückblick. „Vielleicht lag es daran, dass ich erst mit 30 Jahren in die CDU eingetreten bin. Die harte Schule der Jungen Union, in der man auch viel Strategie und Taktik lernt, habe ich eben nicht genossen.“

Von 2005 bis 2010 war er Finanzminister in NRW. Geprägt vom Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“  brachte er die Landesfinanzen voran, wobei ihm die sprudelnden Steuereinnahmen zur Hilfe kamen.  2010 wurde er Schatzmeister der CDU in Bund und Land. Schlagzeilen macht er 2014, als bekannt wurde, dass er für seine Mutter Geld in eine Briefkastenfirma auf den Bahamas bzw. Panama ausgelagert hatte. Ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung wurde aber eingestellt.

Dem Niederrhein ist Linssen bis heute treu geblieben, er wohnt mit seiner Frau Cathrin in Issum, zu dem alten Kotten gehört eine Schafherde. Die Familie, er hat eine Tochter und fünf Enkel, ist ihm wichtig. Regelmäßig fährt die Familie gemeinsam in den Skiurlaub nach Kirchberg bei Kitzbühl.

Langweilig wird es dem 76-Jährigen auch nach der RAG-Zeit nicht. In manchem Beirat sitzt er noch, gerade erst war er in China. Auf dem Hof gibt es immer Arbeit, der Hund wartet. „Lehman“ heißt der, wie die US-Bank, die die Finanzkrise 2007 auslöste. Zu schwer, das weiß man am Niederrhein, darf man das Leben nie nehmen

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